145 - Eva lief im dürren Gras am Straßenrand, beschützt vom Schatten der Chausseebäume. Ich muß rechtzeitig dort sein, dachte sie und beschleunigte ihren Schritt. Er darf nicht allein sein, wenn er entlassen wird. Und sie stellte sich vor, wie das sein würde: Ich werde auf der Bank an der Hecke sitzen, genau dem Tor gegenüber, dort, wo ich im Frühjahr saß, als ich keine Antwort auf meine Briefe bekam und mit ihm sprechen wollte. Damals hatte ich Angst, er würde mich wieder wegschicken und ging nicht hinein. Was wird er tun, wenn er aus dem Tor tritt und ich ihn rufe: "Michael!” Ob^ er an mir vorbei geht? Ich muß ihm viel erzählen, dachte sie. Er muß alles wissen, damit er wieder an die Menschen glaubt. Von meinem Parteiver fahren werde ich ihm erzählen und wie mir die Genossen halfen Von Köbler und Zimmermann, die auf ihn warten und von Gräup- ner, der in Schwedt ein ganz anderer geworden ist. Vielleicht daß er und Michael doch noch einmal zusammen arbeiten werden? Und von meiner Arbeit muß ich ihm auch erzählen, daß ich viel hinzulernen mußte in diesem einen Jahr. Wohl eine Stunde mochte sie gelaufen sein, als sie erneut einen Ort durchqueren mußte. Sie hielt sich nicht auf, obwohl sie Durst verpürte und ihre Füße zu brennen begannen. Erleichtert atmete sie auf, als sie wieder auf der freien Landstraße gehen konnte. Die Luft flirrte. Irgendwo tuckerte ein Traktor auf den Feldern. Ein Radfahrer fuhr ins Dorf und hinterließ im Straßenstaub eine schmale Spurt Kerzengerade lag die Landstraße vor ihr. Weit hinten trafen die Bäume aneinander, als wollten sie keinen Menschen durch lassen. Und doch kam ihr ein Mensch entgegen - winzig klein noch, nicht zu erkennen