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wie sie vorhin sagten, die Welt ist dumm und will betrogen sein. Ader um wieder auf Ihr Universal heilmittel zurückzukommen: wenn e« sich nun heraus- stellt, daß eS nicht« hilft und reiner Schwindel ist, — kann Ihnen da das Handwerk nicht gelegt werden?" Der Angeredete ließ ein gedämpfte- Sachen ver nehmen. „Unbesorgt!" gab er zur Antwort, „wir erfreuen un« gottlob der Gewerbefreiheit, und wenn meine Erfindung keine gesundheitsschädlichen Bestandtheile enthält, kann mir keine Behörde verwehren, sie anzu preisen und zu verkaufen. Mein Mittel ist selbstver ständlich so unschädlich, daß e« nicht einmal einem neugeborenen Kinde Bauchgrimmen verursachen würde. Und wa« da« andere Bedenken anlangk, — wer sagt Ihnen denn, daß mein Mittel nicht hilft? Freilich hilft e«!" „Oho!" machte Güldenberg. „Allerdings nur gegen ganz leichte Unpäßlichkeiten, die man durch Anwendung eines gewöhnlichen Haus mittel« wohlfeileren Kaufes loSwerven kann. Aber eben weil eS in sehr vielen dieser leichten Fälle Hilfe bringt, wird man dieselbe von seiner Univcrsalheil- kraft herleiten und auch bei anderen Krankheiten ver trauensvoll seine Zuflucht dazu nehmen." „DaS leuchtet mir ein!" lachte Arabellas Gatte. „Gegen welche Krankheiten soll eS denn überhaupt gebraucht werden?" „Gegen alle Epidemien," versetzte der Fremde, „gegen TyphuS, Schwindsucht, Auszehrung, gegen alle Brustleiden, Krämpfe, Epilepsie, Schlagfluß, Hä morrhoiden, Steinleidcn jeder Art, Gicht und Podagra, Nerven- und Leberleiden, gegen fammtliche Frauen krankheiten, gegen Krebs, Blutvergiftung, Herz-, Lungen rind Magenleiden, gegen Blindheit und Taubheit, kurz, gegen alle Leiden der Menschheit, die sich nur denken lasten." „Hilft eS denn auch," hörte Arabella ihren Gatten in einem gewissen humoristischen Tone sagen, „hilft e« denn auch gegen den Biß toller Hunde?" Der Fremde zögerte eine Weile, dann antwortete er mit einem etwa« ärgerlich klingenden „Ja". „Eine Zeitlang mag sich der Schwindel wohl halten," nahm nach einer Pause Güldenberg das Ge spräch wieder auf, aber nach und nach muß es sich doch Herausstellen, daß alle diese kolossalen Verheiß ungen eitel Wind und blauer Dunst sind." „Das soll mir erst noch Jemand nachweisen," rief der Fremde lebhaft, „darin liegt ja gerade der Pfiff. Eigentlich müßten Ihnen gelinde Bedenken an meiner Schlauheit aufsleigen, daß ich mich so un verhohlen bloßgebe und Ihnen mein Geheimniß ver- rathe. Allein ich bedarf Ihrer, bedarf für mein Vor haben Ihre« Vertrauens und so muß ich offen sprechen. Also hören Sie. Die meisten Kranken werden ohne alle Arznei gesund, — mögen sie nun von gewissen basten Acrzten oder Quacksalbern behandelt werden." „DaS ist mir völlig neu," bemerkte Arabellas Gatte. „DaS ist den meisten Leuten neu," fuhr der Fremde fort, „und bildet ein wichtiges Moment der Unerfahrenheit — verzeihen Sie! — auf die ich eben spekulire. Ich will Ihnen auch das Räthsel erklären. Wenn im menschlichen Körper krankhafte Veränder ungen stattfindcn, so ziehen dieselben wieder andere Vorgänge nach sich, wodurch die meisten Krankheiten von selbst gehoben werden; bald langsamer, bald rascher, bald vollständig, bald nur theilweise. Be sonder« gilt da« von fieberhaften Krankheiten. Man uennt jene heilsamen Vorgänge, die sich ohne Arzt und Medizin vollziehen, NaturheilungSprozcsie; die gewöhnliche Redensart sagt: die Natur hat sich ge holfen. Diese Naturheilungsprozesse nun, welche dem weitaus größten Theile der leidenden Menschheit wieder zur Gesundheit verhelfen, haben eben jenen Geheimmitteln und Quacksalbereien zu ihrer Berühmt heit verhelfen, und wenn Sie zum Beispiel in den Zeitungen Mittel gegen die Schwindsucht angezeigt und sogar häufig durch Atteste beglaubigt finden, daß sie sich bewährt haben, so kommt dies daher, daß ganz besonders bei dieser Krankheit auf dem Wege des NaturheilungSprozesseS oft Stillstände etmreten, die dann als die wohlthätigen Wirkungen der albern sten Quacksalbereien gelten. Mehr oder minder ist die« bei allen Krankheiten der Fall, und darauf habe ich mein ganze- System gebaut." „Bravo! bravo!" rief Güldenberg, „die Sache fängt mir immer mehr an zu gefallen." „Wir wollen einmal einen ganz bescheidenen Ueberschlag machen," fuhr der Fremde fort, den wir dem geneigten Leser wohl nicht erst vorzustellen brauchen, „und annehmen, daß e« je unter hundert Kranken, die sich meine« Geheimmittel« bedienen, «inen geben wird, bei dem jener Naturheilung«prozeß «tntrilt, so haben wir schon unter hundert Abnehmern «inen, der auf unser Mittel schwört, e« anderen em pfiehlt und schon au« Dankbarkeit gern bereit sein wird, ein öffentliche« Zeugniß darüber au«zustellen. Da« giebt bei tausend Abnehmern zehn, bei zehn tausend Abnehmern hundert Zeugnisse. Nun stellen Sie sich die Wirkung dieser Atteste vor, welche — «ine« an da» andere gereiht — in öffentlichen Blät tern die Wunderkraft meiner Erfindung verkündigen. Selbst die verstocktesten Zweifler werden wenigsten versuchsweise nach meinem Mittel greifen, und sogar Leute von Bildung werden sich unter jene große Herde verirren, auf deren Geldbeutel e« abgesehen ist." Arabella hörte, wie ihr Gatte sich wiederholt räusperte und sich auf seinem knarrenden Drehsessel hin und her schob, wa» bei ihm stet« da« Zeichen einer behaglichen Stimmung war. „Das ist Alles recht gut und schön," begann er nach einer Weile, „aber die Anpreisungen Ihrer Er findung in den Zeitungen und der Abdruck der Zerti fikate werden unmenschliche- Geld kosten." „Deshalb wenve ich mich an Sie," versetzte der Fremde trocken, „damit Sie da» nöthige Geld her geben. 'Die Presse ist die Hauptsache. Die ZeitungS- reklame muß im großartigsten Maßstabe betrieben werden und kein Opfer darf zu hoch erscheinen." „Und welcher Lohn würde mir für einen so hohen Einsatz zu Theil werden?" „DaS habe ich ebenfalls schon reiflich überlegt," gab der Andere zur Antwort, „und ich bin zu dem Resultate gekommen, daß ich am besten thue, Ihnen gleich von Anfang zu bieten, was ich zu bieten im Stande bin. Sollten Sie mehr fordern, so lasse ich mein Projekt fallen, denn dann würde eS sich nicht mehr die Mühe verlohnen. Also — ich biete Ihnen die Hälfte des Reingewinnes." „Damit bin ich zufrieden," sagte Güldenberg in wohlwollendem Ton, „aber meine Bedenken sinv noch nicht beseitigt." „Ich bin auch noch nicht zu Ende," versetzte der Fremde, „aber lassen Sie diese Bedenken hören." „Wie wollen Sie Ihre Erfindung überhaupt ein führen?" ließ sich Arabellas Gatte vernehmen. „Bei anderen, bei sogenannten soliden Unternehmungen laßt sich im Kleinen anfangen, — aber ein Wunder mittel muß geräuschvoll und epochemachend ins Leben treten; es muß, wenn ich mich so auSvrücken darf, gleichsam mit den Zähnen auf die Welt kommen. Wie wollen Sie da« bewerkstelligen?" „Auch darüber habe ich nachgedacht," sagte der Andere, „und just Sie sind der Mann, der meiner Erfindung zu diesem glänzenden Anfänge zu verhelfen vermag." „Wie? Ich?" hörte Arabella ihren Gatten im Ton ungekünstelten Erstaunen- rufen. „Ich soll mich roch nicht etwa für schwindsüchtig erklären und Ihnen das erste Zeugniß ausstellen? Dafür möchte ich bestens danken." (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Als Kuriosum ist zu verzeichnen, daß in der neugewählten bayrischen Kammer nur ein einziger Adliger sitzt, nämlich der bekannte Sozialdemokrat v. Vollmar. — Ein furchtbares Verbrechen ist in Moskau entdeckt worden. Die Wittwe Wieniawiew, eine sehr reiche Krämerin, wollte sich von ihrer acht zehnjährigen epileptischen Stieftochter befreien, die sie tödtlich haßte, weil das Mädchen, wenn es sich verheirathete, Rechte auf eine große Erbschaft gehabt und der Stiefmutter den größten Theil ihres Ver mögens entzogen hätte. Die Wieniawiew handelte in Uebereinstimmung mit ihrem Hausfreunde, dem I)r. PawlowSky, der seil einiger Zeit das epileptische Mädchen behandelte, indem er es hypnotisirte, um da« unglücklich« Geschöpf auf diese Weise bei Seite zu schaffen. Der Arzt versetzte das Mädchen mittels seiner hypnotischen Kraft in einen todtähnlichen Zu stand und erklärte dann, daß die Kranke gestorben sei. Die Unglückliche wurde lebendig begraben. Vierzehn Tage später erhielt die Polizei ein anonymes Schrei ben, in welchem die Wittwe Wieniawiew und der Arzt PawlowSky al« Mörder des armen Mädchens bezeichnet wurden. Die Polizei ließ den Leichnam auSgraben. Die Leiche wurde in einer solchen Lage gefunden, daß, wie der „S.-Z." geschrieben wird, kein Zweifel mehr darüber herrscht, daß die Unglückliche lebendig begraben worden war. Man fand auch Spuren, die darauf hinwiescn, daß die lebendig Be grabene mit der letzten ihr zu Gebote siebenden Kraft versucht haben mußte, den Sargdeckel zu sprengen. Die Mörder sind verhaftet worden. — Rafftnirter Betrug. Vor einiger Zeit wurde in Wilhelmshaven ein Geldbrief, der 400 Mk. in Kassenscheinen enthalten sollte, an einen Uhrengroßhändler in Leipzig aufgegeben. Als der Empfänger den mit fünf Siegeln versehenen Umschlag erbrach, fiel sein Blick statt aus Kassenscheine auf werthloseS braunes Packpapier. Die flüchtige Besich tigung deS Briefumschläge« ergab, daß derselbe an einer Seite mit dem Messer aufgetrennt und dann mit Hilfe eine- eingeschobenen, in der Mitte geknickten und gummirten weißen Papierstreifen» geschickt wieder verschlossen worden war. Amtlich wurde feftgestellt, daß der Brief bi» zu seiner Bestellung eine Gewichts abnahme bi» zu drei Gramm erfahren hatte. Diese Erscheinung mußte den Verdacht erregen, daß ein Postbeamter sich de» Diebstahl« schuldig gemacht habe. Dem Gericht-chemiker I)r. Ieserich in Berlin war e« Vorbehalten, den Absender de- Briefe» al- Betrüger zu entlarven. l)r. Ieserich stellte zunächst fest, daß die Adresse auf dem Briefe erst nach dem Zu kleben mit dem gummirten Papierstreifen geschrieben worden war; denn die Tinte hatte sich in die durch da- Zukleistern entstandenen Falten ergossen. Auf dem im Briefe befindlichen Packpapier ließ sich selbst mit der Lupe nichts erkennen. Ieserich photographirte nun die Einlage, und nun erschien auf dem Photo gramm derselben deutlich der Abdruck deS Stempel» von dem Postamt in Wilhelmshaven, mit welchem die Briefmarken auf dem Couvert« entwerthet waren. Ferner ergab die Untersuchung de« Gerichtschemiker», daß der Absender de» Briefe» die Einlage ange- feuchtel hatte. E» war die» augenscheinlich geschehen, um nach dem Trocknen de» Papier» eine Gewichts differenz der Postsendung herbeizuführen und dadurch den Verdacht deS Diebstahls auf einen Postbeamten zu lenken. Eine in voriger Woche abgehaltene Haus suchung bei dem Aufgeber de» Briefes förderte auch die Reste deS Packpapiers zu Tage. — Als seiner Zeit die Tournüren ihre Herrschaft im Reiche der Schönheit angetreten hatten und dauernd thronen zu wollen schienen, bezogen in Australien, wie der „Geschäftsfreund" erzählt, die Konfektionsgeschäfte gewaltige Massen vom Ausland«, da sich der Artikel trotz des Eingangszolls immer noch billiger stellte, al» wenn er im Jnlande fabrizirt wurde. Doch wie nichts in dieser Welt von Bestand ist, so verschwand eine» Tages auch die Tournüre. Da heißt, sie verschwand nur von der Toilettenliste der Damen, und vie armen Konfektionäre blieben dafür auf ihrer Waare sitzen. Nun hätten sie aber gern wenigstens den verauslagten hohen Eingangszoll wieder gehabt; und da dieser bei Wiederausfuhr zurückerstattet wird, kamen die schlauen Australier auf folgende gute Idee: Sie luden ihre sämmtlichen alten Tournüren auf einen Melbourne verlassenden Dampfer mit der Weisung, er solle sie, auf offenem Meere angelangt, einfach in's Wasser werfen. Auf diese Weise erhielten sie ihren Zoll zurück und bereiteten gleichzeitig den holden Meerjungfcrn eine angenehme Ueberraschung. — Vom „Theilen." Ein Bauer, so erzählt die „HannoverscheLand- und Forstwirthschaftliche Ztg.", stand mit seinem Sohne auf der Diele und drosch. Der Junge war 15 Jahre alt und mußte tüchtig mit heran an die Arbeit. Das gefiel ibm nun freilich sehr wenig; er war ein „anschläg'scher" Kopf und für die „neuen Ideen" sehr zugänglich, nach denen e« genug ist, wenn der Mensch vier Stunden am Tage arbeitet. Als er nun mit dem Alten beim Dreschen war, da sagte er: „Vadder, ick heff keen Lust mehr, mi hier aftoplacken wie'n Peerd, ick will Di wat seggen: Giff mie, wat mi von Moder wegen tokümmt, dann will ick damit in de Welt un min Glück malen." „Jawohl, min Jung", erwiderte der Vater, „dat kann jo ok god angahn; aber segg mal, schall dat glikS wesen, oder Helt dat Tied, bet wi utdöschl hebbt. „Nee", sagte der Junge still für sich, „wie iS Vadder doch god, dat Herr ick mi gornich dacht", und laut fügte er hinzu: „Nee, Vadder, dat hett jo Tied, bet wie fertig sind." „Na", sagte der Alte, „denn iS dat jo god." Als sie nun fertig waren, sagte der Vater: „So min Söhn, nu kumm man mit in de DönS, denn will ick Di gewen, wat Di von Moder wegen tokömmt." Al« sie in der Stube waren, ging der Alte an die große Wanduhr, machte die Thür cheS Gehäuses auf und nahm einen tüchtigen schlanken und biegsamen Stock heraus und nun kriegte er seinen freiheitgesonnenen Sohn her und zählte ihm eine ganz gehörige Tracht Prügel auf, die „nicht ohne" war. „So, min Jung", sagte er dann, als er damit fertig war, „hier heft Du, wat Di von Moder wegen tokümmt, wullt Du nun ok glik hebben, wat Di von Vadder wegen tokümmt? Du kannst dat glik mit een- kriegen." „NS, nä", schrie der Junge, „holl man blot up, ick heff all vull genog." „Na, denn iS dat jo god", sagte der Alte, „sonst wi Du wullt, wenn wi eenmal bin Deelen sind; denn könnt wie dat glik« so vullstänvig maken." Der Junge wollte aber nicht« davon wissen. Er war vollkommen befriedigt, hat auch nie wieder wa« vom Theilen gesagt. Milthriiungen des Lönigl. Standrsamts Eibenstock vom 2. bi» mit 8. August 1898. Aufgebote: hiesige: 29) Der Kaufmann Carl August Georgi hier mit der Haustochter Helene Hulda Schlegel hier. 30) Der Fleischer Alban Felix Rau hier mit der Haustochter Minna Marie Nötzold hier. Eheschließungen: Vaoa«. Gedurtsfälle: 195) Martha Wally, T. des Waldarbeiter» Gustav Hermann Radecker hier. 196) Marie Hedwig, T. de» Waldarbeiters Gustav Mennig hier. 197) Hedwig, T. de» Straßenarbeiters Hermann Ehregott Huster hier. 198) Paul Ernst, S. de» Handschuhdresseurs Hermann Adols Kober hier. 199) Paul Moritz, S. de» Oekonom Philipp William Rau hier. 200) Martha Olga, T. des Bäcker» Paul Bretschneider in Blauenthal. 201) Gertrud Camilla, T. des Handarbeiter- Albert Eduard Georgi hier. 202) Paul Rudolf, S. de» Bött cher» Karl Hermann Gottschling hier. Tterbefälle. 160) Martha Adele, außerehel. T. der Näherin Minna Hulda Spitzner in Blauenthal, 4 M. 18 T. I6l) Anna, T. des Holzschleifereiardeiters Clemens Albi« Fischer hier, 2 I. 7 R. 5 T. 162) Der Handarbeiter Christian Gott lieb Bleyl hier, ein Ehemann, 66 I. 6 L. 168) Sassie Lucie, T. de» Gcschirrführers Karl Emil Kleditzsch in Wolf-grün, 2 M. 19 T. 164) Han» Willv, S. de» Geschirrfahrer« Karl Wilhelm Schädlich hier, 2 Ä. 28 T.