25 Schönheit sei eine leidend weibliche Eigenschaft, insofern sie Sehnsucht errege und die männlich-tätigen Motive der Bewunderung, des Begehrens und der Werbung in die Brust dessen verlege, der sie schaue, so daß auch sie, auf umgekehrtem Weg®, jene Dop pelnatur (Trieb und Sehnsucht), und zwar unter Vorherrschaft des Weiblichen, zu erregen vermöge, heißt es in JOSEPH IN ÄGYPTEN. Mut-em-enet giert nach Joseph, weil er schön und weil er männ lich ist. sie ist eine unbefriedigte Frau; Potiphar ist Eunuch. Mut-em-enet ist von Joseph apprehensioniert. Joseph ist sich seiner Auserwähltheit (auch durch Mut-em-enet) voll bewußt. Die Vereinigung seiner Schönheit und Weisheit wird von ihm im Spiegel konstatiert. Ist Josephs Eros narzißtischer Art? - Nein, es ist überhaupt kein Eros. (Nicht einmal von einer Masturbation ist iin Text die Rede. Und auch im Falle sei ner beiden Söhn® Menesse und Ephraim, die in JOSEPH, DER ERNÄH RER erst ins Spiel gelangen, handelte es sich "nur" um Pflicht übungen im Lendenbereich.) Welche Rollen spielen Joseph und Potiphars Weib? Aus einer Tagebucheintragung von Thomas Mann erfahren wir; "...vertiefte mich in Aufzeichnungen, die ich damals über mei ne Beziehungen zu P. E. im Zusammenhang mit der Roman-Idee der 'Geliebten* gemacht. Die Leidenschaft und das melancholisch psychologisierende Gefühl jener verklungenen Zeit sprach mich vertraut und lebenstraurig an. Dreißig Jahre und mehr sind dar über vergangen. Nun ja, ich habe gelebt und geliebt, ich habe auf meine Art 'das Menschliche ausgebadet'. Ich bin, auch da mals schon, aber 20 Jahre spater in höherem Maße, sogar glück lich gewesen und durfte in die Arme schließen, was ich ersehnte. - Ich hatte mich nach den Leidenschaftsnotizen jener Zeit im Stillen schon umgesehen in Hinsicht auf die Passion der Mut-em- enet, für deren rastlose Heimgesuchtheit ich zum Teil werde dar auf zurückgreifen können." (Küsnacht, 6.5.34) Es sind die melancholischsten Passagen der Tagebucheintragun gen, in denen sich Thomas Mann an seine Liebesbeziehungen zu Paul Ehrenburg, den Münchner Jugendfreund oder Armin Martens, den Lübecker Schulkameraden (und späteren Hans Hansen) ent sinnt, Aber auch die selige Zeit mit dem jungen Klaus Heuser, den Thomas Mann 1927 als Siebzehnjährigen auf Sylt kennenlernte und den er später nach München zu sich holte, bleibt unverges- -26