- 5 - Hoffnung und Sehnsucht hier und da - so träum ich mir die Liebe vor - und alles ein bißchen wehmütig. Rößler war erstaunt, daß sowas aus Renels Feder fließen konnte, er kannte von ihm nur nüch terne, harte Geschichten. Renel schlief wieder, und auch Rößler verspürte nun Müdigkeit - die letzte Nacht hatte er mit Renel durchfeiert im Krakower Studenten club und anschließend im Hotel. Er fühlte die Blässe auf seinem Ge sicht, stand auf, drängte sich durch den Gang zur Toilette, wusch, cremte, kämmte, freute sich aufs Wiedersehen, wollte zur Begrüßung nicht so zerknüllt aussehen. Er sah in den Spiegel, sah, daß Creme nichts half, der ganze vergangene Winter lag auf diesem Gesicht und die Nächte über Büchern und die Äsche der Zigaretten. Plötz lich kam ihm sein Gebaren albern vor — vier Jahre getrennt vom Zweiundzwanzigjährigen, der gewissenhaft die Haare in alle vier Winde kämmt, der den Kopf stundenlang in die Sonne hängt, um mit Bräune Sport lichkeit vorzutäuschen, der immer irgendein Buch mit sich herumschleppt neben Butter und Fadennudeln im Einkaufsnetz oder zusammengerollt in der Jakett- tasche - 'Du, ich hab letzte Nacht Tagore entdeckt!', über den, seit er im Lehrerkabarett mit ausgestopften Kleid ein zänkisches Weib spielte, selbst der Direktor gutmütig witzelt, den am ersten Schuldienst-Tag ein aufsichtsführender Kollege zur Hofpause runterjagt, weil er den Schülern aus der Zehnten glich. Einer, der nicht nur jung aussah, sondern jung war. Am jüngsten wohl in der Umbesetzungsprobe für das neue Kabarett programm. Denn Vera spielte nicht mehr mit. Sie hatte in der letzten Auf führung das Lied eines Kurfürstendamm-Mädchens vorgetragen, mit Khef-Stimme und Schlafzimmerblick. Doch nach dem rasenden Beifall