Lieber Alexander, Deine Überzeugung, es werde eines Tages in der DDR-Literatur gewiß zu einer 'Fortsetzung’ des literarischen Werkes von Thomas Mann kommen, zu 'bewußter Nachfolge', wie Du auch for mulierst, hat mich sehr überrascht. Im selben Zusammenhang sprichst Du überdies von T.M. als literarischem Vorbild. - Nun besteht zwischen 'Vorbild' und 'Nachfolge' gewiß ein beträchtlicher Unterschied. Literarische Vorbilder kann ein Schriftsteller sicher mehrere haben, ohne sich im eigenen Thema, der eigenen literarischen Problematik unbedingt eins zu wissen mit ihnen. Auch ein T.M. könnte sicher ein solches Vorbild abgeben; schließlich steht hinter ihm der ästhetische Reiz eines großen literarischen Werkes. Obwohl ich dennoch meine, daß sich zeitgemäßere Vorbilder anböten. - Nun aber 'Nachfolge*! ’ Fortsetzung'! Bezogen auf flagrant bürgerliche Spätzeit repräsentierende Literatur! Ich gestehe, daß mir Dein diesbezüglicher Glaube illusorisch, auch ein wenig un begreiflich erscheint. Bei allen Möglichkeiten wachsender Vielfalt und Differenziertheit sozialistischer Literatur. - Nun wirst Du mir möglicherweise entgegenhalten, es verstehe sich von selbst, daß ein T.M. im angenommenen Fall freilich nur den ’ Ausgangspunkt' darstellen dürfe für literarische 'Fortsetzung' gemäß sozialistischer Sicht. Ich behaupte aber, daß das literarische Werk T.M.s einen absoluten End punkt darstellt. Daß es 'Fortsetzung' weder erheischt, noch ermöglicht. Denn wo träte Einheit von Werk (bis in die Sprache hinein!) und Weltanschauung - einer, die nicht die unsere ist - so deutlich ins Auge, wie gerade bei ihm! Einer Weltan schauung, die sich, wie ich weiter behaupte, entgegen anzu treffender Auffassung keineswegs auf dem Wege befand, sich der unseren anzunähern oder gar mit ihr zusammenzufallen. - Was also soll sich an solchem 'Werk' fortsetzen lassen?! Denn mit der großen Kunst, dem großen Geist 'an sich’ ist es ja so eine Sache. Kein anderer als T.M. selbst stellte in jüngeren Jahren fest, es sei "Aberglaube, daß Geist (Kunst) links