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Warum werden hübsche Mädchen als Frauen häßlich? Still! Ich weiß meine Damen, was sie sage» wolle». Sie meinen, man müsse, ehe man eine so sonderbare Frage in Betracht zieht, erst beweisen, daß die zn Grunde gelegte Voraussetzung auch zutrifft, daß hübsche Mädchen wirklich als Frau häßlich werden. Nun, ich glaube, diesen Beweis werden Sie mir er lassen, wenn Sic sich ein wenig die eignen Erfah rungen ins Gedächtniß zurllckrufen. Sagten Sie nicht oft nach der Begegnung mit Frauen, die Sic als Mädchen gekannt, — natürlich erst, wenn die Betreffenden nicht mehr dabei waren: »Nein, ist's denn möglich, daß dies aus dem reizenden Mädchen geworden? Nicht zum Wiedererkennen — welche auf fallende Veränderung!" — und dergleichen mehr? Und hörten Sie nicht Aehuliches oft genug von andern sagen? Nun sehen Sie, es ist etwas an der Sache, und wenn wir den Thatbestand auch keines wegs zur Regel erheben wollen, so trifft die Be hauptung doch in vielen Fällen zu, und meine Frage hat somit ihre volle Berechtigung. Frauen sind, — sagen wir, oft — häßlicher als sie vor ihrer Verheirathung waren, — soweit wären wir einig, aber wie erklären wir den Umstand? Sie werden mir zutraue», daß ich mich hüten würde, eine Frage aufzuwerfcn, für die ich die Antwort nicht schon in Bereitschaft hätte, — also ich habe sie in Bereitschaft, und nicht nur eine, sondern mehrere. So hören Sie den»! Seit ich die erwähnte Beobachtung gemacht, und dieselbe mein Nachdenken angeregt hatte, suchte ich selbst eifrig »ach einer Erklärung und fragte einen ärzt lichen Freund um seine Ansicht. Er schob das Häßlich- werden, seinem ärztlichen Standpunkt entsprechend, auf ganz natürliche, physiologische Gründe. „Frauen", sagte er, „sind zunächst älter, als sic als Mädchen waren, und werden es im Laufe der Zeit mehr und mehr. Die schlanke Taille, die jugendliche Grazie und Leichtigkeit der Bewegungen schwindet, die Züge werden gröber, die Formen schlaffer, — kurz auf ganz naturgemäßem Wege treten Verände rungen zum Nachtheil der Schönheit ein, und dies um so auffallender, je mehr der angenehme Eindruck der Persönlichkeit den Attributen der Jugend zuzu schreiben war. Dazu komme» noch die Pflichten der Haushaltung, die Mutterpflichtcn re., die eine sorg same Schonung der Haut, eine umständliche Körper pflege gewöhnlich unmöglich machen. Das Mädchen setzt sich meist an den gedeckten Tisch uuv erhält Gesicht und Hände zart und weiß; die Frau muß ihren Teint dem Herdfeuer aussetzen, muß ins kalte und heiße Wasser fassen, bei jeder Witterung auf den Markt gehen, 'Nachtstunden um der Kinder willen opfern und aus Ruhe und Gemächlichkeit überhaupt in de» meiste» Fällen verzichten; kein Wunder also, daß Frauen faßt immer ihre Mädcheuschönheit einbüßen." Recht hatte der Doktor, und in seiner Rede war kein Wort, das ich nicht gern unterschrieb; aber die Erklärung schien mir doch einseitig. Ich meinte, daß die oft beobachtete Veränderung der Frauen, die sich nicht allein auf Teint und Figur beschränkt, sondern auch auf Züge, Ausdruck des Gesicht« und noch anderes ausdehnte, doch tieferliegende, psycholochische Ursachen haben müsse, dachte wieder eifrig nach, sah, hörte, beobachtete und gelangte schließlich zu folgen den Schlüssen. Das eheliche Leben stellt nicht nur an die Körper kraft der Frau hohe Anforderungen, sondern auch in geistiger Hinsicht schwere Aufgaben. Das beste, glück lichste Eheleben, der geregeltste Hausstand hat seine Aufregungen, um wie viel mehr das häusliche Leben nach gewöhnlichem Muster. Da sitzt die Frau des 'Nachts stundenlang und harrt ihres Mannes, den sie vielleicht am Spieltisch weiß; in ihren, Herzen wechseln die Empfindungen des Grolles, der Mutlosigkeit der Empörung, der Verzweiflung, und wenn sie mehrere solche Nächte durchwacht hat, daun graben sich diese Empfindungen tief in ihre Züge und bestimmen ihren Ausdruck. Und dort ist die Dicnstbotenmiserc an der Tagesordnung. Man ist von Hausbewohnern verklatscht worden, irgend Jemand macht sich den Spaß, die Dienstmädchen aufzuhetzcn, so daß kein ordentliches mehr bleibt und nur die Schlechtesten den Dienst annehmen. Da wird denn gescholten, geeifert, fortgejagt, — das beste Geschirr wird zerbrochen, jede Minute bringt neue, unliebsame Entdeckungen und heftige Auftritte, — verärgert und gereizt ist die Hausfrau Tag für Tag, und bald zeigt das Gesicht diesen stehenden Ausdruck. Ein andermal ist eS Sorge nnd stiller Grain, der die Züge dauernd entstellt. Kinder rafft der Tod hin, oder sie sind schwer leidend oder mißrathen, oder der Kampf uniS Dasein, den die Frauen mit dem Manne auSfechten, tausend Befürchtungen, Enttäuschungen nnd Kümmer nisse graben ihre Spuren iu das einst so glatte Angesicht. Nichts ist so leicht davon abzulesen, und nicht« zerstört die SchönhcitSlinicn so unwiderruflich, wie die beständigen Sorgen und Verlegenheiten, der beständige Kampf, die immer wiederkehrende Frage: Was beginnen? Wo einen Ausweg finden? — Und endlich sind es eine Menge Fehler und Leidenschaften, die auf dem Boden der Ehe, namentlich aber bei der Frau, besonders üppig gedeihen. Neid, Eifersucht, Mißgunst, Verläumdung, Falschheit sind wohl hier und da auch hei jungen Mädchen anzutrefsen, aber bei den Frauen sind sie eine gewöhnliche Erscheinung, und wo sie von einem Herzen Besitz genommen haben, geben sic auch dem Gesicht seinen besonderen Ausdruck. DaS Gekniffene, Verzerrte, Bittersüße in solchem Antlitz ist nicht zu verkennen und trägt ent- -schiedcn nicht zur Verfchönerung desselben bei. Sagen Sic selbst, nieine Damen, — ist es nicht so? Aber nun appellire ich noch einmal an ihre Gerechtigkeit und Offenheit, indem ich meinen dritten Grund anführe. Die Frage stellt sich jetzt umgekehrt: „Warum sind Mädchen so oft hübscher als Frauen?" Nun, ganz einfach, meine Verehrten: Weil sie hübsch sein wollen. DaS klingt paradox und ist doch buchstäblich war. Mädchen habe», nach allge meiner Ansicht, ein größeres Interesse daran, hübsch zu sein, als Frauen; sie wollen und müssen gefallen, erobern nnd setzen daher ihr Bestes an die Ver schönerung ihres Aeußcren;-Frauen sind bereits ans Ziel gelangt, im sicheren Besitz, — sie haben'« also nicht nöthig. Da nun ein wunderbarer, angeborener Instinkt jedem Mädchen die Mittel lehrt, die eigne Person möglichst vortheilhaft erscheinen zu lassen, und da in der Thal vieles zu diesem Zwecke geschehen kann, so ist die natürliche Folge, daß Mäd chen ihren bewußten oder unbewußten, aber immer vorhandenen Wunsch, hübsch zu sein, bei jeder Ge legenheit verwirkliche». Sagen Sie nicht, meine Damen, daß dies nur bei Koketten der Fall sei, nein, wenn Sie ehrlich sein »vollen, müssen Sic zugeben, daß auch die bescheidenste und unschuldigste unsrer Töchter, so fern ihr jede Berechnung liegen mag, über den Eindruck, den ihr Aeußeres und Wesen macht, keineswegs gleichgiltig ist, daß sie ganz unwill kürlich ihr Haar rasch auf geniale Weise ordnet, an der Garnirung ihres Kleides zupft, ihr liebens würdigstes Gesicht aufsteckt, wenn in dem Kreise, in dem sie sich befindet, plötzlich ein Herr erscheint. Es giebt Mädchen, die zu Hause bei de» Ihrigen nach gar nichts aussehen, aber sobald sie in Gesell schaft kommen strahlend, animirt, reizend sind. Das macht, weil im ersten Falle der Impuls, die Ver anlassung, der Wille zum Schönsein fehlt, der im zweiten vorhanden ist. Dieser Impuls fehlt nun auch, wenn solche Mädchen im Ehehafeu angelangt sind, oder er verliert sich doch nach und nach. Das Hauptmotiv ist in Wegfall gekommen, das Erscheinen in Gesellschaft, im eignen Empfangszimmer ist aller dings noch iinmer ein Anlaß, eine Verpflichtung, sich vortheilhaft zu zeigen, aber nicht wie sonst zugleich ein ErorberungSzug, ein Mittel zur Erreichung des wichtigsten Lebenszweckes. Der Wunsch, zu gefalle», ist ja noch da, — wann stürbe er je bei einer Evastochter! aber es liegt nicht mehr gar so viel daran, ob er erfüllt wird, da man ja doch da« Seinige hat. „Meinem Manne gefalle ich doch!" denkt die Frau und stellt mehr und mehr das Be queme und Zweckmäßige in den Vordergrund. Wer möchte sich Zwang auferlegen, wenn er's nicht nöthig hat? Diese Gleichgiligkeit erstreckt sich dann auch bald auf Alles, auf die Haltung, Sprache und Manieren, bis man das Schönsein endgiltig aufge geben hat. Sehen Sie, meine Damen, so war es gemeint, als ich sagte: Die Mädchen sind hübscher, weil sie hübsch sein wollen; eigentlich hätte ich sagen müssen: hübsch sein müssen, weil die Klugheit, der unbe wußte Instinkt, der Ehrgeiz, andre junge Mädchen auszustechen, Eitelkeit und verschiedenes Andre sie direkt darauf Hinweisen. Gleichgiltigkeit gegen die äußere Erscheinung und den Eindruck, den man macht, ist ein eben so großer Feind der Fraucnschönheit wie der Einfluß der Leidenschaften, des Kummers, der Angst; bei der Gleichgiltigen fehlt der Wille, der innere Antrieb zum Schönsein, bei der Kummervollen, von Leidenschaften erfüllten die Ruhe, das Gleich gewicht der Seele, — und beide sind zur Bewahrung der Schönheit unerläßlich. Das führt mich nun auf etwas Anderes, — auf den tröstlichen Thcil meiner Plauderei, auf die Mittel und Wege, trotz des Ehe standes schön zu bleiben, ja womöglich noch schöner zu werden. Ganz gewiß, eS giebt solche Mittel, und ich bin nicht allein in der Lage, sie Ihne», meine verehrten Dame», zu nennen, sondern kann auch noch manches zu Ihrem Tröste anführen. Sie sollen gleich sehen, daß die Medaille, die ich Ihnen zeigte, auch eine andre, gute Seite hat, und daß die Voraussetzung, von der wir ausgingen, doch manchmal gar nicht zutrifft, trotzdem ich Alles vorher Gesagte durchan aufrecht erhalte. Sie müssen nämlich wissen, daß Schönheit ein sehr vieldeutiger Begriff ist. Wenn ich nun von einem Verlust der Schönheit bei Frauen sprach, so hatte ich damit da- Aufhören gewisser jugendlicher Eigenschaften, wie der Grazie, der Zierlichkeit, der Frische, der Munterkeit und Fröhlichkeit, der lachen- Lruff und «erlag von «. tzannebohn tn Itbenftock. den Harmlosigkeit im Sinn. Ja, diese Eigenschaften schwinden im Laufe der Zeit unter den genannten Einflüssen; aber wer will sagen, daß nicht andere Vorzüge, andre Reize an Stelle der verlorenen trete» können, die man nicht eigentlich Schönheit zu nenne» pflegt, die aber deren Wirkung ausüben? Wir nannten das Herdfeuer, die Berührung mit kaltem und heißem Wasser, das Ausgehen bei jeder Witte rung, mit einem Wort, die häusliche Arbeit als Zerstörerin der zarten Mädchenschönheit, und doch giebt es eine Menge thätiger Frauen, die bei solcher Beschäftigung nur immer hübscher werden. 'Natürlich sind sie nicht mit der Mädchenerscheinung zn ver gleichen ; aber die derbe, frauenhafte, hausbackene An- inuth hat etwas so Vertrauenerweckendes, so Behagliches, daß man das Auge gern auf diesen Zügen, dieser Gestalt ruhen läßt und die rauhen Hände und starken For men, die schmucklose Figur und Haartracht gar nicht beachtet. Ebenso kau» aus der durch innere Vorgänge zer störten Schönheit eine ganz neue, anders geartete Hcrvorgchen. So manches vorher ausdruckslose, wenn auch schöne Gesicht gewinnt durch Gcmüthsbcweg- uugen und Kämpfe einen durchgeistigten, scelenvollcn Ausdruck, der anziehender wirken kann, als die frü here Regelmäßigkeit. Die Züge, die sonst nichts verkündeten, sprechen jetzt von einem inneren Leben, — sic haben etwas zu erzählen, und wenn es auch nur Schmerzliches ist. Einen mächtigen Reiz haben endlich auch jene mütterlichen Frauen, die mit ihrer Ingrid und allen aufs Erobern gerichteten Wünschen frohgemuth abgeschlossen haben, — sie also, die wir gleichgiltig nannten. Männer die ihre Freiheit der Mädchenschönheit gegen über gefährdet glauben, suchen solche Frauen gern auf, weil ihre Gesellschaft etwas Beruhigendes, Erquicken des hat, und ganz unabsichtlich erschließt die milde Freundlichkeit, die Zuverlässigkeit u. Selbstlosigkeit ihres Wesens alle Herzen. Gerade die bescheidene Verzicht leistung auf Erfolge, die sich in Kleidung und Benehmen auöspricht, giebt dem Andern eine angenehme Sicher heit, und solche Frauen gelten daher, ohne irgendwie schön zu sein oder es sein zu wollen, mit Recht für sehr liebenswürdig. Fragen Sic nun noch, liebe Leserinnen, unter wel chen Bedingungen man auch als verheirathete Frau und »ach dein Schwinden der jugendlichen Reize schön bleiben kann? Sie haben cs sicher längst crrathen und wissen, daß die neue Schönheit nur aus inneren Vorzügen hervorgehen kann. Sei es das Bewußt sein treuer, tüchtiger Pflichterfüllung, wie es die brave Hausfrau und Mutter erfüllt, sei es die innere Läuter ung und Herzensbildung, wie sie der leidvollen, hart geprüften Frau zu Theil wird, sei es die heitere Ruhe, mit der die Gattin und Mutter von dem Schauplatz ihrer Mädchentriumphe zurücktritt, immer liegt der Grund der wohlthuendcn, herzgewinnenden Wirkung solcher Persönlichkeiten in der inneren Abrnndung nnd Vollendung, in der Harmonie ihres Wesens. Har monie, seelisches Gleichgewicht, das ist es, was die entschwindende Schönheit allezeit durch eine neue, werthvollerc, unvergängliche ersetzt. Wo dagegen un edle Leidenschaften die Zerstörung bewirkt haben, tritt der Ersatz nicht ein, nian ist und bleibt unwiderruflich häßlich, es sei denn, daß das spatere Alter die Leiden- schäften sänftigt und das greisenhafte Gesicht noch einen rührend friedlichen Ausdruck annimmt. Da geschieht es denn wohl, daß inan mit Erstaunen an der Greisin eine Schönheit bemerkt, die sie in jüngeren Jahren nicht besaß, und auch sonst eine alte Frau schön nennt, die nie auf dieses Prädikat Anspruch machen konnte. Die innere Klärung und Harmonie giebt eben einen Reiz, der oft noch den der Jugend lichkeit übertrifft, und so könnten wir in diesem Sinne unser» Satz umkehren und die Frage stellen: Warum werden häßliche Mädchen so oft als Frauen schön? Um nun aber unfern Töchtern diese spätere Schön heit zu sichern und sie vor dem unwiderruflichen Häß- lichwcrdcn zu schützen, müssen wir ihnen gewisse Prä- scrvativmittel gehen. Wir dürfen uns nicht darauf heschränken, die holde Frische ihrer Jugend auf die Menschen wirken zu lasse», sondern müssen sie mit einem inneren Fond von Liebenswürdigkeit ansstatten, der die Jugendjahre überdauert. Und ferner müssen wir ihnen jene Selbstbeherrschung und geistige Dis ziplin beibringen, die ihnen in allen Lagen des Lebens Ruhe, Mäßigung und Zügelung ihrer Leidenschaften gestattet, endlich aber statten wir sie mit dem höchsten aller Reichthümer aus, — der echten Religiosität. DaS fromme Gemüth wird stets Trost und Frieden finden, es wird menschenfreundlich und nachsichtig machen, und all die Güte, all die HerzenSheiterkeit der gläubigen Frauen wird sich verschönernd, mild und lieblich auf ihrem Angesicht spiegeln und sic noch reizend erscheinen lassen, wenn der Schnee des Alters längst ihr Haupt bedeckt. Nogetsreunde I Aaust nur Schiffer'» Pagekfuiter, e» Iff das Sefie und Siirigffe.