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siegelt. Sodann hat man Deine sämmtlichcn Werth papiere im Nachlaß GrieSheimS vorgefunden; sie sind in den Händen des Gerichts und ich habe in Deinem 'Namen Arrest darauf gelegt." „Der Verlust dieses Vermögens würde mir jetzt keinen Seufzer mehr entlocken," erwiderte Paula, ge dankenvoll vor sich hinschauend, „derjenige, der mich darum betrog, ist todt, und seine Frau soll nun dafür büßen!" „Nicht dafür, sondern für andere Verbrechen, an denen sie unzweifelhaft theilgenommen haben muß. WaS bewog Dich zu dem Entschluß, mich hier auf zusuchen?" „Die Sehnsncht nach Dir, die durch einen Bries Theodores plötzlich geweckt wurde." „Du wußtest, daß Dein Bruder hier war?" „Ich hatte keine Ahnung davon; meine freudige Ueberraschung kannst Du Dir wohl denken. Theodore lud mich ein, bei ihr in Brunnen Quartier zu nehmen; ich kam gestern Nachmittag dort an und erfuhr im Hotel, daß HallstädtS sich auf dem Rigi befanden und erst heute zurückkehren würden. Gestern Abend erhielt ich ein Telegramm, die Möglichkeit ^berücksichtigend, daß ich inzwischen eingetroffen sein könnte, hatte Theo dore cS vom Rigi abgeschickt. ES enthielt nur die Bitte, ich möchte mich heute Morgen ans das erste von Vitznau kommende Schiff begeben, um Theodore nach Luzern zu begleiten. Das war Alles, und nun fand ich Theodore als Braut meines Bruders! Wie das Alles gekommen war, wurde mir so kurz wie mög lich erzählt, dann mußte ich das hier Vorgefallene er fahren und schließlich wurde der Plan dieser Zusammen kunft berathen." Paula brach ab, Hallstädt und das Brautpaar traten in diesem Augenblick ein. Gustav erhob sich von seinem Sitz, um die Braut und ihren Vater zu begrüßen. Der Kellner servirte das Frühstück. Gustav Barnay dachte nicht mehr an die unerledigte Arbeit. Hallstädt bat um den Brief, den der Agent ge schrieben hatte; auch die Damen wünschten ihn zu lesen. „In der That eine schöne Bande! sagte der alte Herr entrüstet; „jetzt kann man nur bedauern, daß Griesheim todt ist, er hätte sein Leben lang sonst im Zuchthaus Wolle spinnen müssen!" „Die Früchte seiner Thaten hat er doch nicht ge erntet," erwiderte Theodore, „und empfindet er diese Strafe auch nicht, sie hat ihn dennoch getroffen." „Für den Mörder fühle ich kein Mitleid," fügte Paula hinzu, „möge das Gesetz in seiner ganzen Strenge ihn treffen; aber die junge Frau dauert mich. Es ist wahr, sie hat mich verleumdet und ihre Absicht war eS, nur mein Glück zu rauben; aber ist sie nun nicht schwer genug bestraft? Sie hat Alles verloren, den Gatten, den Bruder, ihre Ehre und ihr Vermögen, ihr bleibt nichts übrig, als arm und verlassen in die Fremde hinauSzuziehen, und was dort ihrer wartet, weiß sie nicht." „DaS LooS, das sie erwartet, hat sie verdient!" sagte Hallstädt. „ An Ihrer Stelle, Herr Doktor, würde ich die sofortige Verhaftung beantragen." „DaS liegt nicht in meinen Befugnissen," erwiderte Gustav kopfschüttelnd, „es ist Sache des Richters und ihm will ich gern die Entscheidung überlassen. Ich bin nur verpflichtet, im Auftrage der VersichernngS- Geseüschaft Arrest auf das Geld zu legen, und das soll sofort geschehen." Er hatte sich bei den letzten Worten erhoben, und in seinen Zügen spiegelte sich feste Entschlossenheit. „In einer Stunde spätestens werde ich wieder hier sein," wandte er sich zu seiner Braut; dann stehe ich zur Verfügung, eS ist besser, daß ich jetzt Alles abmache, damit wir später nicht mehr gestört werden." Einige Minuten darauf verließ er das Hotel, um dem Untersuchungsrichter den Brief des Agenten zu überbringen. Schon bei seinem Eintritt in das Bureau des Richters fiel ihm die Erregung des sonst so ruhigen Mannes auf. „Ich wollte eben zu Ihnen schicken und Sie um Ihren Besuch bitten lassen," sagte der Richter. „Wissen Sie bereits, was vorgesallen ist?" „Ich bringe Ihnen die Nachrichten, die ich schon seit einigen Tagen erwartet habe," erwiderte Varnay, während er den Brief auf deu Tisch legte; „das Ver brechen, welches ich vcrmuthete, ist nun auch bewiesen." Der Richter entfaltete den Brief und las ihn; sinnend wiegte er das Haupt. „Ich wußte eS schon," sagte er, „heute Morgen erhielt ich aus Ihrer Heimath ein amtliches Schreiben, worin ich aufgefordert wurde, die Frau Griesheim zu verhaften. Daß Griesheim todt und Gruner bereits verhaftet ist, muß man dort schon wissen." „Ich habe unsere Staatsanwaltschaft davon unter richtet," entgegnete der Advokat, „ich that das, nm sie meinem Antrag geneigt zu machen. Sie werden jener Aufforderung nun wohl Folge leisten müssen." „Ich habe eS schon gethan." „Frau Griesheim ist im Gefängniß?" „Sie steht vor einem höheren Richter." „Sie ist todt?" fragte Gustav bestürzt. Der Richter nickte bejahend. „Wir sanden eine Leiche," sagte er ernst. „Die Erkenntniß, daß sie verloren war, wird sie zu diesem Schritt der Verzweiflung getrieben haben; sie hat in vergangener Nacht Gift genommen. Auf dem Nacht tischchen vor dem Bett fanden wir den an Sie adres- sirten Brief." Gustav Varnah erbrach mit zitternder Hand das Siegel. „Leben Sic wohl, mein noch immer geschätzter Freund," las er; „ich verzeihe Ihnen Alles, was Sie mir angethan haben, vergeben Sie mir nun auch und urthcilen Sie nicht zu hart über meine Verirrungen. Ich will 'Niemand anklagen, weder meinen Gatten, noch meinen Bruder, aber Vieles wäre nicht geschehen, hätte ich an der Seite eines anderen Mannes durch das Leben gehen dürfen. Ich weiß, daß mich das nicht rechtfertigt und daß man mir den gerechten Vorwurf machen kann, ich hatte der Versuchung widerstehen müssen, aber ein Milderungsgrund liegt doch darin und Sie werden ihn gelten lassen. „Ich bin nicht stark genug, die furchtbaren Folgen meiner Handlungen zu tragen, der Gedanke an die trostlose Einsamkeit hinter den Kerkermauern ist zu entsetzlich für mich. Und könnte ich auch dem entrinnen, welches andere Loos würde mich erwarten? Ich habe Schiffbruch gelitten an Allem und aus den Trümmern nichts gerettet, was mir das Leben erträglich machen könnte. „Der Nachlaß meines Mannes wird hinreichen, die Forderungen Ihrer Braut und der Versicherungs- Gesellschaft zu decken, ich bitte Sie, die Angelegenheit zu ordnen und den Rest des Geldes denjenigen zu überweisen, die Forderungen an unsere Hinterlassen schaft erheben sollten. „Und nun noch einmal: Leben Sie wohl und be wahren Sie mir ein freundliches Andenken!" Schweigend überreichte Gustav dem Richter diese Zeilen; wollte er die Wahrheit gestehen, so mußte er sagen, daß ihm ein schwerer Druck vom Herzen ge nommen war. Er erklärte, die Sorge für die Beerdigung der Unglückliche» übernehmen zu wollen, dann kehrte er ins Hotel zurück. Die Nachrichten, die er brachte, trübten die Heiterkeit des frohen Kreises, die ihn hier erwartete; man beschloß, Luzern so bald wie möglich zu verlassen und in die Heimath zurückzukchren. Theo dore verzichtete jetzt gern auf den Aufenthalt am Genfer- See, sic zog vor, den Geliebten auf der Heimreise zu begleiten. Der Prozeß gegen Gruner wurde durch den Selbst mord Elisabeths beschleunigt; die erschütternde Nach richt bewog den Verbrecher zu einem offenen Geständniß. Er hatte seinen Schwager ermordet, um sich in den Besitz des Geldes zu bringen, da er wohl wußte, daß er von Griesheini, sobald dieser abgereist war, nichts mehr erwarten durfte. DaS Gericht verurtheilte ihn zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe und er hatte diese Strafe bereits an- getreren, als Gustav Varnay und der Premicrlieutenant Hagen ihre Doppelhochzeit feierten. Das unterseeische Schiff. Vor einiger Zeit sind in Cadix mit dem nach seinem Erbauer benannten unterseeischen Boote „Peral" Versuche angestellt worden, welche sehr befriedigende Resultate ergeben haben sollen. Der Spanier Patro- cinio de Biedma bringt in der „Nouvelle Revue Jnter- nationalö" eine Beschreibung dieses neuen Wunder werkes der Schiffsbaukunst, die auch unsere Leser interessiren wird. Es heißt darin: Das wunderbare unterseeische Schiff „Peral" ist der Stolz der spanischen Marine und ein Gegenstand des Studiums für die übrigen Seemächte, denn in seinem unbekannten Mechanismus haben die Kräfte des Geistes und die Macht des Willens zur Herstell ung eines unüberwindlichen VertheidigungSmittelS sich vereint. Für den Laien bedarf es einiger Ueberwindung, in diesen eisernen Fisch mit den elektrischen Nerven und der mechanischen Lunge hinabzusteigen, dessen Ein geweide den Auszug aller menschlichen WitzeSkräfte bilden. Die Ausdehnungen des Schiffes sind so un geheuerlich, daß man zunächst den ersten verblüffenden Eindruck zu überwinden hat, ehe man der Bewunder ung für den ausgesuchten Scharfsinn Raum giebt, der die Geheimnisse der Natur ergründete und dieselben sich dienstbar machte. Wenn der erstaunte Blick auf diesen riesenhaften Eisen-Walfisch haftet, dem die zahlreichen Ergebnisse der Wissenschaft Bewegung, Kraft und ein ganz ab sonderliches Leben verleihen, wenn man durch die glänzenden, runden Mäuler des Ungeheuers das Sonnen licht strahlen sicht, erschreckt uns doch der Gedanke, daß aus eben diesen Oeffnungen eines Tages Tod und Verderben und all' die Kriegswetter hervorbrechen werden, die tausendmal unheilbringender sind, als die Blitze des olympischen Jupiter. DaS Gefühl eisigen Schreckens und bitteren Kummers krampft unser Herz zusammen, wenn wir daran denken, daß die hervor ragendsten Triumphe des menschlichen Geistes keinen anderen Zweck haben, als den Sturz und den Unter gang der Menschheit. Auf solche niederdrückende Ge danken antworten die Enthusiasten des unterseeischen Schiffes gewöhnlich mit Ausführungen, die uns paradox scheinen. Sie behaupten, daß der Krieg an dem Tage aushörcn werde, an welchem man das Mittel gefunden haben wird, die von den Völkern aufgespeicherten Kräfte lahm zu legen. Das heißt, daß nicht die Pflicht der Sittlichkeit, sondern die materielle Ohnmacht diesen bcklagenSwerthcn Mißbrauch auSrotten wird. Die Länge des „Peral" beträgt 24 Meter, die Breite 2,?z Meter, sein Deplacement auf dem Wasser ist 79 Tonnen, unter dem Wasser 87 Tonnen. Die HauptbetricbSkraft ist die Elektrizität in den verschieden sten Anwendungen, von welchen die Mehrzahl noch unbekannt ist. Seine größte Fahrgeschwindigkeit ist auf dem Wasser 11 See-Meilen, unter Wasser 10 Meilen die Stunde. DaS Schiff kann auf dem Wasser 355 und unter dem Wasser 326 Meilen ohne Unter brechung znrücklegen. In fallen seinen Bewegungen mit oder gegen den Strom, vor- oder rückwärts, über oder unter Wasser erhält der „Peral" durch die elek trische Kraft eine weit größere Geschwindigkeit, als bisher irgend ein Dampfschiff erreicht hat. DaS sehr schwierige Problem, dem Boote Licht zuzuführen, ist für Herrn Peral der Gegenstand ganz besonderer Studien gewesen. Dank einem System, das unter allen Vorzügen des Werks das BeachtenSwerthestc ist und dessen wunderbare Einfachheit wir bedauerlicher weise nicht beschreiben dürfen, glaubt der Erfinder, das Problem gelöst zu haben. Man rechnet darauf, daß die durchsichtigen Wellen dem' Schiffe genügendes Tageslicht zufllhren werden. Um aber nicht unter dem nächtlichen Dunkel und unvorhergesehenen Schatten zu leiden, besitzt das Schiff einen vollständigen Apparat für elektrische Beleuchtung. Auch die für die Mann schaft eines unterseeischen Schiffes so wichtige Frage der AthmungSmöglichkeit ist mit der größten Sorg falt studirt worden. Es ist eine für zwei Tage unterseeische Fahrt ausreichende künstliche Atmosphäre hergestcllt worden, die der Gesundheit durchaus nicht nachtheilig ist und deren Einathmen auch beini Ueber- gang zur natürlichen Luft keine Unannehmlichkeiten zur Folge hat. Das unterseeische Schiff wird ohne die geringste Gefahr in einer Tiefe bis zu dreißig Metern fahren können. Dank einer automatischen Einrichtung kann es im Gange oder vor Anker in seiner jeweiligen Lage festgehalten werden. Torpedos können an Bord aufgestellt und ohne die geringste Schwierigkeit abgeschossen werden. Die auf dem Schiffe befindlichen Personen, acht bis zehn an der Zahl, können nur eigens für diesen Zweck zubcreitete Nahrung zu sich nehmen, dürfen aber ohne Schaden für die schein bare Luft des Schiffes nach Belieben rauchen. Die verschiedensten Mechanismen, deren Zusammenwirken die Kraft und Lebensfähigkeit des unterseeischen Schiffes ausmachen, sind einzelweise mit dem glücklichsten Er folge versucht worden. DaS Projekt der unterseeischen Schifffahrt war seit dem Jahre 1885 vollendet. ES war das Ergebniß einer patriotischen Aufregung und entsprang der Furcht vor einem Seekriege zwischen Spanien und Deutsch land. Ohne alle die Zwischenfälle und Schwierig keiten, die jedem Erfinder in den Weg kommen, würde der „Peral" schon seit drei Jahren unter dem Wasser schwimmen. Die braven Seeleute, die im Innern dieses Riesenbaues von Kupfer und Stahl lächelnd und vergnügt ihrer gefahrvollen Reise entgegensetzen, behaupten, daß sie um keinen Preis kindische Sicher heitsmaßregeln treffen würden, die ihr Werk nur lächerlich machen könnten. Voll Vertrauen in die Wissenschaft werden sie die kleine, schuppenähnliche Oeffnung des Ungeheuers schließen und werden sich für zwei bis drei Tage von der Welt der Menschen entfernen, um den Versuch zu wagen, den ihnen die Liebe zum Vaterlande und die Liebe zur Wissenschaft auferlegt. Der Marineminister und zahlreiche Vertreter der Presse haben dem Stapellauf de« „Peral" beigcwohnt, ein Kriegsschiff folgte ihm bei seinen ersten Be wegungen. Der Wahrer Linkende Mote für 18SS, der soeben er, schienen ist, verdient wiederum die höchste Beachtung. Man bestrebt sich in manchen Kreisen, dem Volke volksthümNche Literatur zu schaffen, und übersieht dabei, daß unsere besten Kalender, zu denen der Hinkende in erster Reihe gehört, immer noch echt volk-thümlich sind. Da ist auch kein einziger Beitrag in dem neuen Jahrgange des Hinkenden, der nicht als vortreff lich« Kost für die weitesten Kreise gelten müßte, bekannte und unbekannte Berfaffer wetteifern, das Herz der Leser zu packen, sie zu rühren, zu erholen, zu erfreuen. Namm wie Hermine Billinger, E. Menzel (von ihm die wirklich vortreffliche Er zählung „Der Waldhannei"), Hermann Heiberg, August Sil berstein usw. sprechen für sich selbst, aber auch die ungenann ten Berfaffer erweisen sich ali tüchtige Schriftsteller; die Er zählung aus dem Orient z. B. „Was ein guter Rath Werth sein kann" könnte in jeder „klassischen" Märib-nsamnilung stehn. Groß ist diesmal die Anzahl köstlich erzählter Anek doten. Die Darstellung der Wellbegebenhetien verräth wie immer vaterländisches Gemüth und klaren Blick wie reichen Humor. — Der Große Volkskalender bringt, noch eine weitere Anzahl trefflicher Beiträge und kann den höchsten An sprüchen genügen, bleibt aber dabei immer Kalender, wird nicht eine beliebige belletristisch« Samnilung, die sich wie so manche Kalender nennt. Druck und Verlag von L. -anuebohn in Eitrnftock.