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Lvcale ««d sSchstfche Rachrichle«. — Eibenstock, 29. Oktober. Heute Vormittag fand im Beisein de« Herrn OberregierungSratb Frhn. v. Wirsing und des Herrn Bezirksschulinspektor Dr. Hanns aus Schwarzenberg, des Herrn Schul direktor Tittel aus Schönheide, der Vertreter der hiesigen Königlichen und Kaiserlichen Behörden, sowie der Mitglieder des Raths und der Stadtverordneten, deSgl. des Lehrerkollegiums und unter Antheilnahme ter zahlreich erschienenen hiesigen Einwohnerschaft die Weihe unserer neuen Schule und Turnhalle statt, welcher sich nach Schluß der Feierlichkeiten, die in ter Turnhalle staltfandcn, eine Besichtigung der SchulrLume anschloß. Nachmittags findet in der Turnbaüe eine öffentliche musikalische Aufführung und nach Beendigung derselben ein Festessen im Saale des RathbauseS statt. Einen ausführlicheren Bericht über die Feier werden wir in der nächsten Nummer d. Bl. bringen. — Johanngeorgenstadt. Hier wird von einer Anzahl patriotischer Männer die Errichtung eines Kriegerdenkmals geplant, dessen Enthüllung für die 2b. Wiederkehr des Tages von Sedan im näch sten Jahre erfolgen soll. Herr Bildhauer Kircheisen in Braunschweig, ein Sohn unserer Stadt, hat sich bereit erklärt, das Denkmal auszuführen und auch bereits den Plan für dasselbe entworfen. Der hies. Militärverein hat schon einen FonbS für das Denkmal angcsammelt und will auch einen größeren Beitrag aus seiner Kasse gewähren. — Dresden, 26. Oktober. Ihre Majestäten der König und die Königin werden voraussichtlich nächsten Montag, den 29. Oktober, Nachmittags, zu etwa zweiwöchigem Aufenthalte ins königliche Schloß Sibyllenorl in Schlesien übersiedeln. — Ihre königl. Hoheiten Prinz und Prinzeß Friedrich August haben gestern die prinzliche Villa in Wachwitz verlassen und die Wohnung im Palais am Taschenberge in Dresden bezogen. — Dresden. Der KrciSturnraih des XIV. Kreises (Königreich Sachsen) ist in seiner letzten Sitzung der seit Jahren immer stärker hervorgetretenen Noth- wendigkeit der Gründung eines Kreisblattes näher getreten und hat auf Grund der Erfahrungen der Kreise der Deutschen Turnerschaft, welche schon seit längerer Zeit diese Einrichtung getroffen haben, be schlössen, vom 1. Januar 189b ob ein solches herauS- gegeben. Die Leitung des Blatte«, welches den Titel „Der Turner aus Sachsen" führen wird, ist in die Hände des Kreisvertreters Herrn W. Bier, Direktor der kgl. Turnlehrerbildungsanstalt in Dresden, gelegt worden. Bei dessen bekannter Arbeitslust und Arbeits kraft ist wohl da» Beste zu erwarten. — Seit dem ersten Kreisturnfeste im Jahre 1882, dessen guter Verlauf noch allen Theilnchmern in freudiger Er innerung steht, war es bisher nicht gelungen, eine geeignete Stadt zu finden, welche bereit war, da« zweite zu übernehmen. Jetzt ist auch diese Frage gelöst, denn der Turnrath des Dresdener Gaues hat seine Bereit willigkeit zu erkennen gegeben, 1897 das Fest auszu führen. Früher ist eS auch au« organisatorischen Gründen nicht möglich. — 1896 soll die zweite Meer turnfahrt mit dem Ausgangspunkt Genua und event. Berührung von Tunis und Algier statlfinden. — Annaberg, 2b. Oktbr. Aus einem Neu bau des Baumeisters Karl Friedrich Walther auf dem Benkertberge ist heute Vormittag nach 11 Uhr eine drei Stockwerk hohe Ziegelmauer in sich zusam- mengcstürzt, wobei der Maurer H. Kunz aus GcyerS- dorf getödtet wurde. Das betreffende Hau« ist bereit« so weit fertiggestellt, daß e« mit dem Dachstuhl ge krönt werden konnte, ohne daß sich während des Baues Anzeichen herausgestellt hätten, welche vcrmuthen ließen, daß Gefahr im Verzüge sei. In gewohnter Weise war man heute mit den Bauarbeiten beschäftigt. Fast alle Maurer arbeiteten im Innern des Hauses, und nur oben genannter Kunz stand aus dem Gerüst an der gefährdeten Straßenfrontstelle, um die Arbeiten am DachsimS zu vollenden. Da plötzlich fiel unter weithin vernehmbarem Getöse die drei Geschoß hohe Mauer in einer Breite von etwa vier Meter in sich zusammen. Sofort eilte man an die Unfallstelle und mußte mit Entsetzen wahrnehmen, daß der genannte Maurer durch die herabstürzenden Massen so unglück lich getroffen worden war, daß er nur noch als Leich nam davongetragen werden konnte. Da sich auch die steinere Gicbelwand von ihren Bindungen gelöst hat und diese ebenfalls einzustürzen droht, wurde der Bauplatz sofort polizeilich abgesperrt. Ueber die Ur sache der Katastrophe herrschen vorläufig nur Ver- muthungen. — Zschopau. Ausdem vielbekannten herrlichen Wege von Zschopau nach Wilischthal, inmitten wald iger, romantischer Umgebung, befindet sich am steilen, linken Zschopauufer da« Cotta-Denkmal, ein au« jungen Fichten gepflanzte«, nach geschicktem Beschneiden gewachsene«, mächtige« II. 0. Ein schlichter Denk stein an einem Ruheplatz an der Straße giebt in kurzen Angaben einige Aufklärung über die Bedeut ung de« sogenannten grünen II. 6. Die gegenwärtigen Tage müssen un« nun lebhaft an den verdienstvollen Mann erinnern, dem zu Ehren einst jene« Denkmal gepflanzt worden ist, denn am 2b. Oktober 1844 — also vor bO Jahren — schied Heinrich Cotta au« diesem Leben. Au« dem Eisenach'schen stammend, wurde derselbe 1812 al« königlicher Forstralh nach Sachsen berufen und verlegte seine in Zillbach im Eisenach'schen begründete Privatforstlehranstalt nach Tharandt. Im Jahre 1816 wurde dieselbe zur Königl. Forstakademie erhoben und Cotta war ihr erster Direktor und Leiter. So ist Heinrich Cotta der Be gründer unserer heute noch berühmten Forstakademie. Aber auch sonst hat sich Cotta um da« sächsische Forstwesen hochverdient gemacht. Im akademischen Forstgarten hat ihm schon 1851 die StaatSrcgierung ein Denkmal errichten lassen. — Wer da weiß, welch vortreffliche« Viehfutter unsere Wiesen geben, und wie die Verhältnisse hier die Viehzucht wesentlich begünstigen, der muß sich wundern, daß die Molkereigenossenschaften, durch die z. B. in Oberbayern der Landwirthschaft ganz außerordentliche Vortheilc geboten werden, noch nicht mehr Boden gefunden haben. Die vielen Häusler, die eine Kuh halten, wie die vielen kleinen Gutsbe sitzer mit 3—4 Kühen können ihre Milch nicht in der Weise auSnützen, wie e« eine Molkereigenossen schaft vermag. Jeder Viehzüchter wird durch sie von selbst dazu erzogen, sein Vieh derart zu pflegen, daß e« eine gute Milch giebt, weil diese lediglich nach dem Fettgehalte bezahlt wird. Viele Familien hier und in anderen Gegenden Sachsens beziehen ihre Butter aus bayerischen, ostprcußischen und holstein ischen Molkereien und könnten sie doch hier ebenso gut haben, wenn das Molkereiwesen größere Fort schritte gemacht hätte. Die vielfachen Maschinen, die man jetzt in der Molkerei anwendet, wie Schleudern rc., erleichtern ja die Arbeit; aber für kleine Besitzer sind die Anschaffungskostcn dafür zu hoch. Darum eben können dabei nur Genossenschaften in Frage kommen. Anregungen dazu sind schon gegeben worden. Heuer, wo Futter- und Kartoffelernte befriedigen, ist die Frage abermals der Erwägung näher gerückt. Aus vergangener Jett — für unsere Jett. 26. Oktober. (Nachdruck verboten.) Am 29. Oktober 1840 trat W. Guizot an die Spitze des französischen Ministeriums, jener Mann, der bis zum Sturze des Bürgerkönigthums die Geschäfte des Landes leitete und mit die Schuld trug an der Iulirevolution des Jahres 1848 und an der Beseitigung des Königs Louis Philipp. Guizot war ein nicht unbefähigter Diplomat von ernsten,, bestimmten Wesen und entschieden konservativ, der seinem königlichen Herrn treu ergeben war. Sein Hauptfehler war, daß er seine Zeit und ihre Ansorderungen nicht verstand. 80. Oktober. In dem Frieden zu Wien, der vor dreißig Jahren am 30. Oktober 1864, geschlossen wurde, in welchemdcrdänisch-deutsche Krieg sein Ende erreichte, verzichtete der König von Dänemark aus alle seine Rechte aus die Herzogthiimer Schleswig, Holstein und Lauenburg zu Gunsten des Kaisers von Oesterreich und des Königs von Preußen und verpflichtete sich, die Verfügungen anzuerkennen, welche dieselben über die Länder treffen würden. Bezeichnend für die ganze Sachlage, die bereits damals auf eine Entscheidung zwischen Oesterreich und Preußen hindrängte, ist es, daß weder ein Vertreter der Herzogthiimer selbst, noch des deutschen Bundes bei den Verhandlungen zugezogen worden war. Die Herzogtbümer, von dänischem Joch befreit, athmeten aus und in ganz Deutschland empfand man die Genugthuung, daß deutsches Land und seine Bewohnerschaft deutscher Ge meinschaft zurückgegeben. Der Staatsanwalt. Kriminal-Roman von Paul Michaelis. (8. Fortsetzung.) Die Stammgäste de» „Prinzen von England waren aufs höchste von ren Vorzügen Linas über zeugt und behandelten sie zwar mit Freimüthigkeit, aber doch zugleich mit großem Respekt. Lina war eben anders als die gewöhnlichen Kellnerinnen, davon war man allgemein überzeugt, und deshalb trat man ihr auch ander» entgegen. Auch wußte sie selbst sehr wohl sich zu schützen und hatte schon manchen Zu dringlichen so gründlich eines Bessern zu belehren verstanden, daß man keine Frechheit ihr gegenüber wagte. Niemand indessen fühlte sich mehr von Lina an gezogen, als Otto Kramer. Kramer war der Sohn eines gewöhnlichen Arbeiters, der neben ihm noch ein halbe« Dutzend andere Kinder hatte. So konnte er denn selbstverständlich trotz seiner ausgezeichneten Begabung auf eine bessere Ausbildung nicht rechnen und mußte sich, nachdem er die Volksschule verlassen hatte, selbst durch die Welt schlagen. ES war doch ein wahres Glück gewesen, daß er in dem Kornge schäft unterkam, in dem er jetzt noch arbeitete; zuerst al« Laufbursche, danach als Arbeiter und Gehilfe. Allmählich hatte er sich dann in das Geschäft einge- arbcitet, er verstand Kauf und Verkauf wohl zu be- urtheilen und nicht selten war ihm eine selbständige Aufgabe dabei zugefallen, so daß seine Arbeitgeber ihn allmählich als ihr Faktotum ansahen und ihn trotz seiner Jugend zu ihrem Lageraufseher machten. Als solcher hatte er, obgleich er noch immer mit den andern Arbeitern zusammen thätig war, eine ange nehme und auskömmliche Stellung, und e» war nicht ausgeschlossen, daß er vielleicht später noch selbstän diger gestellt würde, wenn er nicht vorzog, seine reichen Fachkenntnisse auf eigene Rechnung zu verwcrthen. Aber auch im Uebrigen hatte er mit unermüd lichem Fleiße die Lücken in seiner allgemeinen Bildung ausgefüllt. Wenn er von der Arbeit de« Tage« in sein enge« und niedrige» Stübchen heimkehrte, hatte er seine Bücher hervorgeholt, gelernt und studirt, oft die halbe Nacht, bei schwachleuchtendem Lämpchen und im Winter fast immer bei ungeheiztem Ofen. So war c« ihm allmählich gelungen, sich emporzuarbeiten, seinen Blick zu erweitern und zu vertiefen und ein Verständniß für die Well und für die Aufgaben der Gegenwart zu gewinnen. Dabei konnte er sich doch nie genug thun und immer, wenn er sich wieder ein neue« Wissensgebiet erschlossen hatte, meinte er nur vor größeren Zielen zu stehen und immer weitere Fernsichten sah er vor seinen geistigen Augen eröffnet. So war er fast fünfundzwanzig Jabre alt geworden, ohne daß er bisher Zeit gehabt hätte, an etwa» Andere» zu renken als an seine Arbeit und die Wissen schaft. Und wer weiß, wie lange er noch in solchem Banne gelebt hätte, wenn ihm nicht plötzlich in Lina eine neue Lebensaufgabe aufgegangen wäre. ES war etwa ein halbe» Jahr, seit Kramer Lina zuerst gesehen hatte, und da« brave und hübsche Mädchen hatte ihm von Anfang an gefallen. Zum ersten Male spürte er eine menschliche Regung, die nicht in seinen Büchern Erfüllung finden konnte. Es zog ihn beständig zu ihr hin. Des Tages über dachte er an sie und de« Abend«, wenn er sich weiterbilden wollte, malte sieb unwill kürlich ihr holde« Bild vor sein Auge. Er wurde allmählich in seinem Studium weniger eifrig; immer häufiger trieb es ihn nun des Abend« zu ihr hin und in ihrer Gesellschaft oder wenigstens in ihrer Nähe schien ihm seine freie Zeit erst wirklich würdig verbracht. Er, der bisher die Kneipe fast gänzlich gemieden hatte, wurde nun bei Vater Fritz ein regelmäßiger Gast, der kaum einmal eine» Abend auSblieb. Und wenn er auch nur wenig trank und im Allgemeinen, ohne viel Worte zu machen, stillvergnügt dasaß, so war er doch bald wegen seines bescheidenen und ver ständigen Wesens bei allen Gästen und nicht am wenigsten bei Vater Fritz beliebt und gern gesehen. Auch Lina mochte Kramer gern leiden und ließ sich seine kleinen und schüchternen Huldigungen gern gefallen. Zwar war sie, wie e« in ihrer Stellung und bei ihrer anmuthigen Gestalt natürlich war, von den Gästen etwa« verwöhnt, und eS sagte ihrem Stolz zuerst nicht zu, sich von einem Arbeiter wie es Kramer zu sein schien, den Hof machen zu lassen. Allmählich aber erkannte sie, daß in ihm doch etwa» mehr stecke als in den Andern, und daß er trotz äußerer Unbeholfenheit ein reiche« Wissen und ein treues und gutes Herz hatte. Und so ließ sie zuletzt seine Neigung nicht unerwidert und nahm seine Hul digungen mit stolzer Freude entgegen. Ja ein paar mal, wo sie mit ihm an einem Sonntag-Nachmittag einen Spaziergang gemacht hatte und in einem Tanz lokal der Umgegend sich mit ihm im lustigen Tanze drehte, hakten Beide sich ihre Zuneigung und Liebe gestanden und das Versprechen ewiger Treue mit vielen Küssen besiegelt. Indessen war Otto Kramer keineswegs glücklich; zum wenigsten war sein Glück nicht ohne Bitterkeit. Er empfand eS al« unwürdig, daß Lina als Kellnerin in einer Kneipe leben mußte. Zwar ging es bei Vater Fritz durchaus ehrbar her, und da Lina mit zur Familie gerechnet wurde, so war im Grunde nicht« Bedenkliches dabei, aber trotzdem konnte sich Kramer nicht damit befreunden. Es ließ sich nicht vermeiden, daß Lina auch gegen die anderen Gäste freundlich war und sich dann und wann mit ihnen unterhielt, und das ärgerte ihn und machte ihn eifersüchtig. In dem unschuldigsten Wort sah er dann wohl eine ge heime Verabredung und wenn Lina in aller Harm losigkeit einmal lachte, so meinte er herauSzuhören, daß sie sich über ihn lustig machte. Er quälte sie dann und ärgerte sie mit seinen Vorwürfen, bis sie zuletzt in ihrem verletzten Stolz ebenfalls unangenehm wurde und ihn durch ihr Schmollen nun vollend« zur Verzweiflung brachte. Otto Kramer wäre diesen mißlichen Verhältnissen gern entronnen, aber er sah vorläufig keinen Ausweg dazu. Denn Lina mußte schließlich ein Unterkommen haben, und da ihre Eltern todt waren, war es bei Vater Fritz und seiner braven Frau immer noch am besten. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle ge- heirathet, aber er wollte ihr eine freundliche Existenz bieten, und dazu reichten vorläufig seine Mittel noch nicht aus. Er dachte erst noch etwas zu sparen, um sie in ein hübsches Häuschen führen zu können, viel leicht auch soviel zusammenzubringen, daß er ein eige nes Geschäft oder wenigsten« ein Kommissionsgeschäft anfangen konnte. DaS mochte aber noch immer ein halbes Jahr dauern, und so lange mußte er sich, so ungern er eS auch that, gedulden. Dieser Zwang der Verhältnisse aber machte Otto Kramer mißmuthig und verstimmte ihn und so lebte er denn mit Lina fast beständig in einem kleinen Kriege. Allerdings wurde fast täglich der Friede neu geschlossen, aber ebenso oft wurde er auch wieder ge brochen und die Plänkeleien erneuert. Auch gestern Abesid hatte eS wieder eine kleine Scene gegeben. Ein Gast hatte sich gegen Lina mit einer Höflichkeit und Liebenswürdigkeit benommen, die Otto Kramer als ungehörige Zudringlichkeit erschienen war. Lina aber, weit entfernt, derselben Meinung zu sein, war