35 LEUTNANT BERTRAM Bür die Kunst, siehst du wohl ein, war vielleicht der Zeitpunkt niemals günstig; man hat immer gesagt, daß sie betteln geht; aber jetzt läßt sie die Zeit verhungern. Wo soll die die Unbe fangenheit des Gemüts herkommen, die schlechthin zu ihrem Genuß nötig ist, in Augenblicken, wo das Elend jeden, wie Pfuel sagen würde, in den Nacken schlägt. - Benn so wie die Dinge stehen kann man kaum auf viel mehr rechnen, als auf einen schönen Untergang. Kleist Wer Bodo Uhse im Spätsommer des Jahr4s 1935 in Paris im win zigen Zimmer des Hotels "Le Home Joli" in der Rue de la Con vention besuchte, der fand ihn über einer merkwürdigen, ja unheimlichen Lektüre. Paschistische deutsche Blätter, "wehr politische" Zeitschriften der Nazi türmten sich auf dem Ar beitstisch. Dienstvorschriften der deutschen Wehrmacht wurden mit dem Rotstift gelesen, aber daneben lagen wohl unter anderen kriegsgeschichtlichen Werken auch die Briefe von Clausewitz an seine Brau. Uhse beschäftigte sich mit den Vorarbeiten zu einem neuen Roman. Vom 21. - 25. Juni hatte er am Pariser Kongreß zur Verteidigung der Kultur im Theatersaal der "Mutalitd" teilge nommen, einer machtvollen Demonstration demokratischer und sozialistischer Autoren gegen die Kriegsdrohung des deutschen Faschismus. Die Überschrift seines Beitrags für die deutsch sprachige "Zentral-Zeitung" über diesen Kongreß hieß: "Die Wahrheit ist der Feind des Faschismus"; sie war auch das Pro gramm seiner literarischen Arbeit. Lm Mai 1935 hatte Hitler die Wehrmacht wieder eingeführt. Die Aufrüstung und Vorbereitung eines neuen Krieges, seit 1933 kaum verhüllt betrieben, wurde legalisiert. Die Gefahr eines