11 - das Gesetzbuch keinen Paragraphen hatte? Michael setzte sich neben sie und fuhr ihr mit der Hand durch das aufgelöste Haar. Er ringelte eine Strähne um seinen Zeige finger. "Wenn du erst Rechtsanwältin bist, wird es einfacher sein für dich", sagte er. Die lakonische Selbstverständlichkeit, mit der er ihr den neuen Beruf vorschrieb, tat ihr weh. Sie befreite ihre Haarsträhne von seinem Zeigefinger und sagte: "Ich bleibe Richterin." "Eva! Wir hatten doch... du warst doch bereit..." Sie verstand seine Worte nicht. Was sie ihm weiter sagte, sprach sie herunter, als hätte sie es auswendig gelernt: "Ich weiß, du wolltest mich lieber selbständig sehen, in einem Anwaltsbüro, ohne Versammlungen, ohne Partei. Ohne gesell schaftliche Pflichten. Du möchtest zwar eine berufstätige Frau, zu Hause aber deinen Feierabend. Ich kann das nicht, verstehst du? Zu einem Beruf gehört mehr." Michael unterbrach sie schroff: "Mache dir doch nichts vor. Der einzige Grund ist dein Ehrgeiz. Senatsvorsitzende! Das ist es. Dabei hättest du es als Rechtsanwältin viel einfacher, auch finanziell stündest du besser da." Wie mache ich ihm das nur begreiflich, dachte Eva. Wir sitzen uns hier gegenüber wie zwei feindliche Parteien im Verhand lungssaal und jeder glaubt, er sei im Recht. Verflogen war der Zauber dieses Urlaubsnachmittags. Nur die Wolken zogen unbeirrt die Stunden hinter sich her. "Es ist nicht Ehrgeiz", verteidigte sie sich. "Ich habe stu diert, auf Staatskosten studiert, und dafür habe ich auch etwas zu leisten. Die Partei erwartet das von mir."