-34- holen. Als ob wir Sippenhaftung machten.” Köhler bereiteten die Sorgen Dr. Gräupners scheinbar Vergnügen. Er erzählte Michael ein wenig von Gräupners Verhältnissen und dieser, eingedenk der Mahnung Evas, sich auch um die mensch liche Seite seiner Arbeitskollegen zu kümmern, hörte ihm zu. Gräupners einziger Sohn war vor zwei Jahren nach Westberlin gegangen, weil ihm der Studienbetrieb an der Technischen Hoch schule in Dresden nicht mehr zusagte. Dort im 'freien Studenten leben’ an der Technischen Universität in Berlin fühlte er sich wohler - weil es ja Westberlin war. Kur, ein Stipendium stand ihm nicht -zur Verfügung. Dem Vater wurde aber eines vorge gaukelt. Die Finanzierung erledigte Anna Gräupner durch ihre Hausgehilfin, Frau Kolbe. Frau Kolbe fuhr monatlich einmal mit der sauberen Wäsche für den Herrn Studiosus nach Westberlin und in dieser Tasche verborgen war auch das 'Stipendium’. Davon allerdings wußte Frau Kolbe nichts. Kurz vor dem Urlaub, den Anna Gräupner wie jedes Jahr bei ihren Verwandten in Stuttgart verleben konnte - Franklin Gräupner fuhr nie mit, weil er eine Abneigung gegen die Verwandten ihrerseits hatte, die ihm immer noch fühlen ließen, daß Annas Vater dereinst das Studium seines Schwiegersohnes finanzie rte - kurz vor diesem Urlaub also wurde Frau Kolbe mit ihrer Wäschetasche von der Volkspolizei festge halten und der verborgene Inhalt ans Tageslicht befördert. Anna Gräupner zog es daher vor, nicht mehr zurückzukehren. Nun hatte Dr. Franklin Gräupner Sorgen, wie er sich aus dieser Geschichte heraushielt, denn - seit einigen Tagen waren die Grenzen ge schlossen. "Ob Gräupner sonst auch nach drüben gegangen wäre?” fragte Michael den Brigadier. Der überlegte. "Ich glaube nicht”, sagte er nach einer Weile.