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Wir setzen eine Probezeit von einem Monat fest; sind wir gegenseitig zufrieden, so verbleiben Sie in Ihrer Stelle. Sic machen aus mich den Eindruck der Redlichkeit, und ich betrachte eS als eine Gelegen heit, die Härte des Schicksals an Ihnen wieder gut zu machen. Schlagen Sie ein?" Der junge Mann sagte mit Freuden Ja und gab seinem neuen Chef die Hand. Nur Tom schien ärgerlich. „Massa!" flüsterte er seinem Herrn zu, „nimm nicht fremde Mann in Dein Haus. Tom will schreiben lernen und Dir Buch führen! Tom stiehlt nicht?" — „Da sollte etwas schönes hcrauSkommen," lachte Müller, „Du bist eine gute, ehrliche Haut, aber Deine Buchführung mag ich nicht. ES bleibt dabei, was wir besprochen haben," sagte er zu Hasler. „Folgen Sie jetzt meinem Neger, er soll Ihr Zimmer zurecht machen und ihren Wünschen gehorchen. Haben Sie noch Effekten in New-Jork?" „Nein, Herr!" war die traurige Antwort. „Alles, was ich besaß, haben mir schlechte Menschen ge nommen." „Gerade wie mir," brummte Müller in den Bart. „Armer Teufel! Tom," rief er diesem zu, „sorge für den Herrn und führe ihn um sieben Uhr zu uns zum Thee." Er nickte seinen Buchhalter freundlich zu und verschwand mit dem Sheriff. Tom schlenderte neben dem Fremden her, seinem Unmuth in kurzen Selbstgesprächen Luft machend. „Tom doch schreiben lernen," sprach er trotzig vor sich hin. „Tom nicht so dumm! Weiße Mann ist nicht gut, schwarze Tom ist besser!" Häsler war nicht weniger in seine Gedanken ver sunken. Mit getäuschten Hoffnungen hatte er in San Francisco ein Jahr lang gelebt, unermüdlich nach seinem Onkel forschend, aber alles Suchen war um sonst. In New-Jork, wohin er sich gewandt, fiel er in die Hände von ehrlosen Agenten, die ihn um seine kleine Habe brachten, und er irrte dort ziellos umher, bis er der Polizei in die Hände fiel. Alle diese Bilder flogen im Geist an Wilhelms Auge vorüber. Aber bald erwachte er aus seinem träumerischen Hinbrüten, er bemerkte den Schwarzen, der pfeifend vor ihm herlief, und beschloß, ihn über seinen Herrn auszuforschen. „Heda, schwarzer Bursche!" rief er Tom an, „ist Dein Herr schon lange in Amerika?" „Biel Jahr — Zwanzig!" antwortete Tom so grob, wie es einem Neger in übler Stimmung mög lich ist. Wilhelm ließ sich durch die barsche Aeußerung nicht irre machen und fragte weiter: „Hat Dein Herr immer hier gewohnt?" Tom zögerte mit der Antwort ; endlich entschloß er sich und sagte verdrießlich: „Nein, Massa sonst gewohnt in San Francisco, dort arme schwarze Tom gekauft und ihm seine Freiheit geschenkt, aber Tom will keine Freiheit! Tom immer bei Massa bleiben. Gute weiße Mann! — Aber Buchhalter schlecht. Tom will nix wissen von Buchhalter!" „Warum bist Du denn so verbissen auf meinen Stand?" examinirte Wilhelm weiter. Der Neger sah ihn verschmitzt von der Seite an und fragte lauernd: „Hat Mister ein Messer? — Andere Buchhalter hat großes Messer und schneid't Tom in seine arme Hand." „Darum Dein Mißtrauen!" rief Wilhelm lachend. „Du glaubst wohl, hier zu Lande geht die ganze Kauf mannschaft mit langen Messern auf Raub aus? Be ruhige Dich, guter Tom, ich hege keine so finsteren Gedanken- gegen Dein schwarzes Fell, und wenn wir erst näher bekannt sind, denke ich, wirst Du mich fast eben so lieb haben, wie Deinen Herrn. — Sind wir bald am Ziel, Mister Tom?" „Gleich, Herr, eine Straße noch." „Richtig!" rief Wilhelm, „da sehe ich schon die Firma durch die Bäume leuchten: „Lack- und Firniß fabrik von Wolfgang Müller." — Das ist ein feuer gefährliches Ding, guter Bursch! Gott gebe, daß das Gebäude nicht einmal in Rauch aufgeht!" Tom führte Wilhelm auf seinen Wunsch in alle Räume der Fabrik, er zeigte ihm das Maschinenhaus, die Lager- und Packräume. Nur als Wilhelm in« Kontor wollte, stellte sich Tom mit vorgehaltencm Arm vor die Thür. „Nein, Tom nicht leiden hier!" rief der Neger. „Nur wenn Massa mitkommt, sonst nicht leiden weiße Buchhalter in Kontor!" „Nun, so bringe mich auf mein Zimmer und melde eS mir, wenn der Herr kommt." Dieser Aufforderung leistete der Neger willig Folge, zog aber vorher den Schlüssel de« Kontor- ab und steckte ihn in die Tasche. „Besser ist besser!" murmelte er zwischen den Zähnen. „Kann doch große Messer haben." Das Zimmer, in welche» Wilhelm geführt wnrde, ließ nicht« zu wünschen übrig, eS war auSgestattet mit aller Bequemlichkeit und bot eine entzückende Aussicht, die Wilhelm auch sogleich betrachtete. Er brannte sich eine Cigarre an und lehnte sich aus dem Fenster. In der Ferne zeigten sich Staubwol ken, zwei Reiterinnen bogen eben um eine Umzäun ung und sprengten auf die Fabrik zu. Die Eine ritt einen feuerigen Rappen, die Andere einen Ponnh. — Man- sah eS ihnen an, daß sic keine Neulinge waren, sie saßen keck und fest im Sattel und ließen ihre Thiere tüchtig ausgreifen. Wie erstaunte Wil helm, als sie nach wenigen Minuten durch das Thor sprengten und Tom sich beeilte, ihnen beim Absteigen behilflich zu sein. Die Aeltere wartete seine Dienste gar nicht ab, sondern schwang sich leicht aus dem Sattel, gab dem Pferd einen Schlag mit der Peitsche — und bot ihrer jüngere» Begleiterin die Hand, die ebenfalls ohne Toms Hilfe zur Erde sprang. Tom mußte den Damen etwas zugeflüstert haben, denn sie blickten Beide gleichzeitig nach Wilhelms Fenster. Er schreck», wie aufgescheuchtc Rehe, rannten sie dem Hause zn, als sie entdeckten, daß ihre Neugierde bemerkt wurde. „Das waren ja ein paar himmlische Gestalten," sagte Wilhelm vor sich hin. „War das ein Märchen aus tausend und eine Nacht, oder bin ich in einem verzauberten Schlosse, wo Feen und Najaden Hausen? Ich habe doch in meinem Löben manches schöne Mädchen gesehen, aber hier finde ich Alles über troffen. Wer sie wohl seien mögen? Am Ende Ber- wandte oder gar die Töchter des Hauses! — Die Pferde wußten in den Ställen Bescheid, und Tom war sehr dienstfertig. Sollte ich wirklich so glücklich sein, sie wieder zu sehen?" Er sprang auf und lief unruhig im Ziminer hin und her, er konnte die Zeit nicht abwarten, bis Tom ihn zu seinem Prinzipal rufen würde. Aber seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn eine Viertelstunde nach der anderen verging und der so heiß ersehnte Bote kam nicht. ES dunkelte bereits, als an seine Thür geklopft wurde und Tom seinen schwarzen Krauskopf ins Zimmer steckte. „Mister möchten zum Thee kommen," meldete er. Wilhelm warf noch einen prüfenden Blick auf seine Toilette und folgte dem Diener, der ihn in den kleinen Salon führte. »Fortsetzung folgt.) Die Mitgift der Schwiegermutter. Ueber eine beispiellos dastehende Klage hatte kürz lich der Bagatellrichter des Bezirksgericht« Leopold- stadt I in Wien zu entscheiden. So herzlich gelacht wurde noch nie in einem Gerichtssaale, wie bei dieser Verhandlung. Eine Frau, Katharina Krippl, verklagte einen Herrn Heinrich Schödel, Schneidermeister, auf Bezahlung einer Schuldforderung von 50 Gulden. Richter (zum Angeklagten): Sind Sie dieser Frau 50 Gulden schuldig? — Angekl.: Diese Frau? Das cst meine Schwiegermutter! Richter: Das thut nichts zur Sache; man kann doch auch einer Schwiegermutter Geld schuldig sein. — Angekl.: Ich bin ihr aber nichts schuldig; sie hat mir 50 Gulden Mitgift gegeben, als ich ihre Tochter heirathete. Ich mußte aber nicht nur die Tochter, sondern auch die Schwiegermutter übernehmen und über die 50 Gulden obendrein einen Schuldschein ausstellen. Richter: Ueber die Mitgift einen Schuldschein — das ist neu. — Angekl.: Ja, hier ist der Schuldschein, Herr Richter. Der Richter nahm den in Großfolio-Format ge haltenen, mit einem Zweiunddreißig-Kreuzer-Stcmpel versehenen Schuldschein und brachte denselben zur Verlesung. Er lautete wörtlich: „Schuldschein, womit ich Endesgcsertigter bestätige, daß ich am heutigen Tage von meiner zukünftigen Schwiegermutter Frau Katharina Krippet 50 Gulden baar als Mitgift bekommen habe und verpflichte ich mich, diese Schuld meiner Schwiegermutter baar zu rück zu bezahlen, wenn ich: I. Die Schwiegermutter nicht mehr anerkennen sollte; 2. wenn sic mir nickt mehr behagen sollte; 3. wenn ich sie verstoßen sollte, oder 4. wenn meine Frau sterben sollte. Hochachtungs voll Heinrich Schödel." Nachdem sich der Heiterkeitsausbruch, den die Ver lesung dieses klassischen Schuldscheines entfesselte, ge legt hatte, begann der Angeklagte: Nun ja, jetzt, wo ich sie so lange auSgefüttert habe, verlangt sie die Mitgift zurück. Richter (mühsam das Lachen zurückhaltend): Lassen Sie uns, Herr Schödel, vor Allem hören, ob Sie eine dieser köstlichen vier Bedingungen, die Sie in diesem sogenannten Schuldscheine eingegangen sind, nicht etwa gebrochen haben. Also zur ersten: Erkennen Sie diese Frau als Ihre Schwiegermutter noch immer an? — Angekl.: Freilich, alleweil! Richter: Behagt sie Ihnen noch? — Angekl.: (nach einer langen Pause, während welcher er die Schwiegermutter von der Seite mit halbem, scheuem Blick betrachtet): Ja . . . sie behagt mir noch! Richter: Haben Sie sie verstoßen? — Angekl.: Nein, sie ist selbst weg. Sie kann doch wiederkommen. — Klägerin: Ich will aber nicht! Richter: Und Ihre Frau ist nicht gestorben? — Angekl.: Nein, sic lebt noch. Richter (zur Klägerin): Unter diesen Umständen muß ich Ihre Klage bedingungslos abweisen. Ihr Schwiegersohn ist ein braver Mann, der keine einzige der vier Bedingungen, die er sich bei Uebernahme der Mitgift, Ihrer Tochter, sowie Ihrer Person gestellt, verletzt hat. Er braucht Ihnen die 50 fl. nicht zu bezahlen! Gehen Sie in Gottes Namen! Damit war diese einzig in ihrer Art dastehende Verhandlung beendigt. Vermischte Nachrichten. — Die Salzgewinnung in Halle. Wer die Sehenswürdigkeiten von Halle zu stuviren gedenkt, sollte nicht versäumen, auch jenem Institut einen Be such zu machen, dem die Stadt ihren Namen und einen großen Theil ihrer jetzigen Bedeutung verdankt, dem Salzwerke. Milten im Orte auf einem freien Platze entspringt der scgenspendende Quell, dessen Wasser in Röbren hinaus in die Vorstadt geleitet wird, zur „Saline der consolidirten Pfännerschaft". Die Sole fließt zunächst in große Helzbehälter, in denen sie früher durch Zusatz von Steinsalz noch verstärkt wurde. Da« bekannteste Charakteristikum einer Saline, ein Gradirwerk, suchen wir hier vergebens. Die Sole fließt vielmehr nun durch vielfach hin- und herge wundene flache Verdunstungskanäle, in denen sich der Salzgehalt durch Wasserverlust von 10"/„ auf 18"/, steigert. Verschiedene Frcmdbestandtheile, Kalk und Eisenoxyd, setzen sich bereit- hier ab. So gereinigt und verstärkt gelangt die Sole in mächtige 35 Schritte lange Pfannen, in denen sic zum Sieden gebracht wird. Dichte Dampfwolken steigen auf und werden durch den dachförmigen hölzernen Brodemfang der Dunstesse zugeführt. Halbnakte Männer sind be schäftigt, die sich bildenden festen Massen an den Rand zu ziehen und auf die eisernen Kippwagen zu laden. DaS erste gelbschaumige KrystallisationSpro- dukt wird mit Petroleum denatunirt als Düngesalz verkauft. Nach zweiundzwanzig Stunden ist alles Salz auSkrhstallisirt und kommt in die Trockenräume und Magazine. Der festgebackene Rückstand der Lauge, der sog. Pfannenstein, wird loSgehackt und von den Gärtnern zum Unterdrücken der Vegetation auf Sand wege gestreut. In manchen Gegenden wird da» Salz nicht in dem feinkörnigen Zustande beliebt, den eS bei einem derartigen Siedeprozeß annimmt. ES wird deshalb ein Theil der Sole in anderen Pfannen einer bedeutend geringeren Wärme ausgesetzt und auf diese Weise in 72 Stunden ein grobkörnige» Krystalli- sationSprodukt erzielt. Der größte Theil dieser gro ben Salze- wird jedoch nachträglich mit Wermuth und Eisenoxyd vermischt und alsdann al» Viehsalz verkauft. Die Ausbeutung der Halleschen Saline, die früher in den Händen de» Staate- lag, wird jetzt von einer Privatgesellschaft betrieben. Doch sucht sich der Staat durch Erheben einer ziemlich bedeuten den Steuer auf das Speisesalz schadlos zu erhalten. Während nämlich ein Centner Salz nur ca. 3 Mk. netto kostet, werden darauf 6 Mk. Steuern erhoben. Diese Abgabe beträgt im Monat durchschnittlich 50 —60,000 Mk, sodaß die Staatskasse bei dieser Art de» Betriebes jedenfalls keinen Schaden erleidet. Die jährliche Ausbeute wird gegenwärtig auf ca. 220,000 Centner geschätzt. — Der Blumen Rache, da-bekannte Gedicht, hat einem gequälten Ehemanne die Anregung gegeben, den in seiner Wohnung versammelten Damen eine- Kaffeekränzchens, dem seine Frau angehört, den Aus tausch von Geheimnissen und Neuigkeiten unmöglich zu machen. Durch da» Kreischen und Lachen in seiner Arbeit gestört, kam er auf eine Idee, die er sofort verwirklichte. Er eilte zum Blumenhändler, kaufte daselbst ein Bouquet, und schickte e» seiner Frau, ohne sich al» Absender zu bezeichnen. Und nun wartete er in seinem Zimmer auf den Erfolg. Zehn Minuten später verstummte da» Gespräch, dafür aber hörte man eS jetzt — niesen, kräftig »nv ununterbrochen niesen und dazwischen abgebrochene EntrüstungSrufe. Eine Viertelstunde später hatten die Damen die Wohnung verlassen. Herr M. hatte nämlich auf die Blumen — ein paar tüchtige Prisen Nießpulver ge streut — ein Mittel, da- ihm gegen Kopfbeklemmungen empfohlen worden war. — Ein Fremder, ber gegen da» Ende de» 18. Jahrhundert» den Baron von Swieten zu einem Besuche bei dem alten Herzog von Sachsen-Hildburg- Hausen begleitete, erzählt in seinen Erinnerungen: „Der Herzog gebt täglich regelmäßig um 8 Uhr zu Bette. Wenn er au» seinem Zimmer in sein etwa» entlegene» Schlafgemach sich begiebt, sind an dem Wege dahin Leute aufgestellt, die ihm nacheinander die Perrücke und die Kleidungsstücke abnehmen, wäh rend er an ihnen vorüber geht, so daß er sich in da» Bett legen kann, sobald er e« auf diesem Gange er reicht hat." — Seine Karriöre. „Sehen Sie, der Mann, wie er da reitet, ist vor zehn Jahren mit einem paar zerrissener Hosen nach Berlin gekommen und jetzt hat er zwei Millionen." — „Aber ich bitte Sie, wa» fängt denn der Mann mit zwei Millionen zerrissener Hosen an?" Druck und Verlag »on E. tzannebotzn in Eibenstock.