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zu müssen, wenn euch ohne den Umweg über die Presse und nur zu dem einen Zweck, um Dir zu sagen, wie unberechtigt der Vorwurf des Bruderhasses ist." (In WELTFRIEDEN? hieß es nämlich: "Es mag einer großen Suk- zeß haben, der sehr schön zu sagen versteht; ‘Ich liebe Gott!’ Wenn er aber unterdessen 'seinen 3ruder hasset', dann ist, nach dem Bohannes-Evangelium, seine Gottesliebe nichts als schö ne Literatur und ein Opferrauch, welcher nicht steigt.”) In seinem Antwortbrief v. 3.1.18 zeigte sich Thomas Mann un- ve rsöhnlich; "Aber Dinge, wie Du sie in Deinem Zola-Essay Deinen Nerven ge stattet und den meinen zugemutet hast, - nein, dergleichen ha be ich mir niemals gestattet und nie einer Seele zugemutet. (...) Mögest Du und mögen die Deinen mich einen Schmarotzer nennen. Die Wahrheit, meine Wahrheit ist, daß ich keiner bin. Ein großer bürgerlicher Künstler, Adalbert Stifter, sagte in einem 3rief: 'Meine Bücher sind nicht Dichtungen allein, sondern als sittliche Offenbarungen, als mit strengem Ernste bewahrte mensch liche Würde haben sie einen wert, der länger bleiben wird, als der poetische.' Ich habe ein Recht, ihm das nachzusprechen, und Tausende, denen ich leben half - auch ohne, eine Hand auf dem Herzen und die andere in der Luft, den contrat social zu re zitieren - sehen es, dieses Recht. / Du nicht. Du kannst das Recht und das Ethos meines Lebens nicht sehen, denn Du bist mein Bruder." Das Manuskript seiner BETRACHTUNGEN EINES UNPOLITISCHEN schick te Thomas Mann Mitte März an S. Fischer. Heinrich Mann hatte es übrigens nie gelesen. Zu einer Versöhnung gelangten die Brüder erst im Danuar 1922. Alles in allem kreiste der Streit dieser sieben Bahre um den Kunst-und-Leben-Gegensatz, um die Frage also nach dem Selbst zweck jeder Kunst. Diese Frage wurde von Heinrich Mann ver neint; für Thomas Mann blieb sie akut. Die wechselseitig vorgetragenen Argumente für beziehungsweise gegen die eine und die andere Position - Kunst als Waffe oder Kunst als Souverän - funktionieren eigentlich autark. Der Le ser jener Zeilen wird, je mehr er liest, den Eindruck nicht mehr los, als redeten die Disputanten völlig aneinander vorbei; -13