-85- sich gescholten. Beim Bezirksgericht angeklagt zu sein, hieße für Michael noch größere Schuld. Und das Kreisgericht-Land war nun einmal dafür zuständig. Bisher war der Umstand ihrer Versetzung für sie von Nutzen ge wesen. Niemand wußte hie r von ihrer Verbindung zu Michael. Man hielt sie 'für eine jener Brauen, die ganz in ihrem Beruf aufgehen und kaum einen Anspruch auf Privatleben erheben. Sie hatte alle in diesem Glauben gelassen. Wäre nicht Michael in ihr Leben gekommen, wäre sie das geworden, wofür die anderen sie hielten. Und sie wäre dabei nicht einmal ein Sonderfall gewesen. Wie viele Frauen ihres Alters gab es, die nichts als ihren Beruf kannten. Eva lief in ihr Arbeit szimmer zurück. Was soll ich jetzt tun? dachte sie. Jetzt muß ich handeln. Während der ganzen Zeit von Michaels Untersuchungshaft hatte sie dieses Untätigseinmüssen verflucht. Sie war sich vorge kommen wie ein Mensch, dem man die Hände gefesselt hat, der zusehen muß, wie ein anderer ertrinkt. Nein, noch schlimmer: sie wußte ja überhaupt nicht, was in der Zwischenzeit ge schah. Sie mußte warten, wieder einmal warten, warten, warten. Wie hatte sie den Tag herbeigesehnt, der ihr endlich Gewiß heit bringen mußte und wie hatte sie diesen Augenblick gleich zeitig gtfürchtet, weil er ihr eine Entscheidung abverlangte, für die es keinen Paragraphen im Gesetzbuch gab. Was soll ich nur tun? Was uoll ich tun? Sie preßte die Fäuste in die Augen, bis sie lauter rote Kreise sah. Was soll ich tun? Sagt mir denn keiner,was richtig ist?