- 6 - Während Antonio in der Etagenküche Kaffee aufbrühte, sah Karin sich näher um. An der einzigen freien Wand hing eine große Karte Afrikas, in ihr waren mit bunten Stecknadel neue Grenzen markiert. Auf dem Tisch ein Buch mit Gedichten von Mao Tse Tung in französischer Übersetzung. Marx* Kapital in portugiffiischer Sprache, eine deutsche Ausgabe Lenins, ein dicker brauner Band. An die Schranktür waren Fotografien und Ausschnitte aus illustrierten Zeitungen gezweckt, Das Gruppenfoto einer Hochzeit, helle braune und schwarze Gesichter. Großgemusterte Kleider mit Volant unterhalb der Taille, wie es die euro päischen Großmütter trugen. Aus gleichem Stoff ein Tuch hoch um den Kopf geschlungen, Ketten und Sonnenschirmchen. Die Männer in weiten Bubus, auch einige in europäischen An zügen. Ihre Gesichter nicht weich umzeichnet vom Licht, sondern von Sonnenreflexen grob hervorgehoben: breite Hasen und dicke Lippen, Freundlichkeit um die Augen, aber eine Vitalität, die auf Karin beängstigend wirkte. Im Gras vor der aufgestellten Gruppe scharrte eine Henne, Küken kamen gelaufen. Heben diesem Bild die Reproduktion eines Zeitungsdrucks. Unscharf konnte man einen Lattenzaun, wohl die Umrandung eines Dorfes erkennen; auf die Spitzen, jede dritte genau, waren verschiedenartig geformte große und kleine schwarze Kugeln gesteckt, fast Köpfen ähnlich. Antonio kam zurück, sah Karin vor den Bildern und sagte: "Ich kann dir nfcch ein Album zeigen." Die Kaffeetassen schoben sie zurück und betrachteten das Album. Da war wieder das Bild mit dem Lattenzaun, aber diesmal das Original aus der Illustrierten - mit Text. An tonio übersetzte: "Portugiesische Soldaten ermordeten die Einwohner eines Dorfes nach dem 4. Februar." Das Gruppenfoto war von der Hochzeit der Schwester Rubina, der Bräutigam in der Kleidung der Widerstandsbewegung; Karin dachte an Fotos vom Vater, die ihr die Tanten immer wieder vorgelegt hatten. Sein freundliches, glattretouchiertes