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3_. APPREHENSION "Sprachen wir doch von der Vereinigung der mächtigsten Geistesge ben mit der stupendesten Naivität in einer menschlichen Verfas sung und merkten an, daß es diese Verbindung sei, die das höch ste Entzücken der Menschheit ausmache. Von nichts anderem ist aber mit jenem Segensworte die Rede. Es handelt sich um den Dop pelsegen des Geistes und der Natur - welcher, wohlüberlegt, der Segen - aber im ganzen ist es wohl ein Fluch und eine Appre- hension damit - des Menschengeschlechts überhaupt ist; der Mensch gehört ja grundsätzlich mit erheblichen Teilen seines We sens der Natur, mit anderen aber, und man kann sagen* entschei denden, der Welt des Geistes an, so daß man mit einem etwas lä cherlichen Bilde, welches jedoch das Apprehensive der Sache recht gut zum Ausdruck bringt, sagen könnt®, wir stünden mit einem Bein in der einen und mit dem anderen in der anderen Welt eine halsbrecherische Stellung” - liest es sich im Gespräch zwischen Riemer und LOTTE IN WEIMAR. Das Wort "Apprehension" weist die 18. Neubearbeitung des Gro ßen Duden nicht oder nicht mehr aus. Die lateinische Entspre chung, "apprehendo", übersetzt Tascnen-Heinichen mit; (an)fas- sen, erobern; ergreifen. Ein aktives, ein sozusagen körperli ches Wort 81so. Apprehension gleich Ergreifung, Ergriffenheit, Ergriffensein? “Apprehension" zur Kennzeichnung der Fleischge richtetheit von Kunst - vielleicht, sogar: Nach einem Filmbesuch - ABEL MIT DER MUNDHARMONIKA - notierte Thomas Mann in sein Tagebuch, "daß die deutschen Filme mir etwas entgegenbringen, was die anderer Nationalität kaum aufweisen: die Freude an jugendlichen Körpern, namentlich männlichen in ih rer Nacktheit. Das hängt mit der deutschen 'Homosexualität' zusammen und fehlt unter den Reizen französischer und auch ameri kanischer Produkte; das Zeigen jungmännlicher Nacktheit in kleid samer, ja liebevoller photographischer Beleuchtung, sobald sich Gelegenheit dazu bietet. Ballhaus (sich den Oberkörper waschend) ist hiar besonders ergiebig. Aber auch sein brünetter Partner (der Capt'n) wurde so oft wie möglich mit bloßem Oberkörper ge zeigt, was dieser durchaus verdiente. Die Deutschen, oder die deutschen Duden, die das stellen, haben sehr Recht; es gibt im Grunde nichts 'Schöneres', und der Gedanke, daß dies 'Schön ste' das allergewöhnlichste ist und 'alle Tage vorkommt', den -24