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Herzen", Schauspiel von Richard Roß, Das Stück sand stürm ischen Beifall bei dem ziemlich zahlreich erschienenen Publikum, Die Direktion dürste gut thun, diese» wahrhaft herrliche Schau spiel — welches so recht auS dem Leben gegriffen, nochmals zu wiederholen! — Wir wollen deshalb auch heute noch nichts von dem Inhalt verrathen, und Allen, die e» gestern nicht sahen, fall« die Direktion sich zu einer Wiederholung entschließt — den Besuch angelegentlichst empfehlen. (Ki« gesandt.) Donnerstag, den 27., sowie Freitag, den 28. Septbr. wird das hier weilende und so ausgezeichnet spielende Dresdner Ensemble unter der trefflichen Leitung deS TheaterdirektorS Hrn. Unger da« erste große Gesangsstück unter Mitwirkung der hiesigen Stadtkapelle zur Aufführung bringen, und zwar die hier noch nie gesehene Dellinger schc Operette: „Don C es ar." Wer hätte nicht schon Gelegenheit gehabt, die so populär gewordenen Melodieen auS „Don Cesar" zu hören. Wie z. B. „Komm' herab, o Madonna Theresia", oder: „Ach so ein Mann kann reizend sein." Was nun die Ausführung dieser Operette anbetrifft, so bietet uns Wohl schon der eine Umstand volle Garantie für daS Gelingen, daß Hr. Dir. Unger, dieser so treffliche Künstler, die Titelrolle „Don Cesar" selbst übernommen hat. Auch soll die Gesellschaft bei dieser Operette eine wahrhaft glänzende Garderobe (Spanische Costiime) entfalten. Ein Patrouillengang. AuS dem Tagebuche eines Jäger- von 1870. (Schluß.» langsam, ohne ein Wort zu sprechen, marschirten wir Mann für Mann im Chausseegraben dahin. End lich waren die ersten Häuser erreicht und in ihrem Schutze konnten wir freier weiter marschiren. Stadt ähnlich, jedoch bedeutend reicher an Naturschönheit durch die zwischen und vor den Häuserreihen sich auS- breitenden parkähnlichen Gartenanlagen, reiht sich hier Villa an Billa, der farbige Anstrich der Giebel- und Seitenwanre säst verreckt durch die bis unter'- Dach reichenden Obst- und Weinspaliere, zwischen deren dunklem Laube die Früchte goldschimmernd hervor lugten. O gewiß, da- war ein Ort, so recht für die noble Pariser Welt zum Sommerausenthalt geschaffen, wem es vergönnt war, einige Wochen dem Wirrwarr und Staube der Großstadt zu entfliehen. Wie mochte hier zur Zeit in all den prächtigen Landhäusern mun teres Leben geherrscht, muthwillige Kinkerschaaren diese Parks belebt haben. Doch jetzt war es ruhig und öre in den prächtigen Wohnungen, gespenstisch hallten unsere Schritte in den stillen Straßen — kein mensch liches Wesen bewohnte mehr diese Stätten, seitdem die Furie des Kriege» verderbenbringend über Frank reich ihre Fackel geschwungen. Aber freundlicher Leser, betratest du diese stillen Wohnungen, so konnte cS leicht geschehen, daß du beim Oefsnen irgend einer Zimmerthür höchst erschrocken zurückwichest, wenn unter heftigem Geklirr eine der in jenen Gegenden ziemlich großen Katzen mit kühnem Sprunge durch die Fenster scheibe entfloh. Roch Alles stehet drin aus seinem Platze, Doch still ringsum ist's wie im Grab, Und durch die Prunkgemächer geht die Katze Als Schloßsrau lautlos aus und ab. So waren wir denn leise und vorsichtig bis gegen die Mitte des Ortes gelangt, immer Deckung gegen etwaige Feinde suchend, dicht an den Mauern der Häuser entlang. Doch was war daS? „Halt!" kom- mantirte leise der Lieutenant. Lautlos standen wir gespannt auf jedes Geräusch lauschend. Da — wieder; eS wurde ziemlich laut gesprochen, wie wir jetzt deut lich vernehmen konnten, eS mußten französische Sol daten sein, denn der Ort war ja längst von seinen Einwohnern verlassen. — Ganz deutlich vernahmen wir den Klang der Stimmen und dazwischen Geklirr von Flasche»:, links aus der Seitengasse vor uns. Leise, gleich einer Katze schlich sich der Sergeant bi- zur nächsten Straßenecke; — ein spähender Blick nach der Querstraße und behutsam kam er wieder zu rück und flüsterte leise dem Lieutenant in'S Ohr. Auf «in Zeichen desselben setzten wir uns geräuschlos in Bewegung und rückten bis an die bewußte Ecke vor, ohne eigentlich so recht zu wissen, was geschehen solle, doch daS Gewehr schußbereit zur Hand. Was nun erfolgte, war das Werk weniger Se kunden. Der Sergeant, dem Nächststehcnden die Büchse übergebend, verschwand mit katzenartigem Sprunge um die Ecke, ihm folgte der Lieutenant mit gezogenem Säbel. Neugierig blickten wir ihnen nach, — da sahen wir nun unsere beiden Führer ringend mit einem feindlichen Marinescldaten, doch kein Laut der Kämpfenden wurde laut, denn der Sergeant schloß dem Burschen mit energischem Griffe den Mund, um jeden Zuruf zu vereiteln. DaS Alles war das Werk weniger Sekunden und unser Franzmann war die Ecke herumeSkamotirt, ehe er recht zu begreifen schien, was eigentlich mit ihm geschehe. Zwei Mann der Unseren nahmen ihn hieraus in liebevolle Obhut, der Sicherheit wegen etwa« zurückgehend. Jetzt drängten wir aber vorwärts, denn unser Sergeant hatte voll auf zu thun, um nur all' die Weinflaschen abzunehmen, die von unbekannten Händen au» der Tiefe de« Keller» durch da- niedere Fenster empvrgereicht wurden. Da neben auf der Dorfstraße stand ein großer Karren, bereit» zur Hälfte mit Wein beladen und den wir selbstverständlich jetzt al« gute Beute betrachteten. Unser fleißiger Helfer im Keller, der, wie er später unserm Lieutenant gestand, von der Gefangennahme seine- Kameraden auch nicht da« Mindeste gemerkt hatte, begann nun zu unserem Ergötzen von unten herauf eine lebhafte Convcrsalion, und Sergeant N. antwortete wacker mit: „Oui oui cumeraci!" welche Worte unstreitig die ihm geläufigsten der französischen Sprache waren, deren Geheimnisse zu ergründen und gelegentlich zu verwerthen er sich seit Wochen ver geblich abmühte. Al» e» aber nun nur bet dieser zustimmenden Versicherung, aus alle Fragen de« Wein plünderer» im Keller blieb, mochte denselben wohl eine düstere Ahnung beschlichen haben; die Flaschen hörten auf im Fensterrahmen zu erscheinen, dahin gegen tauchte au« der dunklen Tiefe ein Krauskopf auf und seine GesichtSzüge schienen förmlich zu Ei« zu erstarren, al« er anstatt seine« Kameraden un erblickte und ihm der Sergeant schadenfroh lachend zurief: „Na Aujust jetzt gannste rau« gommen!" und al« die« nicht so recht schnell gehen wollte, ihn beim Schopf erfaßte und an« Tageslicht beförderte. ES war ein Marinesoldat von einem der Fort«, die theilweise zur Vertheidigung der Hauptstadt heran gezogen worden und Elsässer von Geburt, der recht gut deutsch sprach. Er fügte sich gelassen in da« Unvermeidliche und schien erfreut, dem Dienst auf dem Fort entronnen zu sein. Höchst zufrieden mit dem heutigen Erfolge, zogen wir un« zurück, halten jedoch noch Gelegenheit, vier Hüte Zucker im Vorbeigehen au» einem Schaufenster zu erbeuten. Nach Verlauf einer Stunde passirten wir wieder unsere Vorpoftenlinie und gelangten end lich wohlbehalten, wenn auch etwa« müde vom Ziehen de« schweren Karren- auf unserer Feldwache an, be grüßt vom Jubel der Kameraden. Doch eine Enttäuschung erwartete uns noch. Die Zuckerhüte, die so einladend, blendend weiß au« ihrer blauen Umhüllung hervorgelugt hatten, waren eitel Blendwerk. Nur al« AuSstellungS-Objekte dienend, waren dieselben täuschend au« GhpSmasse hergestellt und somit war unsere Hoffnung auf süßen VeSper- kassee zu Nichte geworden; doch dafür war der Wein vortrefflich, worüber nur eine Meinung herrschte. Noch einige Male haben wir in der Folge da verlassene Villendors besucht, doch wurden wir fast immer in Plänkeleien mit feindlichen Patrouillen ver wickelt, und al« dann später gar der Mont Avron vom Feinde befestigt wurde, mußten wir e« aufgeben, un« so weit vorzuwagen, denn schon da« Erscheinen von 3 bi« 4 Mann der Unsrigen genügte, für einige Stunden ein wahre« Bombardement Hervorzurusen. * * * Sollten vielleicht dem einen oder andern meiner damaligen Kameraden diese Zeilen zu Gesicht kommen, so wird er sich mit mir gewiß gern erinnern an die interessante Zeit vor Paris und an jenen lustigen Patrouillengang im Oktober 1870. (Fr. Anz.) Vermischte Nachrichten. — Berlin, lieber da« Begräbniß eine« jüdischen Offizier« meldet eine Lokalkorrespon- denz: Der Offizier a. D. und spätere Bäckermeister Jacob in der früheren Papenstraße, jetzigen Kaiser- Wilhelmstraße, ist unter allen militärischen Ehren am Sonntag Mittag auf dem Friedhöfe der israeli tischen Gemeinde in Weißensee beerdigt worden. I. war einer der wenigen Juden, die e« im aktiven Dienst zum Offizier gebracht haben; in der Reaktions periode nahm I. seinen Abschied und wurde Bäcker meister. Der 78jährige Krieger, der an Altersschwäche starb, wurde am Sonntag Mittag von dem Trauer hause Kaiser-Wilhelmstraße aus unter sehr großer Betheiligung zu Grabe gebracht. Eine kombinirte Kompagnie der Garde-Schützen, bei welchem Truppen- thcil der Verstorbene al« Offizier gedient, sowie die BataillonSkapellc begleiteten den Trauerzug auf den Kirchhof nach Weißensee. Als der Zug sich in Be wegung setzte, intonirte die Kapelle den Choral „Jesus, meine Zuversicht." — Polizei-Agentinnen. Die neueste Er rungenschaft auf kriminalistischem Gebiete bilden Polizei- Agentinnen. Vigilantinnen, die aus Verbrecherkreisen stammen, bestehen schon lange; die Agentinnen nehmen eine höhere Stufe insofern ein, al« sie nicht zur Hefe de« Volke« gehören. Wenn ihnen auch nicht Beamtenqualität beiwohnt, so beziehen sie doch feste« Gehalt, während da« Vigilantenthum von Fall zu Fall für die geleisteten Dienste bezahlt wird. Die 'Kriminalpolizei ist zur Einrichtung von Agentinnen dadurch gekommen, daß erfahrung«mäßig in vielen Fällen die ErmittelungSthätigkeit von Männern auf größere Schwierigkeiten stößt als die der Frauen. Die« ist namentlich dann der Fall, wenn sich die polizeilichen Maßnahmen gegen da« weibliche Geschlecht richten, insbesondere gegen die Frauen, die ohne Scham ihr strafbares Gewerbe in der durchsichtigsten Weise öffentlich anbietcn. Die Vigilantinnen sind nun zur Ueberwachung und Uebersührung jener Frauen beson der« organisirt. Sie treten mit ihnen in schriftlichen und persönlichen Verkehr, verabreden zweck« Ausführ ung bestimmter Aufträge Zusammenkünfte in Gast höfen und an anderen Orten und bereiten die ein zelnen Fälle soweit vor, dzß die Kriminalpolizei im entscheidenden Augenblicke zugreifen kann. Der Erfolg, den die Berliner Kriminalpolizei durch diese Neu einrichtung erlangt hat, spricht für die Richtigkeit der Maßregel. — Ueber die Steigerung der Vieh- und Fleischpreise werden von einem dem Fleischerei betriebe nahestehenden Herrn in einem Eingesandt de» „Chemnitzer Tagebott" sehr verständige Anschau ungen geäußert. E« heißt da z. B.: Da» reichlich gewachsene Futter diese« Jahre« hat die Oekonomen nicht nur Sachsen» sondern ganz Deutschland- ver anlaßt, ihren Viehbestand wieder zu vergrößern; dieselben fangen damit an, daß sie zunächst die Kälber nicht mehr verkaufen, sondern absetzen, dann werden Kühe, auch wenn sie nicht die Quantität Milch geben, die man erwarten könnte, in Folge de« vielen Futter» immer gehalten und nicht zum Schlachten verkauft. Hieraus resultiren also Viehmangel und hohe Preise für Schlachtvieh. Ein« greift nun in'S Andere, und so wirken denn die hohen Preise für Rinder auch schon lange auf solche für Schweine und Schafe ein. Für diese sind seit langer Zeit die Preise ebenso hoch, daß man sich über die Preise für da« Fleisch von jenen nicht wundern darf. Für Kälber müssen die Fleischer gegenwärtig Preise anlegen, die wohl kaum existirt haben dürften, und e» ist nicht zu viel gesagt, wenn inan behauptet, daß e« speziell in Chem nitz Fleischer giebt, die auf da« Fleisch dieser Thiere da« baare Geld legen. Sie thun die« aber nur um sich die Kundschaft zu erhalten, und harren, wenn auch vielleicht vergeblich auf baldige billigere Einkaufs preise. Mit dem Bezug von Schlachtvieh sind wir in Deutschland gegenwärtig hauptsächlich auf Berlin und Husum angewiesen. Die Preise aber, welche an diesen Plätzen gezahlt werden müssen, sind so hoch, daß sich ein Händler kaum noch wagt, einzukaufen, denn er erzielt aus den kleineren Märkten ganz selten wieder den Einkaufspreis. Sammelt man die Stim men au« Deutschland und Oesterreich, dann muß man leider zu der Ueberzeugung kommen, daß wir noch nicht auf dem höchsten Punkt der Preise für Schlachtvieh angelangt sind. Die österreichischen Fleischer verlangen vom Ministerium ein Verbot für ViehauS- fubr und neuerdings auch für Futterausfuhr, weil es im Lande selbst mangelt. Am Rhein können die Fleischer Kälber überhaupt nicht mehr schlachten, weil solche zu theuer im Einkauf sind, und für Rindfleisch dürfte in derselben Gegend der Preis pro kg bald I M. erreichen. AuS Vorstehendem geht nun hervor, daß man nicht glauben darf, daß die Fleischer auS Ueber- muth mit den Preisen aufschlagen, sondern nur der Noth gehorchen. Man soll also nicht auf ein Ge werbe bösgesinnt werden, wenn eS dem Erhaltungs trieb folgt. Fleischer und Viehhändler befinden sich gegenwärtig in einer Zwangslage. — Ein moderner Scheerenschleifer. Schril les Schellengeläute ertönte — so schreibt man au« der Reich-Hauptstadt — in den Höfen der Häuser und auf dem Fahrdamm der Sophienstraße, und dazwischen erklang immer und immer wieder der laute Rus: „Zehn Pfennig kostet'« Scheerenschleifen; erst propir'n und dann bezahl'»." Der auffallende Lärm und da« verlockende Angebot bewirkten, daß zahlreiche Neugierige an den Fenstern erschienen und prüfend aus die Straße blickten. Dort stand ein schmucker Wagen, bespannt mit einem wohlgenährten Rößlein. Auf dem Wagen erhob sich ein einfach und wirkungs voll drapirte« Podium, und darauf sah man hinter seiner Schleifmaschine den modernen Scheerenschleifer; eine hohe, stattliche Gestalt mit klugem Gesicht. Er trug ein kleidsame» Helles Costüm. Der Wagen mit seinem theatralischen Aufputz erregte kein geringe» Aufsehen. Alt und Jung eilte mit den Schneide werkzeugen herbei, und treppauf und treppab rannten schweißtriefend die gleichmäßig hell gekleideten Gehilfen des Meisters, um Scheeren in Empfang zu nehmen und abzuliesern. Jeder aus der den Wagen dicht umdrängenden Menge wollte zuerst bedient sein. Surrend und funkensprühend glitt der Stahl über den Stein; in wenigen Sekunden war er blitzblank und haarscharf. Eine halbe Stunde mochte wobl da» Straßenschauspiel gewährt haben, dann setzte sich der Wagen nach der Roscnthaler Straße in Bewegung. Schreiend und läutend stürzten die Jünger ihrem Herrn voraus, ein dichter Schwarm Neugieriger folgte hinten nach. Es war ein Triumphzug, den der moderne Scheerenschleifer hielt. — „Ausräucherung." Der Königin Marghe rita von Italien passirte, wie geschrieben wird, jüngst eine drollige Geschichte. ES war in Zermatt. Die Königin, Prinzessin Villamarina und Gräfin Belgiojosa hatten einen kleinen Ausflug auf die Berge gemacht und waren dabei von der Zudringlichkeit mehrerer englischer Herren und Damen arg belästigt worden. Ja, ein Trupp von Engländerinnen verfolgte die Königin förmlich auf Schritt und Tritt. Als die Königin auf einem Plateau Rast machte, stellten sich die Engländerinnen um sie her und begafften sie. Die Königin lächelte, zog ihr Cigaretten-Etui hervor und zündete sich eine Cigarette an, worüber die Misse« ungemein entsetzt thaten. Wie steigerte sich erst ihr Entsetzen, al» die Königin auf sie zutrat und jeder eine Cigarette anbot, die natürlich ebenso angenommen werden mußte, wie da» Feuer, da« Prinzessin Villamarina ihnen bot. Nach zwei Mi nuten hatten die Cigaretten die gewünschte Wirkung. Die Engländerinnen schlichen sich eine nach der anderen sachte weg, und die Königin konnte endlich unbelästigt aufathmen.