Türklinke ausstreckte. Sie konnte sich das Zimmer vorstellen, das gewiß allen Zimmern, die diesem Zweck dienten, aufs Haar glich: der lange Tisch, die hohen vergitterten Fenster, die auf den Gefängnishof;? führten und die kahlen Wände. In diesem Zimmer sollte sie also mit Michael sprechen. Warum habe ich mir früher, wenn ich den Angehörigen eines Verurteilten eine Sondersprecherlaubnis erteilte, nie daran ge dacht, daß dies in so einem unfreundlichen Raum geschieht? Sie ahnte, daß jetzt, da das Tor zum Nachdenken aufgestoßen war, ein unendlich langer Weg vor ihr lag. Wie gedankenlos war sie vordem über manche Dinge hinweggegangen? Für andere Menschen bedeuteten sie viel. Im Namen des Volkes! Unzählige Male hingesprochen diese Urteils formel - hatte sie wirklich immer so gehandelt, daß sie für alle stellvertretend sprechen konnte? War Gedankenlosigkeit nicht eine antihumanistische Handlung? Zögernd nahm sie die .Hand von der Türklinke. Ich muß geduldiger sein, auch mit Michael, nahm sie sich vor. Von innen wurde die Tür geöffnet. Genosse Erler, ein älterer Wachtmeister, den sie von vielen Verhandlungen her kannte, gab ihr den Eingang ff ei. ''Kommen Sie", sagte er. Ihr blieb keine Zeit mehr zu zögern, zu überlegen. Sie stand Michael gegen über. "Guten Tag", sagte sie und hielt ihm die Hand entgegen. Er sah sie nur an, ohne eine Bewegung. Sie ließ die Hand wieder sinken. Der Wachtmeister setzte sich auf die Bank neben der Tür. "Die Bestimmungen kennen Sie ja”, unterbrach er die Begrüßung. "Zehn Minuten Sprechzeit."