-97- Martin. Sie sind heute so blaß. Ist Ihnen nicht gut?” "Es ist nichts”, erwiderte Eva. ”Ein wenig überarbeitet.” Frieda Meister gab sich damit zufrieden. Wer war schon nicht überarbeitet heutzutage? Jeder hatte seinen Teil zu tun, dazu die gesellschaftliche Arbeit; die war sicher bei der Richterin auch nicht zu knapp bemessen. Eva blickte immer wieder auf die Uhr. Es war noch reichlich Zeit. "Haben Sie noch Fragen zur Sache?” Sie sah die beiden Schöffen forschend an. Sie werden mit entscheiden, dachte sie. Sie werden darauf achten, daß ich keinen Fehler begehe, daß ich Recht spreche. + Michael hatte sich den Moment, da er in den Verhandlungssaal treten mußte, tausendmal ausgemalt. Jetzt, da er die Schwelle überschritt, war das ganz anders. Weder heroisch noch nieder schmetternd. Der Wachtmeister sagte einfach: "Hier hinein geht es", und öffnete die Tür. Der Saal lag im Halbdunkel. Michael konnte beim besten Willen im ersten Augenblick die Gesichter der Anwesenden nicht unter scheiden, zumal ihn der Lichtschein blendete, der aus den Fenstern über den Richtertisch strömte. Ein sonniger Dezember tag mit jener grellen Helligkeit war also der Tag, an dem sie über ihn entscheiden würde. Sie, Eva. "Sie können sich setzen", sagte der Wachtmeister und wies auf eine Bank. Langsam gewöhnte sich Michael an d as Halbdunkel des Saales, der eine viel größere Zuhörerzahl hätte fassen können