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nicht nur eine größere wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, sondern damit auch eine politische und kulturelle, um nicht als 51. Bundesstaat zu enden. Aber was ist Identität - die völlige Übereinstimmung, Gleichheit, identity? Bei Margaret Atwood ist es die' Kindheit in der unberührten kanadischen Landschaft. "Bis acht Jahre war ich glücklich." heißt es in ihrem letzten Roman "Katzenauge". Die Brüche, die im Leben ent stehen durch fremdbestimmte (gesellschaftliche) Mechanismen und die widersprüchliche Verinnerlichung, der gerade Frauen unterliegen, ist das zentrale Thema des Buches "Surfacing". Wobei nicht die vorder gründige Unterdrückung gemeint ist, wie Sexismus und Benachteiligung im Beruf, sondern die leise, schleichende Diskrimminierung, die so heimtückisch ist, weil sie fast unsichtbar und nur schwer zu benen nen ist. Margaret Atwood macht das Unsichtbare sichtbar. Warum aber unterliegen gerade Frauen dieser Verinnerlichung,. die ihr Handeln bis zur Selbstverleugnung und -Zerstörung bestimmen? Begrün det liegt dies in der traditionellen Rollenbestimmung, dem daraus resultierenden mangelnden Selbstbewußtsein, in der starren vorgege benen patriarchalischen Ordnung selber und an mangelndem Mut. Aber woher diesen nehmen, wenn Frauen ständig an ihre Grenzen verwiesen werden, an ihrer Intelligenz und Autonomie gezweifelt wird. Immer wieder verteidigen, immer wieder kämpfen? Irgendwann ist aber die Lust am weiterkämpfen, am verteidigen nicht mehr vorhanden. Ein Pro blem, mit dem sich Frauen nicht nur in der Kunst herumzuschlagen ha ben, sondern überall dort, wo sie auf von der Männerwelt installier ten Strukturen stoßen. Daran ändert auch keine Quotierung etwas, die Mechanismen sind festgefahren und nur schwer auflösbar, weil sie den Frauen selbst in Fleisch und Blut übergegangen sind. In der Kunst ist es deutlich abzustecken: die Männer entscheiden, ob etwas Exi stenzberechtigung hat, ob es ihren Wertmaßstäben entspricht. Sie setzen ihre Erfahrungswelt gegen die der Frauen. Wenn man sich auf diese Stufe der Beurteilung einläßt sind die Chancen Gleichheit zu erreichen gleich Null. Was aber nicht mildere Maßstäbe erfordert: Ein gut gespieltes Musikstück bleibt ein gutgespieltes Musikstück. Aber die Interpretation, der Blickwinkel wird immer aufgrund anderer Erfahrungen anders sein als der männliche und wer nicht bereit ist durch dieses Objektiv zu schauen, der wird sich selbst um eine unbe zahlbare Bereicherung bringen. Aber das ist Zükunftsvision. Bei Margaret Atwood heißt es: "Er sagte, ich sollte etwas studieren, was ich verwenden könne, weil es nie irgendwelche bedeutenden Künst lerinnen gegeben habe." Wir hören darauf, wir orientieren uns am männlichen Urteil unserer Leitfiguren: der Väter, der Brüder, der Lehrer, wir verinnerlichen und wissen - wir können es sowieso nicht schaffen. Wir resignieren, sobald ein Mann in unser Leben tritt und seine Rechte fordert, wenn es mehr Energie als erwartet fordert die traute Bierseeligkeit aufzubrechen. die selbstverständliche Sicher heit in den Umgangsregeln der Männer untereinander und ihre harsche Zurückweisung derer, die diese Gemeinschaft zerstören. Mit diesem