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Der Staatsanwalt. Kriminal-Roman von Paul Michaelis. (I. Fortsetzung.) „Wilhelm geht übrigen« nicht wieder nach Berlin," sagte er dann mit Festigkeit, „er tritt au« dem Korps au«! Ich will nicht, daß er verbummelt. Und ich fürchte, er ist auf dem besten Wege dazu." „Ja, da- wird wohl da« beste sein," erwiderte Frau Rettbcrg zaghaft. „Der Junge ruinirt nicht bloß sich selbst, sondern auch uns," grollte der Staatsanwalt weiter. „Da» Gelb ist kaum zu erschwingen, was er verbraucht. Aber da kommen sie in lustige Gesellschaft und werfen das Geld zum Fenster hinaus. Wir schränken un« auf das Aeußerste ein und sparen jeden Pfennig, und wofür? Daß es der Herr Sohn lhöricht verpraßt. Aber wir haben noch andere Kinder, für die wir sorgen müssen. Will er'« nicht Ander« treiben, dann hat das Studium ein Ende; dann mag er wa« Ande res werben. Von mir erhält er dazu nichts mehr." Dann saß er wieder stumm da und blickte mit gerunzelter Stirn vor sich nieder. „Aber trink doch nur wenigsten«," begütigte seine Frau. „Ach, der Appetit ist mir vergangen," erwiderte er ärgerlich. Dann schien er sich zu besinnen, daß die beiden Kleinen dabei saßen. „Nun," sagte er freundlich, obgleich sein Groll noch in der Stimme nachkiang, „seid Ihr fertig? Ihr müßt in die Schule." „Ja, Papa," erwiderte Erna, indem sie vom Stuhl kletterte, eifrig; dann drängte sie sich schüchtern und zärtlich an ihn. „Ich will Dir auch nie Kummer machen, wie Bruder Wilhelm." „Du bist mein liebe- Mädchen," sagte der Staats anwalt, indem er sie aufhob und küßte; „ja. Du wirst immer brav sein." „Ich auch, Papa, ich auch," rief nun auch Wolf gang, dem das Herz etwa« schlug, indem er an seine Bemerkungen dachte, die er vorher gegen die Schwester gemacht hatte. „Nun, da« ist ja schön, mein Junge," erwiderte der Vater. „Nun, seid nur recht fleißig, damit ein mal was Ordentliches aus Euch wird. Aber jetzt macht Euch in die Schule." Die Kleinen hingen dann auch eilfertig die Tor nister auf den Rücken und begaben sich nach einem höflichen „Adieu" geschwind auf den Weg. Der Staatsanwalt sah ihnen mit einem Seufzer nach. „Wer weiß, was noch wird," sagte er trübe. „Wilhelm war auch so, Luise, so fleißig und eifrig; ja er war noch viel besser begabt al« Wolfgang, und nun scheint eS doch, als sollte nichts Rechtes au» ihm werden." „Aber so sieh doch nur die Sache nicht zu schlimm an," tröstete seine Frau. „Wilhelm ist eben jung und lebenslustig. Aber er wird sich schon halten." „Er gefällt mir nicht mehr," erwiderte der Staats anwalt, „er hat etwa» an sich, in seinen Augen, in seinem ganzen Wesen, das mir fremd und unheimlich ist. Ich fürchte, ich fürchte, daß er verdorben ist." „Du siehst zu schwarz," erwiderte Frau Rettberg. „Man darf das nicht zu schlimm nehmen, wenn die Jugend sich auStobt." „Wolle Gott, daß Du Recht hast," erwiderte der Staatsanwalt mit Seufzen. „Jo, man darf nicht verzagen. Und vielleicht wird doch noch etwas Ordent liches aus ihm ... Aber ich muß auf mein Bureau," fuhr er fort, „es wird Zeit." Dann schien er sich zu besinnen. „Wenn er kommen sollte," sagte er milder, „sage ihm jetzt nichts; er mag erst ausschlafen. Heule Mittag will ich eS ihm selbst sagen." Er war ans Fenster getreten und schaute in den herrlichen Morgen, der sich leuchtend und strahlend über die Stadt breitete. Seine Frau trat neben ihn und lehnte sich wie Hilfe suchend an ihn an. Er blickte zu ihr niedör und sah ihr in die Augen, in denen eine Thräne glänzte. „Nun, sei nicht unruhig," sagte er gütig, „eS wird schon noch Alles gut werden." „Und Du willst nicht zu hart mit ihm sein?" fragte sich schüchtern. „Ach, Luise," sagte er, „ich liebe ihn ja auch, und nicht weniger al« Du. Er wird an mir immer einen Vater haben." Dann zog er seinen Rock an und nahm zärtlich von ihr Abschied. Sorgenvoll stieg er die Treppe hinunter, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf die Außenwelt zu achten. So bemerkte er zuerst auch den jungen Mann nicht, der ihm mit unsicheren Schritten, halb taumelnd und wie geistesabwesend entgegcnkam. Erst al» sie fast zusammenstießen, sahen sie sich. Der Staatsanwalt fuhr auf da« Höchste erschreckt zusammen. „Wilhelm!" rief er leise, und seine Stimme bebte vor Zorn und Scham. Der Andere sah jetzt erst auf und blickte ihn blöde an, al» kenne er ihn nicht und als müsse er sich be sinnen, wer da« sei, der ihm da gegenüber stand. E« war ein hübscher junger Mensch, schön ge wachsen und mit regelmäßigen GesichtSzügen, einen zierlichen dunklen Schnurrbart auf der Oberlippe. Doch sah jetzt Alle» an ihm übernächtig und verwüstet aus. Sein Gesicht hatte eine gelblich fahle Farbe, um die Augen lag e« in dunkelblauen Ringen und in seinen Blicken flackerte e« wie unheimliche-, halb erloschenes Feuer. Auch sein Anzug war beschmutzt und unordentlich und der Hut saß ihm zerknittert und schief auf dem Kopfe. ES war offenbar, daß er seinen Vater nicht er kannt hatte, so nichtssagend und leer starrte er ihn an. Die Stimme war wohl nur wie ein fernes Ge räusch an sein Ohr gedrungen, aber ohne daß er sich zu deuten wußte, woher sie komme und was sie sagen wolle. „Wilhelm!" sagte noch einmal sein Vater, fast vom Schmerz überwältigt. So also mußte er seinen Sohn sehen, seinen Erstgeborenen, auf welchen er so stolz war, von dem er so viel erwartet, auf den er seine Hoffnungen gesetzt hatte. Er sollte einst die ehrgeizigen Träume, die sein Vater gehegt hatte, auf die er aber verzichten mußte, weil er mittellos ge wesen war, zur Vollendung bringen und zu irgend einer hohen Stellung im Staate cmporsteigen. Und nun? Da« war er also in Wirklichkeit! Ein Trunken bold, der sich so weit vergessen konnte, daß er die Gewalt über seine Sinne verlor. Wer so tief sinken kann, der hat sich selbst nicht mehr im Zügel: auf den kann man sich nicht mehr verlassen; der ist nicht viel bester als ein Elender. Und dem Staatsanwalt schießt da» Blut in den Kopf und eine Sekunde lang schwindelt eS ihm vor den Augen. Wilhelm schaut ihn noch immer unsicher und blöde an. Aber als ihn der Vater rauh am Arme faßt, scheint er zu sich zu kommen. „Ah . . . Du, Vater?" lallt er und man sieht eS ihm an, wie er sich besinnen möchte. „Das war lustig ... ich bin .. . betrunken . . . Vater." Da bei sieht er ihn scheu und doch mit einer gewissen Verschmitztheit an. . . . „ES war . . . so... lustig." Er lacht laut auf und hält sich dabei an das Geländer, um nicht zu fallen. „Schämst Du Dich nicht, Wilhelm?" sagt sein Vater halblaut, mit Zorn und Grimm; „schämst Du Dich denn gar nicht? Augenblicklich kommst Du zu Bett!" Dabei saßt er ihn stark an und zieht ihn die Treppe hinauf. Doch sorgt er zugleich dafür, daß möglichst wenig Lärm entsteht. „Leise!" flüstert er dem Betrunkenen zu. „Soll auch Deine Mutter Deine Schande sehen?" Und Wilhelm, als ob ihn das etwas zur Besinn ung brächte, schleicht nun mit der Manier der Trunke nen aus den Zehen weiter. Endlich haben sie sein Zimmer erreicht. Gottlob, die Mutter hat nichts gehört! Der Staatsanwalt schiebt ihn vor sich her hinein. „Nun zieh' Dich aus und leg' Dich zu Bett," sagte er. Dann fährt er auf: „Wie siehst Du denn aus? Wo kommst Du denn her? Hast Du Dich gegen eine Wand gelehnt? Dein ganzer Ueberzieher ist ja schmutzig!" „Schmutzig?" sagte jener mit schwerer Zunge. „Das wird schon wieder rein werden." (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Wann ist der Wein flaschenreif? Traubenweine, Beerenobstweine und Obstweine wer den im Haushalte oft in Flaschen gefüllt, bevor sie eigentlich flaschenreif sind, und die Folge davon ist, daß sich ein mehr oder minder starker Satz bildet, der bei der Bewegung der Flaschen sich wieder mit dem Weine mischt und diesen trübt. Ein Wein ist erst bann flaschenreif, wenn die Gährung vollendet ist. Wer Weine in Flaschen absüllen will, sollte immer vorher eine Probeflasche füllen und diese mehrere Wochen einer höheren Wärme, etwa in der Nähe eine» geheizten Ofens, aussetzen. Geht der Wein in der angegebenen Zeit keine Nachzählung mehr ein, so ist er flaschenreif, gährt er aber in der Wärme nach, so muß er noch im Fasse liegen bleiben. Wer mit der Probe schneller fertig sein will, setze eine Flasche des abzufüllenden Weines einige Minu ten einer Temperatur von 60" 6. au». Wenn sich ver Wein bei diesem Erhitzen nicht trübt, kann mit dem Abfällen begonnen werden. Die Reise de« Weines wird in erster Linie durch öftere» Umfüllen beschleunigt. Wer möglichst rasch einen fertigen Wein haben will, darf also da« Ablassen nicht sparen. Dabei darf der Wein mit der Luft nicht in Berühr ung kommen, weil dadurch das Ausscheiden der Extraktstoffe beschleunigt wird. — Bei der jetzigen Obstzeit warnen wir wie derholt vor dem Essen de» Obstes mit der Schale, wenn letztere nicht ganz sauber ist. Bekanntlich sind in dem Staub, der sich festsetzt, zahlreiche Krankheits erreger, sogen. Bacillen enthalten, die durch den Ge nuß von ungeschältem Obst in den vorher gesunden Körper gelangen und so oft unheilbare» Siechthum veranlassen. Auch zahlreiche Mikroorganismen, kleine mit bloßem Auge nicht sichtbare Thierchen, bedecken da» Obst und gelangen so in den Körper. Laßt euch also die Mühe nicht verdrießen und reinigt oder schält da» Obst! — In den Berliner Straßen ist seit einigen Tagen ein geheizter Speisetransportwagen zu sehen, der ven Zweck hat, den in Fabriken und sonstigen Arbeitsstätten beschäftigten Personen die Speisen, welche in ihrer Wohnung oder an anderen vom Ar beitsort entfernteren Stellen für sie gekocht werden, in so warmem Zustande zu übermitteln, al« wenn sie soeben vom Feuer genommen wären. Die Spei sen werden in luftdicht verschlossenen, ganz neu nach Art der Paartöpfe konstruirten Gefäßen, welche den betreffenden Personen leihweise überlassen werden, durch den mit einer zweckmäßigen Heizvorrichtung versehenen Wagen zur Arbeitsstätte gefahren. Die leeren Eßgefäße werden später auf Wunsch vom Wagen wieder zurückgefahren oder auch von dem Empfänger nach Hause getragen. Die Abholung der zubereiteten Speisen geschieht in der Weise, daß der Wagen an den betreffenden Häusern zu einer ganz bestimmten Stunde vorsährt und durch ein Klingel zeichen seine Anwesenheit meldet, worauf ihm die ge füllten Gefäße gebracht werden, die er dann zu einer wieder ganz bestimmten Zeit an ihren Bestimmungs ort bringt. Ein Wagen kann 3M bi« 400 Eßgefäßc aufnchmen. — In Hof in Bayern hat sich ein Gerber das Vergnügen gemacht, eine ganze Elephantenhaut zu gerben, deren Besitzer, ein mächtiges Thier, sie vor neun Jahren auf dieser Erde zurückiieß, als seine Zeit gekommen war. Damals that sie ter biedere Gerbermeister in seine Lohgrube, versorgte sie ord nungsmäßig, und rann ging er wieder an die Arbeit und schuf emsig und redlich neun Jahre lang. Und jetzt ist sie schön lohgar geworren und hat so die ge hegten Erwartungen vollauf erfüllt. ES ist natürlich ein schönes Stück, an Gewicht etwa 20 Centner schwer und an einzelnen Stellen, so am Rücken, fast vier Zoll stark. Sie soll in Leipzig ausgestellt und zum Kauf angeboten werden. — In Danzig zeigt man noch den Kirchenstuhl, wo einst Peter der Große, incognito neben dem Bür germeister der Stadt sitzend, die Predigt anhörte. Als der Klingelbeutel sich vernehmen läßt, greift Peter in die Tasche und legt einen Dukaten vor sich hin. Der Bürgermeister denkt: „Was dieser Fremde leistet, das kannst Du auch"; er langte ebenfalls einen Dukaten heraus und legte ihn vor sich hin. In aller Ruhe legt Peter ein zweites Goldstück neben das erste. Der Bürgermeister desgleichen. So gehl es fort, bis jeder sechs Dukaten vor sich liegen hat. Nun naht sich der Klingelbeutel, natürlich zuerst seiner Magnifizenz, dem regierenden Bürgermeister, der den ganzen Haufen Gold hineinschiebt. Peter aber — opfert nur einen Dukaten und steckt die fünf andern ruhig wieder ein. — Fraglich. Die neunjährige Else (am fran zösischen Konsulat vorbeigehend): „Mama, wozu ist denn eigentlich der französische Konsul?" — Mama: „Daß er seinen Landsleuten in Deutschland beisteht." — Else: „Würde der mir wohl bei den französischen Arbeiten helfen?" — Deutlicher Wink. Feldwebel: „Mehlmann, waS ist denn Ihr Vater eigentlich?" — Soldat: „Fleischermeister, zu Befehl!" — Feldwebel: „Hm, da haben Sie wohl auch zu Hause nicht viel getaugt, daß er so wenig von sich hören läßt!" 1200 äoulseks k^ofessonen u. kv^rle haben Apotheker A. Flügge'» Myrrhen-CrLme -W« geprüft, sich tn l'/, jährigen eingehenden Versuchen von dessen anker gewöhnlicher Wirksamkeit überzeugt und selbigen daher warm empfohlen. Derselbe ist unter No. ss ss» tn Deutschland patentirt und hat sich al» überaus rasch, sicher wirkende und dabet absolut unschädliche septischen, neubtldenden und heilenden Ei^nschaften vorzüglich be währt. Flügge L Co. tn Frankfurt a. 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Gedurtsfälle: 245) .Hedwig Marianne, T. des Maschinen stickers Ernst Gustav Uhlmann hier. 24k) Max Paul, S. des Streckenarbeiters Ernst Wilhelm Kehrer in Blauenthal. 248> Alfred Emil. S. des Maurer« Johann Nepomuk Linkenheil hier. 242) Elara, T. des Herrenschneiders Emanuel Köhler hier. 250) Milda Alma, T. de« Restaurateurs Fran, Friedrich Neef hier. 25 ) Curt Max, S. des Handarbeiter« Carl Friedrich Staab hier. 252) Paula Camilla, T. des Bordruckcrs Paul Cornel Wagner hier. Hierüber: Nr. 247) l unehel. Geburt. «terdefälle: lök) Marie Helene, T. des Maichinensticker« Karl Albert Liebold hier, 2 M. 23 T. >54) Tic Fuhrwerks- bcsitzersehesrau Auguste Anna Schlegel ged. Georgi in Wil- dcnthal, M I. 4 R. N T.