Volltext Seite (XML)
Beschränkung, daß für jeden Tag, an dem ein Mit glied unentschuldigt ausgeblieben ist, ll Mk. in Ab zug kommen, Ueberdies giebt eS auch hier Reise- kartenvcrgütung. Schließlich sei noch Belgien er wähnt, da» den in Brüssel wohnenden Abgeordneten keine, den Provinzbewohnern hingegen monatlich 340 Mk. Entschädigung auszahlt. — Alle anderen Staaten gewähren nur TageSgclrer, und zwar giebt Rumänien 20 Mk. Diäten, Freifahrkarten und Freiposten; Oesterreich 10 fl. (— 16,v» Mk.) für jeden eingehaltenen SitzungStag und Reisespesen; Bul garien und die Schweiz 16 Mk. pro Tag und Freifahrt; Preußen 15 Mk. pro Tag und Frei fahrt; Portugal, da» bi» zum vorigen September feste Entschädigung gab und kürzlich, durch die Finanz- noth hierzu gedrängt, Diätenlosigkeit proklamirt hat, läßt die Kommunen täglich 15 Mk. an die bedürftigen Abgeordneten zahlen, gewährt überdies freie Fahrt auf den StaatSbahncn. Dann folgen Sachsen mit 12 Mk., Baden mit einer Vergütung von 12 Mk. für die zweite Kammer, während die erste Kammer leer ausgeht; das Großherzogthum Hessen zahlt 9 Mk. den nicht in Darmstadt ansässigen Mitglie dern der zweiten Kammer und die Reisespesen, während die erste Kammer ebenfalls diätenlo» ist ; Bayern zahlt den Nichtmünchncrn 10 Mk. und giebt freie Fahrt auf allen bayerischen StaatSbahncn in der ersten Wagcnklasse, zieht aber die tägliche Zehn- mark-Untcrstützung ab, wenn das Mitglied durch Ab wesenheit glänzt; Württemberg zahlt den Mit gliedern beider Kammern 9,5» Mk. und die Reisekosten, den Mitgliedern der ersten Kammer aber nur dann, wenn sie von der Vergünstigung Gebrauch machen wollen. Sachsen-Coburg-Gotha zahlt 6 Mk. täglich den in Gotha ansässigen und 10 Mk. den auswär tigen Mitgliedern, ein Frcibillet in der zweiten Eisen bahnklasse und 3 Mk. für diverse Auslagen; »och sparsamer ist Dänemark, das nur 6,?.-, Mk. Diäten und die Reisespesen zahlt, dafür aber einen Freisitz im königl. Theater in Kopenhagen einräumt, während der stamm- und sprachverwandte norwegische Staat nicht nur 13,50 Mk. Diäten, Reisespesen (Biller und 11 Mk. für den Reisetag) einräumt, sondern auch in Krankheitsfällen freie ärztliche Behandlung, ferner Arzneien, Bäder, Massage und freie — Zahnoperation gewährt!! Ohne jedwede Vergütung tagen nur die Mitglieder des deutschen Reichstags und sogar unter Ausschluß der Freifahrt die Parlamentsmit glieder Englands und die Cortes Spaniens. — In Folge der Futternoth sind naturgemäß die Viehprcisc erheblich gesunken, weil sich die Landwirthe zur Minderung ihrer Viehhaltung genöthigt sehen. Auf die Flcischpreise, zumal in Berlin und anderen großen Städten, ist jedoch diese Preisbewegung bisher, ohne Einfluß geblieben. Wir be zahlen nach wie vor dieselben hohen Preise, dank dem „freien Spiel der Kräfte", das die Herren Fleisch bankiers so meisterlich zu spielen wissen. Die „Kom mission", die unsere Börsenvcrhältnisse untersucht, würde gut thun, auch diesen Geschäftszweig des Giftbaumes einer näheren Besichtigung zu unterziehen. Vielleicht bietet aber auch das neue Wuchergcsetz hier und da eine Handhabe zum Einschreiten. Bezüglich des Ankaufs von Vieh durch die Händler giebt, wie die „K. Ztg." ausführt, der 8 302 o den Gerichten die nur irgendwie wünschcnSwerthen Mittel in die Hand. Wenn Händler die augenblickliche Lage des Klein- und Großbauern dazu mißbrauchen wollen, ihm sein Vieh für lächerliche Schleuderpreise abzukaufen, so fällt dies unter die ebengenannte Gesetzesbestimmung, und es ist zu erwarten, daß die Staatsanwaltschaften den jetzt vorkommenden Vichverkäufen die nöthige Aufmerksamkeit schenken werden. Das Gesetz tritt 14 Tage nach seiner Verkündigung in Kraft, was bislang geschehen oder binnen dieser Frist noch ge schieht, kann daher nicht nach Maßgabe seiner Be stimmungen beurthcilt werden; jeder Verkauf nach Ablauf derselben unterliegt aber der richterlichen Würdigung unter dem Gesichtspunkte der neuen Vor schriften. Aus den Berichten über den Nothstand scheint hervorzugehcn, daß Händler sich bereit» der Sachlage bemächtigt und die Bauern zum Verkaufe von Vieh zu den geringsten Preisen zu bewegen ver standen haben, um so mehr ist es geboten, den be treffenden Geschäften die Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sache der landwirthschaftlichen Vereine dürfte e» fein, die ländliche Bevölkerung über die Rechte zu belehren, die ihr das neue Gesetz giebt, denn da» schärfste Gesetz gegen den Wucher nützt gar nicht«, so lange von den Opfern wucherischer Ausbeutung nicht An zeige erstattet wird; die Erstattung dieser setzt aber mit Nothwcndigkeit voraus, daß man da» Gesetz und die Befugnisse kennt, die c« der schwächeren Bevölkerung cinräumt. — Durch den Preissturz de« Silber« ist die Ge fahr entstanden, daß da» unerlaubte Prägen vollwichtiger Silbermünzen al» gewinnbringen de» Geschäft in Aufnahme kommt. Um 1000 Mk. in deutschen 5-Mark-, 2-Mark- und 1-Markstückcn zu ihrem gegenwärtigen Silbergehalt auszuprägen, ge hören 5 Kilogramm Silber im jetzigen Werthe von etwa 450 Mk. und, hochgercchne», etwa 50 Mk. Präge kosten. Der Präger würde also 100 pCt. bei dem Geschäft verdienen. Natürlich ist ein solche» Ver fahren gerade so, wie da» AuSprägen minderwerthiger Geldstücke als Falschmünzerei strafbar, aber da» Ge schäft brauchte ja nicht im Jnlande betrieben zu werden, und die Münzen, die auf diese Weise her gestellt werden, wären in nicht« von echten zu unter scheiden. Unter diesen Umständen tritt an die Re gierung die Frage heran, ob es nicht geboten fei, sich in irgend einer Weise gegen etwaige derartige Ver suche zu schützen. — Spandau. Die unliebsame Entdeckung, daß wiederholt den Mannschaften Gegenstände und Geld spurlos abhanden kamen, wurde seit einiger Zeit, wie der ,.Anz. f. d. Havelland" berichtet, in der Kaserne de» 3. Train-Bataillon» gemacht. Der Verdacht, die Diebstähle begangen zu haben, lenkte sich schließlich auf einen Unteroffizier. Al» er zum Verhör gebracht werden sollte, entsprang er plötzlich und machte sich aus dem Staube. Drei Unteroffiziere wurden sofort beritten gemacht und setzten so dem Entflohenen nach. Es gelang, den Flüchtigen in der Nähe Staaken» in einem Geireidefelde zu erwischen. — Oesterreich. Die sozialistische Beweg ung in Oesterreich hat in letzter Zeit bedeutend an Umfang gewonnen und indem sie die Einführung des allgemeinen direkten Wahlrechts zur Losung auSgab, gewaltige Kundgebungen zu Wege gebracht. Am letz ten Sonntag war für Wien eine große Volks versammlung angekündigt. Die Arbeiterführer hatten dazu Platz im Arkadenhos und in der Vor halle des Rathhauses erhalten, nachdem sie umfassende Maßregeln zur Erhaltung der Ruhe versprochen hat ten. Die Kundgebung ist denn auch ohne jede Stör ung verlaufen. Der Massenzug zu der Versammlung, welcher auf 40,000 Personen geschätzt wurde, erfolgte in roller Ruhe. Die Mehrzahl der Theilnehmer trug rothe Nelken oder Kokarden. Locale und sächsische Nachrichte». — Schönheide. Im vergangenen Herbst ent lieh ein in einer hics. Fabrik beschäftigt gewesener Expedient, Namens Renk, in einigen Läden Geld auf den Namen seines Chefs und wurde mit diesem Gelde, etwa 14«X> Mark, flüchtig. Längere Zeit war von dem Flüchtling keine Spur zu entdecken und es schien saft, als habe er sich in Sicherheit gebracht. Aber auch ihn ereilte das Schicksal. Vor einiger Zeit wurde er in Italien festgenommen und nun vom Landgericht zu Zwickau zu 1 Jahr und 4 Monaten Gefängniß verurtheilt. — Dresden. Ihre Majestäten der König und die Königin werden sich nächsten Sonntag zum Gebrauche deS Seebades nach Scheveningen in Holland begeben. Der Aufenthalt daselbst ist auf 3—4 Wochen in Aussicht genommen. — Dresden. Das „Dresdner Journal" schreibt: Aus den im vorigen Monat vom Ministerium des Innern mit Vertretern deS Landeskulturraths und der landwirthschaftlichen KreiSvereine gepflogenen Ver handlungen über den gegenwärtigen Stand der land- wirthschaftlichcn Verhältnisse im Königreich Sachsen ist zu entnehmen gewesen, daß sich die meisten Gegen den deS Landes einem Nothstande in der Land wirt h s ch a f t gegenüber befinden, welcher ein Eingreifen der Staatsregierung geboten erscheinen läßt. Die unmittelbare Unterstützung deS Staates in der Form baarer Unterstützungen an die bedürftigen Viehbesitzer ist als unthunlich erschienen. Sie soll vielmehr der gestalt erfolgen, daß das Ministerium deS Innern den Bezug großer Mengen von Kraftfutter und Streu material vermittelt und diese an die Bedürftigen zuni Kostenpreise entweder gegen baare Bezahlung oder da nöthig, unter Gestundung der Zahlung abgegeben werden. Die Ausführung der hierzu erforderlichen Maßnahmen ist den Bezirksverbänden übertragen wor den, welche zunächst zu erörtern haben, ob und in welchem Umfange in dem Bezirke ein Nothstand herrscht. Wird ein solcher festgestellt, so sollen durch den Be zirksausschuß oder eine zu dem Zwecke besonders zu bildende Kommission, die der Unterstützung bedürftigen Viehbesitzer, sowie der Bedarf derselben an Kraftfutter, beziehungsweise an Strcumaterial, soweit solches aus den Staatswaldungen nicht gedeckt zu werden vermag, unter Berücksichtigung der Größe ihres Viehbestandes ermittelt werden. Das Ministerium des Innern hat bereits durch Bestellung einer größeren Menge von Kraftfuttermitteln Fürsorge getroffen, daß die für den zunächst zu deckenden Bedarf erforderlichen Mengen gesichert sind. Sollten in einzelnen Bezirken die Bc- zirk-mittel nicht zu sofortiger Bezahlung des Kauf preise« bereit liegen, so wird da« Ministerium de» Innern nicht abgeneigt sein, auf eine angemessene Zeit Gestundung zu ertheilen. — Leipzig, 10. Juli. Daß nicht alle Bezieh ungen zu unserem westlichen Nachbar einen schroffen und feindseligen Charakter tragen, davon giebt folgen de» Beispiel einen schlagenden Beweis: Unter den im Jahre 1870/71 in Leipzig internirten krieg »ge fangenen Franzosen befand sich ein au» Müri- court stammender Gefangener, der seinen unfreiwillige» Aufenthalt in unserer Stadt dazu benutzte, da« Kla vierstimmen zu erlernen. Er wurde hierbei mit der Familie eine« hiesigen bedeutenden Pianofortefabri- kanten bekannt und befreundet. Zwei und zwanzig Jahre sind seit seiner Rückkehr in sein Vaterlanlr vergangen, und die Erinnerung an seine Person war bei seinen Leipziger Bekannten schon stark verwischt. Da erscheint vor einigen Tagen in der Wohnung jene- Pianosortefabrikanten ein Herr mit einer Dame. Derselbe gab sich al« jenen Krieg-gefangenen zu er kennen und erklärte, daß nur die Sehnsucht nach Leipzig und nach der ihm liebgewordenen Familie ihn veranlaßt habe, die weite Reise mit seiner Frau zu. unternehmen. Wiederholt versicherte er dann, daß er hier trotz de« Schmerze« über seinen unfreiwillige» Aufenthalt recht glückliche Stunden verlebt habe. Dieser Ausdruck dauernder dankbarer Erinnerung ver dient jedenfalls Anerkennung. — Chemnitz. Begünstigt vom schönsten Som merweiter beging am Sonntag unsere Stadl da« Jubiläum ihres 750jährigen Besiehe»«. Nachdem am Sonnabend Abend im Tivoli-Theater bereit« eine Feftvorstellung, mit Prolog von Herrn Emil Walther, stattgefunden hatte, die als Einleitung zu dem festlichen Tage gelten sollte, durchzogen Sonn tag in aller Frühe zwei Abtheilungen unserer städt ischen Kapelle die reichbeflaggten Straßen» den Weck ruf ausführend. Darauf kündete feierliche« Glocken geläute von allen Thürmen den Festgottesdienst an, der in der Kirche St. Jacobi unter Theilnahme der städtischen Kollegien, geladenen Ehrengäste, sowie De putationen der Innungen und Militarvereine, welche sich aus dem vor dem alten Rathhause befindlichen Theile de« Hauptmarkte« zum gemeinschaftlichen Kirchengang versammelt hatten, abgehalten wurde. Nach Beendigung de« FestgolteSdienstes, den Herr Oberpfarrer vr. Graue hielt unv alle Hörer zu inniger Andacht hinriß, setzte sich der Festzug unter Betheiligung der städtischen Kollegien, Ehrengäste und vorgenannten Deputationen nach dem Roßmarkt zu in Bewegung, an der Spitze die vollzählige städtische Kapelle, wo der Saxonia-Brunnen, der künftig eine der schönsten Zierden unserer Stadt bilden wird, seiner Enthüllung harrte. Herr Stadtbaurath Hech ler übergab nach viertelstündiger Weiherede denselben der Stadt; unter dreimaligem Hoch und Tusch fiel die Hülle und da« vieltausendköpfige Publikum konnte das herrliche Bildwerk bewundern. Der Brunnen, in seinen Figuren von dem Bildhauer Fischer in Dresden und im Unterbau vom Architekten Pätzcl ebendaselbst entworfen, ist im Metallguß (bronce) von der Firma Pirner u. Franz in Dresden ausgeführt. Becken und Postamente, aus rothem schwedischen Granit, sind von der Firma Kiesel u. Röhl in Ber lin hergestellt, während die Granitstufen und der Unterbau von C. G. Kunath in Dresden geliefert wurden. Er zeigt die Saxonia in Ueber-Lebensgröße, stehend auf dem Granitsockel, zu ihren Füßen sitzende allegorische Figuren der Maschinen- und Textilbranche. Ein in Bürgerkreisen geplanter Festzug in Kostümen der verschiedenen Jahrhunderte, die seit Gründung unserer Stadt verflossen sind, ist leider aus Mein ungsverschiedenheiten in den betreffenden Kreisen nicht zur Ausführung gekommen. Dagegen fand nach ein stündigem Fcstgeläute mit allen Glocken der Stadt eine Armenspeisung in großem Maßstabe statt. In betriebsetzung der öffentlichen Springbrunnen in der Stadt und-am Schloßteiche, öffentliches Concert auf dem Festplatze am Küchwalde während des Nachmit tags von Seiten der städtischen Kapelle, sowie Turn spiele und Kinderbelustigungen daselbst erschöpften das aufgestellte Programm. Im Mosella-Saale fand am Abend ein von Herrn Robert Hertwig verfaßtes Festspiel „Chemnitzia" statt, welches in sechs Bildern Scenen aus der Chemnitzer Geschichte darstellt und durch ca. 90 Herren und Damen aus hiesigen Bür gerkreisen zur Aufführung gebracht wurde. Die ein zelnen Nummern betiteln sich: 1136 Im Benedictiner- Kloster, 1143 Die Stadterhebung, 1350 AuS Hau» Wettin, 1539 Die Reformation, Die Gegenwart, Die Sterne der Stadt. Der Ertrag diese- Festspiel» ist zur Unterstützung Nothleidender bestimmt. — Eine erfolgreiche Schatzgräberei fand dieser Tage im Walde in der Nähe von Rautenkran; statt. Ein gewisser Dressel, früher Photograph, jetzt Handarbeiter und erst 17 Jahre alt, hatte in letzter Zeit in Rautenkranz, Muldenhammer, Friedrich-grün, Zwota und Grünbach eine ganze Reihe erfolgreicher Einbruchsdiebstähle verübt und das erbeutete Baar geld (weit über 100 Mk.) vergraben. Nach der am 5. Juli erfolgten Festnahme de» Einbrecher« bequemte sich Letzterer nicht allein zu einem umfassenden Ge ständnis der von ihm verübten Diebstähle, er bezeich nete auch die Verstecke seiner Beute, worauf diese zum großen Theile wieder herbei geschafft wurde. — Sachsen» Militärvereinsbund trat am Sonntag Vormittag 11 Uhr in den Sälen de» Muscnhause« (frühere- Hotel Braun) in Dre-ven zur 20. Generalversammlung zusammen. Sie erfuhr eine besondere Auszeichnung durch die Anwesenheit Sr. königl. Hoheit de» Prinzen Friedrich August. Dem Bunde wurde anläßlich seine« 20jährigen Bestehen« die hochehrenvolle Auszeichnung durch Se. Maj. den König zutheil, daß der Bund sich fortan Königlich Sächsischer Militärverein-bund und jeder dem Bunde angeschlossene Verein sich künftig Königlich Sächsischer Militär- bez. Kriegerverein nennen darf.