- 3 - wurden schnell verbessert, man spielte Takt-los. Läufe und Triller blieben stecken; Fräulein Mateika litt. Sie schrieb die auöfgegebenen Übungen in ein kleines Heft: Czerny, Etüde Nr. 11 a und b, Tonleiter fis-dur gebunden und punktiert, Beethoven An Elise fließend. Die Mutter ging zur Nachhilfe in die Häuser, sang die Tonleitern lauthals. Die Mädchen machten gute Fortschritte. Fräulein Mateike gab Konzerte in der Aula der Karl-Marx- Oberschule. Die Plätze waren immer ausverkauft. Ein weiß haariger Buchhändlerin tiefer Verehrung hatte sich der Be kanntmachung und des Vertriebs angenommen. Sie spielte zwei Stunden ohne Notenvorlage, sehr sauber, gab erst wenig eigenes, nicht akzentuiert. Ihre weißen Arme bewegten sich flügelgleich. Das Haar war in ein schwarzes Perlennetz ein gefaßt, das Kleid rosa, knöchellang und ohne Ärmel. Ihre Bewegungen hatten das Gehemmte verloren, man hatte ihr Ver trauen zu sich und den anderen gegeben. Von der Mutter war Fräuüiein Mateika wohl diese Begabung vererbt, aber vom Vater neben der Feinheit des Empfindens auch der Mangel an Lebenskraft. Und so sah sie - doch schon ein Mensch unserer Zeit - in diesem Neuen allein das Risiko, das zu bewältigen sie sich scheute und dessen Wesenszüge sie nur ost erahnen konnte. Aus dem Bürgertum kommend, suchte sie auch dort wieder ihren Halt, am Rande der Gescheh nisse, an den idyllischen Ufern. Aber wer hat nicht schon beobachtet oder erfahren, wie Verderben bringend die aus laufenden Wellen dem anliegenden Boot werden. Es kentert nicht, es wird gehalten, und das Wasser ist dort seicht und warm; von der Bewegung des Flusses wird das Boot gehoben, und es fällt wieder ab und reibt sich an der Verkettung und stößt sich auf am Ufergestein. Ein neuer Bürgermeister kam mit neuen Einfällen in unsere Stadt. Er ließ am Stadtrand aus einem Kuhstall ein kleines Theater bauen. Die Künstler wurden auch mit Bussen hinaus auf die Dörfer gefahren und spielten dort auf Plätzen oder in der Tenne.- — — *