-74- der Schlaf miec^weil ihn verzweifelte Gedanken heimsuchten. Er wanderte in der Zelle hin und her - drei Schritt zur Tür, drei Schritt zum Fenster - sein Umherwandern störte keinen. Heilte Nachmittag war der Mitbewohner seiner Zelle, ein kleiner lebhafter Mann, in den Strafvollzug abgeholt worden. Dieser Zellengefährte hatte ihn in seinem Gebaren Sehr an Christian Janosch erinnert. Mochte es daher kommen, daß er manche Laute ebenso hart aussprach, wie der Ostpreuße Janosch es getan hatte; gleichviel - er war da, eine lebendige Mahnung an den toten Kollegen, den er, Michael Freege, auf dem Gewissen hatte. Michael versuchte, sich Janosch vorzustellen. Er hatte ihn nie anders gesehen, als in seinem ewig schmutzigen Schlosser anzug. Besonders an die Hände Christians konnte er sich gut erinnern, rissige grobe Hände mit brüchigen Nägeln. Michael mußte deshalb daran denken, weil Christian ihm einmal erzählt hatte, daß er im Winter 1945 auf dem Treck mit bloßen Händen sein kleines Kind irgendwo am Straßenrand in den fröststarren Boden eirg^graben hatte.Wenige Tage später war dann die Frau gestorben. Verhungert oder erfroren - vielleicht beides. Aber für sie fand sich ein grober Sack und ein Plätzchen auf dem Kirchhof eines kleinen Ortes. Nur ein Pfarrer war nicht mehr da, der den Segen sprechen konnte. Der Pfarrer war aus Angst, zu früh in die ewige Seeligkeit abberufen zu werden, schon vor Wochen westwärts gezogen. Aber der Totengräber war dageblieben. Und mit ihm zusammen sprach er seiner Frau ein letztes Gebet, überhaupt das letzte, das Christian Janosch in seinem Leben sprach. Mit seiner Frau begrub er den Glauben an einen Gott. Dann zog er, allein, dem Treck hinterher, bis er, der vor kur-