-82- hatte. Nun war sie endlich allein in dem ihr zugewiesenen Arbeitszimmer. Durch die Fenster, die einen Blick auf die Straße freiließen, drang das matte Licht des Septembertages, trüb und abgeschwächt. Die Fenster waren lange nicht geputzt worden. Das Zimmer wirkte kahl. Keine Blume, ein einziges Bild an der Wand und ein verblichenes Transpar/ent, das war ihre neue Umgebung, in der sie küfiftig arbeiten sollte. Eva dachte einen Augenblick an ihr freundliches Arbeitszimmer beim Bezirksgericht zurück. Dort war ihr jeder Gegenstand vertraut. Der Abschied war ihr schwer geworden. Sie nahm aus- der Handtasche das Bild Michaels, das sonst auf ihrem Schreibtisch stand. Ein unbestimmtes Gefühl ließ sie zögern, es auch hier aufzustellen. Sie zog das mittlere Schub fach auf und legte das Bild hinein. Es würde ihr wehtun, wenn jemand danach fragte. Das Telefon zerklingelte ihre Gedanken. "Martin, Strafkammer", sagte sie, noch ungewohnt. "Geschäftsstelle. Kann ich Ihnen jetzt Ihre Akten bringen?" "Ja." Sie wollte sagen: Ja, bitte. Das ‘bitte’ verklang im Raum, weil sie den Hörer schon aufgelegt hatte. Wenige Augenblicke später betrat Kathrin Beyer das Zimmer ihi®r neuen Vorgesetzten. Sie war als Protokollantin in der Straf kammer beschäftigt. Der Direktor hatte sie Eva zugeteilt, damit sie ihr in der ersten Zeit etwas beistehe. Kramer hatte ihn darum gebeten, etwas auf sie zu achten, ihr zu helfen, weil sie in der letzten Zeit.so schweigsam geworden war. Kramer be zog das auf die Versetzung und fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, daß Eva nicht gern die neue Arbeit übernahm.