-57- Kerzengerade setzte sie sich in ihrem Sessel hin, als sie weitersprach: ”Deine Art, meine Probleme zu lösen, gefällt mir nicht, Michael. Ich bin auch nicht überzeugt, daß der Beschluß der Genossen richtig ist - vielmehr: Ich bin nicht damit einverstanden wie sie mit mir darüber gesprochen haben. Noch sehe ich die Notwendigkeit nicht ein, noch nicht. Aber ich versuche wenigstens, es zu begreifen. Und was tust du? Du behandelst mich wie ein dummes Gänschen, das an nichts anderes mehr denkt, wenn man ihm nur mit dem Ehering winkt.” Ihre Stimme wurde immer leiser. Mit nervöser Gebärde zog sie den Ring vom Ringer und legte ihn vor Michael auf das Tisch tuch. ”Da! Und das hat gar nichts damit zu tun, daß ich dich etwa nicht liebte. Im Gegenteil. Ich liebe dich so, wie man den ersten Mann im Leben liebt, auch wenn ich schon ein altes Mädchen war. Ich bin vielleicht auch rückständig in dieser Hinsicht, mag sein. - Aber deine Art, auf meine Probleme einzu gehen, gefällt mir nicht.” Sie stand auf, er drückte sie jedoch mit bestimmender Geste zurück auf ihren Sessel. ”Nun hör mir mal gut zu, Kind. Ich habe dein Plädoyer mit keinem Wort unterbrochen, nun höre dir auch mein letztes Wort an, ohne mich zu unterbrechen. - Ich liebe dich, um das voraus zuschicken, obwohl mir vieles an dir nicht gefällt, beispiels weise dein Gehabe im Privatleben, das du schon nicht mehr von deiner Funktion als Richterin zu trennen scheinst. Ich liebe dich, weil du, wenn du endlich mal dein amtliches Gesicht ablegst, eine Frau bist - und zwar eine Frau, wie es wenige gibt auf dieser Welt. Das gibt dir aber noch lange nicht das Recht, mir meine Ideale zu zerstören.”