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— Rußland. Der Vizedirektor de» russischen Zolldepartements in Petersburg bereist gegenwärtig die russischen Zollkammern an der deutschen Grenze, um sich über die durch den Zollkrieg geschaffene Lage zu informiren. Bon Alexandrowa fuhr er nach Eydtkuhnen. Die Zollspediteure in Alexandrows be zeichnen, wie der „N.-Z." berichtet wird, die Lage an der Grenze in Rußland als völlig unhaltbar und rechnen bestimmt auf eine Verständigung vor dem 1. Oktober. — Wie unser östlicher Nachbar jetzt schon an den Folgen des Zollkrieges leidet, zeigt ein Artikel, der im Emporium des russischen Kornhandels, in Odessa erschienen ist. Im dortigen „Berichterstatter" lesen wir u. A.: „Roggen wird mit 56—58 Kopeken per Pud bei schwacher Nachfrage verkauft. Zieht man nun in Betracht, daß für Transport und son stige kleine Unkosten ans das Pud 27—28 Kopeken abgehen, so bleiben als Erlös nur 29-30 Kopeken per Pud übrig. Noch schlimmer steht eS mit anderen Kornarten, da man noch sehr viel alte Waare am Markt hat. Wie wirb das erst später werden, zumal die Ernte eine ganz vorzügliche zu werde» verspricht." Locale und sächsische Nachrichten. — Dresden. DaS Königl. Finanzministerium hat Bedenken getragen, den demselben kundgegebenen, zum Theil weitgehenden Wünschen nach Abgabe von Waldstreu und WaldgraS in voller Aus dehnung zu entsprechen, weil bei deren Erfüllung eine Schädigung der Bodenkrast und der Holzbestände der SkaatSwaldungen aus lange Zeit hinaus mit Sicher heit zu erwarten sein würde. ES glaubt vielmehr, die bisherigen Anordnungen auch jetzt noch für die Bekämpfung des vorhandenen Mangels an Streu und Futtermitteln für ausreichend halten zu sollen, hat aber, um den berechtigten Wünschen thunlichst entgegcnzukommen und die Bedürftigeren unter den kleineren Landwirthen möglichst zu begünstigen, die Königl. Oberforstmeistereicn dahin angewiesen, daß Streu und Waldgras gegen Erstattung der Werb ungskosten zuzüglich eines geringen Aufschlages fin den Werth aus freier Hand an diejenigen Streu oder Futterbedürftigen avzugebcn ist, welche sich als solche nnd zugleich über ihre Mittellosigkeit durch ein Zeugniß des GemeindevorstandcS bezw. Bürgermeisters ihres Wohnortes ausweisen, und daß nur dann, wenn die überhaupt verfügbaren Borräthe durch solche Frei handgaben nicht erschöpft werten, die Verwerthung des Restes im Wege der Versteigerung zu erfolgen hat. — Eine Selbstmordaffairc eigenthümlicher Art spielte sich am Dienstag Abend in einem der ersten CafüS am Altmarkte in Dresden ab. Ein sorgfältig gekleideter junger Alaun von einigen zwanzig Jahren kam nm sechs Uhr Abends nach dem Caf6, ließ sich auf dem in der Mitte des Ecksalons stehen den Polster nieder und bestellte ein Glas Rvthwcin. Derselbe bezahlte dasselbe sofort und zog dann plötz lich einen an der rechten Hand befestigten Revolvec auS der Tasche, setzte zum Grausen der anwesenden Gäste die Mordwaffe an die Schläfe, und ehe es Jemand hindern konnte, feuerte er ab. Die Kugel drang dem Selbstmörder in das Gehirn, und er fiel sofort bewußtlos zur Seite. Bei seiner Ueberführ- ung nach dem Krankenhaus verstarb :r. — Leipzig. Gelegentlich des hier abgehaltencn 10. Bundestages des Deutschen Radfahrer-Bundes fand im Etablissement „Drachenfels" ein Volksfest, eine alte Leipziger Messe darstellend, statt, das außer ordentlich zahlreich besucht war, so daß ein wirklicher „Meßtrubel" entstand. Dadurch glaubte sich ein Taschendieb vielleicht auf die wirkliche Messe versetzt und er konnte sich nicht enthalten, einem auswärtigen Radfahrer, als dieser von einer sog. amerikanischen Schaukel abstieg, die goldene Uhr im Werthe von 200 Mark im Gedränge abzunehmen. Er konnte sich des Besitzes jedoch nicht lange freuen. Als er sie beim Leihhause versilbern wollte, wurde er, da der Diebstahl daselbst bereits bekannt war, angehalten und der Polizei übergeben. E« ist ein 29 Jahre alter Schlossergeselle, der nun Gelegenheit bekommt, längere Zeit über seinen dummen Streich nachzudenken. — Leipzig. Einem Radfahrer war vor zwei Jahren auf einer Tour im Rheingau aus dem Gar ten eines Hotels sein Dreirad gestohlen worden, ohne daß er die geringste Spur von dem Diebe hätte entdecken können. Er hatte den Diebstahl schon längst verschmerzt und fast vergessen, al» cr'bei seinem Aufenthalt in Leipzig zum Radfahrer-Kongreß vor einem Restaurant ein Dreirad stehen sah, das dem ihm gestohlenen von besonders niederer Konstruktion sehr ähnelte und da» er schließlich bei näherer Be sichtigung al» das ihm gestohlene erkannte. Er war tete auf den gegenwärtigen Besitzer, und da dieser nur sehr verlegene Antworten geben konnte, so wurde ein Schutzmann herbeigeholt, der dann auch fcststellte, daß ver gegenwärtige Besitzer, ein Kellner, der da mals in dem Hotel bedienstet war, das Dreirad ge stohlen hatte. Nunmehr wußte er natürlich mit zur Polizei, wo er in Hast behalten wurde. — Lengenfeld. Am Sonntag Abend ist hier ein Diebstahl in außerordentlich dreister Weise auSgesührt worden. Einem hiesigen Einwohner, der sich vor 10 Uhr zu Bette gelegt hatte, wurde zwischen 10 und >1 Uhr von zwei unbekannten Personen die Zudecke vom Bett weg gestohlen. Da der Mann leidend ist, konnte er die frechen Diebe nickt an ihrem nichtswürdigen Thun hindern. — Während der diesjährigen militärischen Herbst üb un gen werden bei allen drei sächsischen Divisionen Feldschlächtereien und Feldbäckereien er richtet werden, welche das Fleisch und Brod für die zahlreichen in dem Manövergclände errichteten Ma növer-Proviant-Magazine liefern, welch letzteren wieder die Verausgabung an die Truppen obliegt. — Mit Giltigkeit vom 20. Juli dieses Jahres ist in den preußisch-sächsischen Verkehren der Aus nahmetarif für Streu- und Futtermittel durch Auf nahme des Artikels Melasse futter (eine Mischung von Melasse mit Palmkernmehl »nd Baumwollen saatmehl) unter Abfertigung zu den Sätzen der Kilo meter-Tariftabelle Ub erweitert worden und bei Be förderung von Heu- und Strohsendungen, die in Ermangelung eines Wagens von mehr als 7,r m Länge, in zwei Wagen von nicht mehr als 7,s in Länge verladen werden, wird bis aus Weiteres die Fracht in folgender Weise berechnet. ES wird für jeden der verwendeten Wagen das wirkliche Gewicht der Ladung, mindestens aber das Gewicht von je 5000 Ii8 für jeden Wagen unter Anwendung der Sätze der Kilometer-Tariftabeüe unter Ua der Fracht berechnung zu Grunde gelegt. Stellt sich jedoch die Kracht für das Gesammtgewicht des in beide Wagen verladenen HeueS oder Stroh's, mindestens aber für 5000 kj- nach den Sätzen der Kilvmeier-Tariftabelle unter 115 billiger, so kommen nur die letzteren zur Berechnung. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 18. August. (Nachdruck verboten). Ain 18. August 1642 starb zu Bologna der berühmte und noch beute hochgeschätzte Maler Guido Reni. Er besaß unter den italienischen Meistern eine große Leichtigkeit der Erfindung, einen ausgeprägten Siu» sllr Schönheit der For men und Anmuth der Bewegung und eine hohe Meisterschaft in der Pinselführung. Anfangs einem kräftigen Naturalismus huldigend, neigte er sich allmählich mehr der Darstellung des Anmuthigcn zu und wurde ein vollendeter Meister der Formen schönheit. Sein berühmtestes Werk diirfte wohl „Aurora und Phöbus init den Horen-' sein; bekannt sind ferner in Deutsch land „Mariä Himmelfahrt" (München), der „Zinsgroschen" (Dresden) und „Einsiedler Antonius und Paulus" im Ber liner Museum. 19. August Vor vierhundert Jahren, am 19. August 1493, starb nach äsjähriger Regierung, im 78. Lebensjahre der deutsche Kaiser Friedrich III. So lang die Regierungszeit dieses Kaisers war, so unheilvoll war sie für das Reich; denn in diesem ging Alles drunter und drüber, nicht einmal den Versuch zur Wah rung des Landfriedens, durch welchen das Volk gegen den Uebermuth der Fürste», Grafen und Herren geschützt werden sollte, machte er. Dafür beschäftigte er sich uni so eifriger mit Astrologie, Alchimie und Botanik. Sein ganzes Sinnen und Trachten war aus die Befestigung und Mehrung der habs burgischen Hausmacht gerichtet, wie er denn sein ganzes Leben nach dem Wahlspruche einrichtcte: .4. L. .1. 0. 0. d. i. -4ustriao ost imver-uro orbi uuirors» Alles Erdreich ist Oesterreich unterthan. Zwar ist auch ihm von der höfischen Liebesdienerei im Stephandom zu Wien ein Denkmal gesetzt worden, allein in der Geschichte wird ihm kein ehrender Beiname geweiht, vielmehr ist man darin einig, daß unter all' den schlechten Regierungen, die Deutschland zu erdulden hatte, die des Kaiser Friedrich III eine der schlechtesten gewesen. 20. August. Vor 70 Jahren, am 20. August 1823, starb der be kannte Buchhändler und berühmt gewordene Herausgeber des Conversationslexikons F. A. Brockhaus, dessen Verlags firma weltbekannt geworden und geblieben bis aus den heutigen Tag. Zu der Zeit, als Brockhaus seine Verlagsunternehmungen ins Leben rief, hatte der Buchhandel, wie die Literatur über haupt, mit nicht geringen Schwierigkeiten, namentlich mit der Censur zu kämpfen ; daneben gab es literarische Fehden und Aehnliches, so daß damals der deutsche Buchhändler keines wegs aus Rosen gebettet war. Uni so größer ist der Ruhm für Brockhaus, die Literatur nach großartigen Ansichten und chrenwerthen Grundsätzen, mit selbständiger Einsicht und Kraft in erfolgreicher Weise gefördert zu haben. Vermischte Nachrichten. — Heißes Wasser als Heilmittel. Ge ringe Kopfschmerzen hören bei gleichzeitiger Appli kation heißen Wassers auf den Nacken und die Füße bald auf. Eine in heißes Wasser getauchte, rasch auSgewundene Serviette auf den Magen gelegt, wirkt beinahe augenblicklich gegen Koliken. Nichts courirt rascher eine Lungenkongestion, Bräune oder einen Rheumatismus, als Heißwasserkompressen. Eine mehrfach zusammengelegte, in heißes Wasser getauchte und dann auSgewundene Serviette auf die schmerz hafte Stelle gebracht, bringt bei Zahnschmerzen und Neuralgien bald Erleichterung. Ein mit heißem Wasser angesaugtes Flanellstück um den Hals eines von Krupp befallenen Kindes gelegt, erzeugt in fünf bis zehn Minuten auffallende Beruhigung. Dieses gelingt namentlich beim sogenannten Pseudokrupp. — lieber den Schutz der Pferde vor Fliegen theilt ein Landmann der Zeitschrift „Da» Pferd" da» Folgende mit: Al» ich im Juni vorigen Jahre» Heu erntete, fand ich gleich bei der Einbring ung der ersten Fuhren, daß da» vorgespannte Hand- pserd, ein Schimmel, so zerstochen war, daß ihm da» Blut an der Brust, am Bauch und an den Beinen völlig herunterrann. Da mich da» Thier dauerte, ließ ich anhalten, gab in ein Gefäß ein halbe» Liter Wasser, mischte hierzu ungesähr 20 Gramm Carbol- säure, ließ damit dem Thiere die zerstochenen Stellen abwaschen und fand, trotzdem dasselbe den ganzen Nachmittag angestrengt wurde und schwitzte, daß die Fliegen nunmehr fern blieben. — Pilzsucher seien darauf aufmerksam gemacht, die Pilze nie au» dem Erdboden herauSzureißcn, son dern dieselben nur abzuschneiden. Da sich die Pilze bekanntlich durch das in der Erde befindliche Hyphen geflecht, jene weiße Fäden, die man am sogenannten Stiele bemerken kann, sortpflanzen, so wird durch HeräuSreißen mit den Hyphen die Vermehrung der selben bedeutend.gehindert, wenn nicht unmöglich ge macht. — Die Nothwendigkeit der Veröffent lichung der Standesamtsnachrichten macht der folgende Fall anschaulich. Der Färbereiarbeiter Carl Hochheim, Mühlhausen in Thüringen, las in der Zeitung die StandeSamtS-Nachrichten und fand darin zu seinem Erstaunen unter den Geburten verzeichnet: „20 Mai: dem Färbereiarbeiter Carl Hochheim, Ziegelstraße 12, l Sohn." Da weder ihm, noch seiner Frau von diesem Familienzuwachs etwas bekannt war, so begab Hochheim sich zum Standesamt und erfuhr hier, daß die Anmeldung und Eintragung regelrecht erfolgt war. Die ange stellten Ermittelungen ergaben, daß Hochheims Schwa ger, der Färbereiarbeiter Mock, auf den ingenieusen Einfall gekommen war, eine Finanzoperation in der Weise vorzunehmen, daß er die Geburt anmeldete, um auf den Geburtsschein hin von der Krankenkasse 6 Mark zu erheben. Er wird diese Fälschung schwer zu büßen haben. — Eine gefährliche Begegnung hat ein Berliner Herr im Thüringer Walde gehabt. Der Fabrikant C. aus dem Südosten der Stadt Berlin hatte sich in FriedrichSroda einqnartirt, um von dort aus die herrlichen Waldungen Thüringens zu durch streifen. An einem Tage der vergangenen Woche war er auf einer Fußwanderung in die Näbe des BadeS Liebenstein gelangt und hatte sich zur Rast auf einem Felsen niedergelassen. Da plötzlich rauschte es hinter ihm, ein vornehm aussehender Herr trat hinzu und redete ihn mit den Worten an: „Was meinen Sie, wenn ich mich von diesem Felsen aus in die Tiefe stürzte?!" C., der sofort merkte, daß er eS mit einem Irrsinnigen zu thun habe, wollte ihn von dem Vorhaben zurückhalten; jener aber lachte grell aus und fügte hinzu: „Ich reiße Sic aber mit hinab." Als der Geisteskranke, ein Berliner Millionär, wirklich Miene machte, den ruhenden Wanderer an zugreifen, nahm dieser zu einer List seine Zuflucht. „Sie haben ganz Recht, entgegnete er, „ich springe mit in den Abgrund; ich kenne aber einen Felsen hier in der Nähe, der noch viel höher ist als dieser hier, und wir wollen gleich dort hingehen. Mit un heimlichem Grinsen gab der Irrsinnige seine Zu stimmung und C. war im Begriff seine Person aus der gefährlichen Umgebung zu retten, als sich die Büsche theilten und zwei Wärter erschienen und sich des Kranken bemächtigten. — Zum Düten - Aufblasen. Der „Boss. Ztg." wird geschrieben: Jüngst litt ich stark am Husten und verlangte in einem Drogengeschäft für 40 Pfg. Bonbons. Ein junger Mann, der sehr leidend aus-- sah, nahm eine kleine Düte aus einem Kasten, hauchte so kräftig hinein, daß die Düte wie ein gefüllter Ballon aussah, füllte sie mit den Malz-Bonbons und übergab sie mir. Ich empfahl mich, um sie nebst Inhalt an der nächsten Ecke in einen Winkel zu werfen, da ich mich vor der angehauchten Düte ekelte. Nun lenkte ich meine Schritte direkt nach einer Apo theke, denn in einer Apotheke, dachte ich, kann ein so unappetitliches und unter Umständen der Gesund heit nachtheiliges Verfahren nicht Vorkommen. Hier ließ ich mir für 10 Pfg. Salmiak-Pastillen geben. Ein kräftiger, vollbärtiger Provisor mit recht vielen defekten Zähnen war gleich dabei, und ganz wie jener hohlwangige Hkann im Drogengeschäfte hauchte er in die Düte hinein, füllte sie und übergab sie mir. DaS ging mir doch über meine Erwartung. Ich sagte ihm sofort, wenn die Salmiak-Pastillen etwas für mich sein sollten, dann müßte ich bitten, mir eine Düte zu geben, in die er nicht hineingehaucht habe., was er auch bereitwillig that. Daß auf diese Art Krank heit-träger in Düten, die mit Genußwaaren gefüllt werden, hineingehaucht werden können, liegt ans der Hand. DaS Publikum würde jedenfalls gut thun, wenn eS sich diese Unart jedeSmal verbäte, und noch besser wäre eS, wenn die Verkäufer ohnedies von" diesem Gebrauch ließen. — Verlor'ne Liebesmüh'. Vor einigen Tagen schritt ein Herr au» dem Koupee eine» Eiisen- bahnzuge», al» eine junge Dame auf ihn zuhüpfte, ihre Arme entzückt um seinen Nacken schlang, ihn vielmals küßte und sagte: „Ach Papa, wie freu-e ich mich, daß Du gekommen bist!" Der alte Herr um schlang sie mit beiden Armen und hielt sie fest an seiner Brust. DaS junge Mädchen blickte auf cand alsbald malte sich der Ausdruck des Entsetzen« in ihrem Auge. „Aber Sie sind ja gar nicht mein Papa.':" stammelte sie und suchte sich au» feiner Umarmung zu befreien. „Doch," sagte der alte Herr und Hielt sie fest umschloffen, „ich bin doch Papa, Du bist mc'in lang verlorene« Töchterlein und ich lasse Dich nich? eher lo», al» bi» ich einen Schutzmann zn sehen b