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tisch. Denn es betrifft ja allenfalls den Bürger, das Staats mitglied; egal, ob es um die Geschichte von gescheiterten Kauf leuten, sagenhaften Palästinensern, verpakteten Komponisten oder designierten Päpsten geht... Unser Leben ist ein politi sches Leben. fcs gehorcht Abhängigkeiten, gesellschaftliehen. Denn wo Gesellschaft ist, ist Politik im Spiel. (Eine oinsen- weisheit, weiter nichts.) Die Frage aber gilt der uefinition, und nicht dem Tatbestand. Wenn Thomas Mann so permanent das Un-Politische der Kunst in seiner Theorie betont, will dies nichts ende res besagen, als daß der Künstler seines Künstlertums verlustig wird, sobald er Politik in seinem Kunstwerk beabsichtigt; sein Werk, mit Vorbe dacht, also politisch meint. Ein solches aufgesetztes Ethos, das Ethos des "politischen Künstlers", war ihm, der prinzi piell in seinen Werken eine penetrante Politik vermied, von vorn herein suspekt. "Die wahrhafte Definition des Begriffes 'Politik* ist nur mit Hilfe seines Gegenbegriffes möglich; sie lautet; 'Politik* ist das Gegenteil von Ästhetizismus.* Oder, ganz streng gesprochen; *Politiker-zu sein ist die einzige Möglichkeit, kein Ästhet zu sein.*" (BETRACHTUNGEN EINES UNPOLITISCHEN) Thomas Mann bekannte sich gegen eine Demokratie der Art und Weise, wie sie seinem Bruder Heinrich in dessem ZOLA-Essay vor schwebte. Er war gegen eine Demokratisierung Deutschlands nach französischem Rezept - nicht etwa, weil er gegen die Franzo sen war oder gar die Utopie des Gesellschaftsvertrages hätte, wortgewandt wie er war, zerschmettern wollen, nein; nur hatte er das in Sinn und Sorge, was wir heute ein Unter-Berücksich- tigung-der-nationalen-Besonderheiten bezeichnen würden. Eine Demokratisierung Deutscnlands nach französischem Rezept wäre für ihn gleichbedeutend gewesen einer Politisierung, Literarisie rung, Intellektualisierung, Radikalisierung (all diese dem Voltaire gehässig überantworteten Eigentümlichkeiten), kurzum; einer Entdeutschung Deutschlands. Das aber durfte und konnte nie in seinem Interesse, das ein zuvörderst romantizistisches Inter esse (an Deutschland) war, liegen. "Wessen Bestreben es wäre, aus Deutschland einfach eine bür gerliche Demokratie im römisch-westlichen sinn und Geiste zu ma chen, der würde ihm sein Bestes und Schwerstes, seine Proble matik nehmen wollen,,in der seine Nationalität ganz eigentlich -20