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kann ich über den Grund und Zweck derselben nicht mehr im Zweifel sein." „Ach, Bruder — sage mir doch um GotteS- willcn —" „Ich bitte, lassen Sic uns gehen, mein Fräulein," wurde Elisabeth vom Arzte unterbrochen. Letzterer reichte dem bleichen und bebenden Mädchen den Arm, machte dem Rentkammersekretär eine kurze Verbeugung und verließ das Zimmer. Die Haushälterin, welche sich von der Bestürzung, die sie beim Anblick ihres so unerwartet und plötzlich verstorbenen Brodherrn ergriffen, noch nicht völlig erholt hatte, wankte den Beiden nach. In der im Souterrain gelegenen Küche ließ sich der Arzt die Flaschen geben, aus deren Inhalt Elisa beth den Trank zusammengesetzt hatte, und prüfte jenen dem Geruch und dem Geschmack nach. „Haben Sie wirklich nur aus diesen Flaschen die Bestandtheile des Getränkes entnommen, Fräulein Werner?" „Ja, Herr Doktor; cS sind dieselben Flaschen, die ich hier stets bei der Bereitung des von meinem Vater öfter begehrten Trankes gebraucht habe." Der Arzt untersuchte einige andere Flaschen, welche ihren Platz in der Nähe jener gehabt hatten. Er fand, daß keine Verwechselung hier stattgefunden. „Haben Sie selbst das Getränk nach der Bereitung gekostet?" „Ja, Herr Doktor." „Wie — Fräulein —?!" „Mein Gott, ja! Mein armer Vater forderte stets eine sehr sorgfältige Mischung, und so mußte ich mich überzeugen, ob ich dieselbe richtig getroffen." „Und wie viel etwa hatten Sie davon getrunken?" „Etwa einen Theelöffel voll." „Es schmeckte wie gewöhnlich —?" „Gewiß; sonst wäre die Mischung nicht richtig getroffen gewesen." „Fiel Ihnen nicht wenigstens ein besonderer Geruch auf, ähnlich dem von bitteren Mandeln?" „Nein, Herr Doktor!" „Frau Müller," wandte sich der Doktor zur Haus hälterin, die ntmmchr zu ahnen begann, um was eS sich handele; „wird in diesem Hause irgendwo Eyan- kali, Blausäure aufbewahrt?" „Nein, Herr Doktor! Blausäure! Um Himmels willen, das ist ja Gift!" „Ja, eS ist Gift ! und dieses Gift ist in dem von Fräulein Werner für deren Vater bereiteten Tranke, der diesem zur Erquickung dienen sollte, in großer Menge enthalten gewesen, hat dessen schnellen Tod hcrbeigeführt. Es ist ein Giftmord in diesem Hause verübt worden; noch will ich hoffen, nicht auch ein Vatermord." „Gerechter Gott!" schrie die Haushälterin auf. Elisabeth starrte wie bewußtlos auf den Arzt. „Führen Sie Fräulein Werner auf ihr Zimmer, Frau Müller, und tragen Sie für dieselbe Sorge." Der Arzt verließ die Küche. Am Eingänge des Hauses, an welchem er vorüber mußte, harrte der in dem zur Domaine gehörenden Dorfe stationirte Gendarm, den er, bevor er das Kranken- oder nunmehr Todtenzimmcr verlassen, hatte herbcirufen lassen. Er forderte diesen, unter Mit- theilung des Geschehenen, auf, den Sohn und die Tochter des Vergifteten bis auf Weiteres in diesem Hause unter seiner und einiger Dienstboten Bewachung zu halten. Die um den Tobten versammelten Leute hatten ebenfalls allmählich begriffen, daß es sich hier um eine Vergiftung handele, niöge dieselbe mit Vorbedacht oder durch ein Versehen herbeigeführt worden sein. Sie waren jedoch nicht sehr betrübt; denn Nie mand hatte den geizigen mW harten Brodherrn zu lieben vermocht. Theodor fügte sich der gegen ihn verhängten Maßregel mit großer Bereitwilligkeit; er versicherte dem Arzte, daß er an dessen Stelle nicht anders handeln würde. Der Letztere sorgte für die Sicherstellung der vorhandenen Thatbeweise und fuhr sofort zu dem eine Stunde entfernt wohnenden Polizeiverwalter, diesem da« Geschehene zu melden. Bei der am folgenden Morgen stattgefundenen Durchsuchung der Effekten der Geschwister fand sich in dem Koffer Elisabeths in der That ein Fläschchen vor, welches noch einen Rest Blausäure enthielt, von dessen Vorhandensein Jene jedoch keine Kcnntniß be sessen haben wollte. Obgleich gegen den Sohn des Vergifteten keine Beweise vorlagen, so durfte man in ihm einen Mit wisser des Verbrechens vermuthen, wenn ein solches von seiner Schwester wirklich verübt worden. Aber wer anders hatte irgend welches Interesse an dem schleunigen Tode de« alten Werner, als dessen beide Kinder? Wenn ihr Vater starb, bevor jenes Testament errichtet worden — oder vielmehr, bevor dessen Braut zurückkehrte, die durch ihren Einfluß wohl auch Elisabeth aus dem Hause getrieben hätte — so waren die beiden Geschwister die einzigen und natürliche» Eigenthümer einer bedeutenden Erbschaft, die ihnen sonst fast ganz oder doch zum größten Theile entging. Und fürwahr, für Leute ohne Religion nud Ge wisfen war die Versuchung groß! Der alte Oekonoiniedirektor Werner hatte sich stets lieblos gegen seine beiden Sprößlinge gezeigt; und diese hatten eine Zeitlang hoffen dürfen — wenn dieser Ausdruck hier statthaft ist — daß dessen natür licher Tod, der sie bei deni hartnäckigen Glauben des Schwerkrankcn an seine Wiedergenesung in de» Besitz der reichen und im Grunde ja ihnen auch rechtmäßig zustchenden Erbschaft gesetzt hätte, bald erfolge» werde. Bei solcher Sachlage erfüllte der Polizciverwalter nur seine Pflicht, indem er die Geschwister in das Gefängniß abführen ließ und dem zustehenden Justiz amte zu Z. den Vorfall meldete. Im Uebrigcn mag hier gleich bemerkt werden, daß die alsbald von mir veranlaßte gerichtsürztliche und chemische Untersuchung die Vergiftung des alten Werner mittels des in dem von seiner Tochter bereiteten und ihm überbrachten Getränkes enthaltende» Eyankali bis zur Evidenz bestätigte. An Ort und Stelle angelangt, unterließ ich nichts, was mir Aufklärung über den Fall verschaffen konnte. Ich besichtigte das Wohnhaus des Vergüteten, prüfte besonders den Weg, den Elisabeth mit dem vergifteten Getränk von der Küche bis in das Krankenzimmer hatte zurücklege» müssen, konferirte mit dem Polizei verwalter und mit dem Arzte, verhörte die Haus hälterin und die übrigen Dienstboten, ließ in allen Apotheken der weiteren Umgegend, jedoch erfolglos, nach einem etwaigen Käufer von Eyankali Nachforsch ungen anstelle» und stellte natürlich auch init de» beiden Geschwistern eingehende Verhöre an. Es war ja der erste wichtige Fall, der mich in meinem neuen Amte beschäftigte; es lag ein Kapital verbrechen vor, und zwar eines der scheußlichsten, wel ches die Kriminalpraxis kennt. Nicht allein die That an sich, sondern auch die Persönlichkeiten der Angeklagten erregten das größte Aufsehen. Ich sollte nach dem damaligen Gerichts verfahren deren etwaige Schuldlosigkeit an das Licht bringen, den oder die Schuldigen des Verbrechens überführen und sie der verdienten Strafe überliefern. Ich wußte, daß in der nächsten Zeit die Augen eines großen Publikums, besonders aber die der Juristen auf das Justizamt zu Z. gerichtet sein würden. Es galt also — so traurig es auch dem Laien klingen mag — mir die Sporen zu verdienen; und ich war entschlossen, Alles daran zu setzen, um meine Aufgabe glänzend zu lösen. In demjenigen Theile Deutschlands, in welchem die untere Grafschaft Z. gelegen, war danials in Kri- nnnalfällen noch das geheime und schriftliche Ver fahren in alleiniger Anwenhnng. Dieses nun in Verbindung mit den cigenthümlichen Verhältnissen des ehemals reichsunmittelbaren Ländchen, theilte mir die zweifache Rolle des Anklägers und zugleich VcrtheidigcrS des Angeklagten zu. Ich hatte als Inquirent die Untersuchung zu führen, nach deren Schluß, wenn ein Kapitalverbrechen vorlag, die Akten air das zuständige preußische Obergericht zu senden und entweder die Freisprechung oder die Berurtheilung der Angeklagten zu beantragen. Die urtheilsprechendcn Richter bekamen jene nicht zu Gesicht; sie hatten sich lediglich aus den Akten zu insormiren und beides, Verurtheilnng oder Frei sprechung, nur auf deren Inhalt zu begründen. (Fortsetzung folgt.) Der Einfluß des freien Bades auf die Gesundheit. Wiederholt ist auf die Vorzüge des freien BadeS hingewicsen worden, gleichwohl aber steht noch ein großer Theil der Bevölkerung demselben gleichgültig gegenüber und hat weder Zeit noch Sinn dafür. Die unbegreifliche Vorliebe für das Wannenbad, das doch nichts weiter ist als ein Nothbehelf und das seine Herrschaft lediglich nur im Winter ausübcn sollte, erklärt sich mehr aus der allgemeinen Bequem lichkeit, mit der cs hcrzusteUen ist, als aus dem Ge nuß, den es bereitet. Die wenigen Sommermonate, welche das Baden im Freien gestatten, sollten von Jedem dazu benutzt werden, um für die Gesundheit nicht nur gelegentlich etwas, sondern überhaupt das denkbar Beste zu thun. ES giebt kein besseres Mittel, die Kräfte zu erhöhen, die geistige Ermüdung zu heben, Leib untz. Seele zu erfrischen und zu neuer Arbeit fähig und freudig zu machen, als das Baden. Deshalb kann diese Seite der Gesundheitspflege nicht genug betont werben. Die große Hitze des vorjährigen Sommers, wo Jeder sich nach Abkühlung und Erfrischung sehnte und die Cholera uns zu vernichten drohte, hat diese That- sache am greifbarsten bestätigt. Wer die Wandlungen danials beobachtet hat, wird bemerkt haben, daß das Verlangen nach geeigneten Badeanstalten die öffent liche Meinung beherrscht hat, wie lange nicht zuvor. Fragen wir uns nun aber, welche Anforderungen sind an das Bad zu stellen: Es muß vor allen Dingen ein sonniger Platz sein und die nöthige Frei heit gewähren, damit man sich austummeln kann; denn möglichst kräftige Bewegung ist erforderlich, wenn das Bad für alle Theile des Körpers von wohlthucnder Wirkung sein soll. Darum ist das Schwimmen von größter Wichtigkeit. Weil derartige Plätze in der Regel auch mit Gras bewachsen sind, erübrigen sic die Herstellung weiterer Bade-Vorricht ungen. Das Haupterforderniß ist Sonnenschein und Luft. ES herrschen darüber, wann? wie? und wo? gebadet werden soll, allerdings verschiedene An sichten. Die Einen behaupten, das Wasser niuß erst einen bestimmten Wärmegrad erreicht haben. An dere meinen, der Badeplatz darf nicht zn luftig und sonnig sein, auch nicht zu weit entfernt liegen, weil man sich sonst auf dem Wege dorthin erhitzt und der Gesundheit eher schadet als nützt, außerdem auf dem Rückwege wieder sehr bald in Schweiß ge- räth, und das Bad somit seinen Zweck gänzlich ver fehlt. Das ist aber ebensowenig der Fall, als das Kopfwäschen von nachtheiligem Einfluß auf die Ner ven ist, wie kürzlich behauptet wurde. Wer seine Nerven den Tag über anstrengen muß, wer nervös ist, kann diesen krankhaften Zustand nicht besser be seitigen, als durch fleißiges Baden ini Freien, häufi ges Untertauchen im Wasser und Durchreibcn des Kopfes mit den Händen. Das ist ein Radikalmittel von unvergleichlich wohlthuender Wirkung. DaS Schwitzen ist ein nothwendigcr Faktor zur Erhaltung der Gesundheit und auf dem Wege zum Bade nichts weniger als schädlich. Es öffnet vielmehr die Poren der Haiti, reinigt diese und ermöglicht so eine leb hafte Einwirkung der Sonnenstrahlen, der Luft und des Wassers auf den Körper. Man kleide sich, wen» auch geschwitzt au der Badestclle «»gekommen, sofort gä»zlich aus, verweile einige Zeit in der Sonne und nehme als Vorbereitung zunächst ein Luft- und Sonnenbad, das dem Körper wie überhaupt der Ge sundheit ungemein zuträglich ist und vor etwaiger Erkältung schützt. Dann gehe man ins Wasser und bleibe darin, so lange es einem gefällt, der eigene Körper mahnt von selbst, wenn es genug ist. Eine bestimmte Zeit vorzuschreiben, wie lange Jeder baden soll, ist nicht zu empfehlen, weil der Eine gern länger im Wasser bleibt als der Andre, Jeder entsprechend seiner Natur; nur hüte man sich vor Frieren (Schüt teln) im Wasser. Das Abtrocknen und Abreiben des Körpers nach dem Bade ist nicht unbedingt erforder lich und an warmen Tagen sogar nachtheilig. Man steige nur ruhig mit dem nassen Körper, wie es Kinder durchweg machen, in die Kleidung; denn die Verdunstung des Wassers auf der Haut verhindert ein frühzeitiges Warmwerden und Schwitzen, gestattet aber einen längeren Spaziergang im Freien, der zwar von Vielen als lästig empfunden wird, jedoch nur vom Hörensagen, nicht aus Ucberzeugung. Er ge hört unbedingt mit zum Bade und bildet einen wesentlichen Theil desselben, weil er die durch die Abkühlung verminderte Körperwärme allmählich wieder erhöht und gleichsam den Abschluß bildet. Auf jeden Fall ist es ralhsam, nicht gleich nach dem Bade sich hinzusetzen, sondern immer erst für die nöthige Be wegung zu sorgen. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege sei hieran die Bitte ausgesprochen, das Baden über all da, wo cs keinen Anstoß erregt und die Natur Gelegenheit dazu bietet, zu gestatten und im allge meinen mehr zu unterstützen. Untersuchung des Nordhäuser Kraft-Lichorieus. Der Nordhäuser Kraft-Cichorien ist ein dunkelbraunrothcs, angenehm und kräftig riechendes gleichmäßig seines Pulver, welches bei der Analyse folgende Werthe ergab: Feuchtigkeit k,88 Mineralstoffe 4,375 (darin Unlösliches 0,125 Wasserlösliche Extraktivstoffe . . . 78,4 "/„ Wasserunlösliche organische Substanz 10,245 8nmina 100,00 0/g. Aus diesem Besund solgt zunächst, daß das Rohmaterial vorzüglich gereinigt wurde und daß durch sachgemäße Leitung des Röstprocesses die Ausgiebigkeit äußerst hoch gesteigert wurde. Während im Allgemeinen in einem gebrannten Ci- choricnpulver von ca. 10 "/„ Wassergehalt nicht mehr wie t>0 "/, wasserlösliche Bestandtheile gesunden werden, sind hier 78,4 °/„, also fast 33'/, "/, mehr an löslichen Extraktivstoffen vorhanden. Da der Werth eines Cichorien« im Wesentlichen durch den Gehalt an wasserlöslichen Bestandtheilen bedingt ist, al« welche Zucker, stickstoffhaltige und stickstofffreie Extractstoffe nebst ge ringen Mengen von Fett auftreten, kann man den Nordhäuser Kraft-Cichorien etwa um ausgiebiger bezeichnen und dement sprechend um 33'/, °/o werthvoller al« den durch schnittlich guten sonstigen Cichorien des Handel«. vr. 0. LiickoS. Vor erst ganz kurzer Zeit hat der vereidigte Gerichts chemiker vr. 0. Dtacdokk i» Berlin den Nordhäuser Kraft- Cichorien aus seine Bestandtheile untersucht und wollten wir unter Hinweis aus die heutige Annonce nicht verfehlen, unse ren Lesern das sich hierbei ergebene glänzende Resultat zur Kenntniß zu bringen. Druck und Verlag von E. Hannebohn in Sibenftock.