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ration, die im Zwiespalt lebt einerseits mit der Verurteilung der Gesellschaft, der Amerikaner, sich nicht anpassen will, andererseits aber darunter leidet, gesellschaftlich nicht anerkannt zu sein. Sein Opfer ist Anna, die "emanzipierten" Frauen allgemein: "Sie predigen blindlings Kastration und machen das vor: In wilden Horden, mit Gar tenscheren bewaffnet, machen sie die Straßen unsicher." David, sel ber deformiert, fängt mit der geliehenen Videokamera unbewußt sämt liche Perversionen des fast unberührten Ontariogebietes ein: das Flaschenhaus, die menschlich nachgebildeten Elche, der tote verweste Fischreiher und er zwingt Anna sich gegen ihren Willen vor der Kamera auszuziehen. Das Verhältnis der Erzählerin zu ihrem Freund Joe ist geprägt von kühler Distanz, Sarkasmus und scheinbarer Gleichgültigkeit. Sie be wegen sich jeder in seiner festen Rolle und spielen sich gegenseitig etwas vor. Dabei vermeiden sie es aber, im Gegensatz zu David und Anna, sich absichtlich zu verletzen, diese Schwelle bleibt trotz al ler Abgeklärtheit. Konfrontiert mit dem Haus iher Eltern, dem spurlosen Verschwinden ihres Vaters und der Erinnerung an ihre unbeschwerte Kindheit, die bruchstückhaft in ihr Gedächtnis rückt, beginnt die Erzählerin zu begreifen, daß sie ihr Leben jenseits dieser Abgeschiedenheit auf Lügen und selbsterfundenen Geschichten aufgebaut hat. Ein wackliges Gerüst, dasjetzt zusammenstürzt. Erst in dieser Stille wird ihr klar, daß sie seit dem Verlassen dieses Ortes gegen ihr Wesen gehan delt hat, ihre Eltern haben sie gelehrt in der Wildnis zu überleben, aber nicht mit der Rolle als Frau in der zivilisierten Gesellschaft umzugehen. Als die Erzählerin zu den Piktogrammen hinabtaucht, die sie im Nachlaß ihres Vaters gefunden hat, zu den versunkenen my thischen Stätten der Indianer, wird dies ein Hinabgleiten in ihre Vergangenheit. Sie erkennt, daß ihre Beziehung zu einem verheira teten Mann und die abgebrochene Schwangerschaft ein Bruch in ihrem Leben darstellt, den sie absichtlich verdrängt hat. Sie hat nach dem Willen des Mannes gehandelt, ihrem Lehrer, der bereits eine Fa milie besaß und der auch der Meinung war, Frauen könnten keine be deutenden Küntlerinnen sein, so daß sie sich von ihm auch in ihrer Berufswahl leiten ließ. "Es war wirklich genug, es war genug Wirk lichkeit für immer, ich konnte es nicht akzeptieren, diese Ver stümmelung, diese Vernichtung, die ich zugelassen hatte. Ich brauch te eine andere Version." Mit diesem Schlüssel ist die Erzählerin in der Lage, ihre Situation zu begreifen und zu handeln. Sie gewinnt Zugang zu den spirits der Indianer, einer traditionellen Indianischen mythischen Vorstellung. Zu diesen spirits gehören Körper und Seele sowie magische Potenz (power) und es schließt die vier Winde, Sonne, Mond und den Thunder- bird (Verursacher von Blitz und Donner), Pflanzen- und Tiergeister sowie Gestalten der Mythologie ein. Je größer die Kraft der spirits, destso größere Gefahr birgt der Kontakt mit ihnen, der in Träumen und Visionen erfolgt. Das Gewinnen eines Schutzgeistes ist nicht nur