Volltext Seite (XML)
obgleich eS rechl gewagt war. Jedenfalls wollte die Tante am Abend Gelegenheit nehmen, wieder mit der 'Nichte zu sprechen und dabei schon nach dem neuen Feldzug-plan operiren. Die Tafel war beendet, man zog sich allgemein auf die Zimmer zurück, c« war unerträglich heiß, um 4 Uhr sollte gemeinsam der Kaffee vor dem Hotel getrunken werden und gegen Abend wollte man erst einen gemeinsamen Ausflug in die Berge unternehmen. Hertha setzte ihren Strauß ins Wasser, stellte das GlaS ans Fenster und setzte sich mit einem Buche daneben; Tante Bertha vertauschte ihr stattliche« Seidenkleid mit einem leichten Frisiermantel und legte sich mit der Zeitung in der Hand aufs Sosa und Hertha blickte erwartungsvoll hinüber zu der Ruhen den, ob nicht wenigsten« eine Fluth von Ermahnungen sie treffen würde, zu wirklichem Schellen war die Tante nach dem Essen zu angegriffen, aber eS blieb Alle« still und sie vertiefte sich kopfschüttelnd in ihr Buch. Daß sie nicht mit solcher Aufmerksamkeit las als sonst, und daß der Held des Roman« Rudolf sprechend ähnlich sah, bewirkte gewiß ihre Müdigkeit. Als sie die sanften Athemzüge vom Sofa her vernahm und das Zeitungsblatt leise zur Erde rauschte, legte auch Hertha da« Buch zur Seite und schloß die Augen, um noch einmal im Geiste an den Jlsefällen zu wan deln. Tiefe Stille herrschte in dem großen Zimmer, die Sonne spielte zitternd an den Wänden, eine Fliege summte ein Schlummerlied und Gott Amor lachte schelmisch aus den duftenden Rosen neben der jugendlichen Schläferin. Die beiden Freunde saßen indessen auf ihrem Zimmer und August kündigte dem Freunde an, nun mehr bald wieder unter seinem eigentlichen Namen ouftreten zu wollen. »Du warst wirklich liebenswürdig, alter Rudolf, daß Du mir vorschlugst, als Herr v. Secken-Elmen- hof aufzutreten, ich habe nun alle alten Tanten auf dem Halse und Du genießest indessen die hübschen Richten!" „Aber, lieber Gustel, warum hast Du der alten Hanke gleich so viel vorgeprahlt, nun kannst Du sehen, ob es so vortheilhaft ist, reich zu sein. Stelle Dir vor, wie es mir in Berlin ergangen ist, da stürmten gleichzeitig drei bis vier Parteien auf den reichen Gutsbesitzer ein, von der Großmutter an bis hinunter zur Tochter selbst, hier hast Du doch nur die Tante, die Dich nicht loßläßt, denn die kleine Hertha, finde ich, giebt sich weiter keine Mühe uni Dich! Du mußt nun schon ruhig Deine Rolle weiter spielen, wir können doch unmöglich jetzt eingestehen, daß wir Alle nur genarrt haben, bedenke doch da« Aufsehen, Gustel, und sei vernünftig!" „Ich soll vernünftig sein und Du amüsirst Dich indessen himmlisch, alter Gourmand Du!" grollte August, „wie lange gedenkst Du denn noch hier zu bleiben?" fügte er hinzu. „Das weiß ich selbst noch nicht, wir sind ja erst gekommen!" meinte Rudolf zögernd. „Dann reise ich eventuell früher als Du, wenn mir die Sache zu langweilig wird, einen Tag macht so etwa« Spaß, aber dann wird's unangenehm!" be stimmte Gustel. „Da hast Du recht, das finde ich auch!" bestätigte Rudolf und streckte sich behaglich aufs Sofa. — Gegen vier Uhr weckte ein starkes Gewitter, ver bunden mit heftigem Regen, fast alle Schläfer de« Hotels gleichzeitig, förmliche Wasserfluthen strömten vom Himmel und im Nu war der ganze Garten unter Wasser gesetzt. Dabei zuckten unaufhörlich fahle Blitze und der Donner machte das Haus er beben. Die ganze Gesellschaft fand sich unten im Eßsaale ein, Jeder hatte da« Bedürfniß, unter Menschen zu sein. Trotz der noch frühen Stunde war es dunkel hier unten und nur der Blitz erhellte ab und zu das weite Gemach; der Wirth schloß die Läden und zündete die Lampe an und Tante Bertha war froh, daß sie das Taschentuch von den Augen wegnehmen konnte, sie fürchtete sich schrecklich vor dem Gewitter und zu Hause pflegte sie stets ihr Haar aufzustecken — Eisen zog ja den Blitz an — und sich in die Mitte des Zimmers zu setzen. In einer Zeitschrift hatte sie gelesen, daß man in Federn am sichersten sei, seit der Zeit hatte sie sich immer gleich unter thurmhoch auf gepackte Betten verschanzt; heute mußte sie alle Energie zusammennehmen, wa« würde Herr von Secken sagen, wenn er ihre Angst sähe; auf dem Lande gab eS ja noch öfter Gewitter. So war sie froh, daß wenigstens die Laden geschlossen waren, sie sah doch so den Blitz nicht und konnte beim Donner sich fest an den Tisch klammern, um eine Stütze zu haben. Noch mitten im Gewittertoben fuhr ein Wagen vorS HauS, und die jüngere Baroness: von Spiegel, die ihrer Nichte entgcgengesahrcn war, trat mit einem reizenden jungen Mädchen, in Herthas Alter, in den Saal. Alice von Spiegel war eine schlanke, zarte, Helle Blondine, dunkelblaue Augen lachten fröhlich in die Welt, die Besitzerin hatte noch kein Kummer betroffen. Alice« Vater war ein sehr vermögender Gutsbe sitzer, seine Frau, eine Gräfin KönigSeck, hatte ihm auch noch bedeutende Kapitalien zugebracht und Alice war das einzige Kind. Hertha trat freundlich auf da« junge Mädchen und dessen Tante zu und half ihnen die Regenmäntel abnehmen, dann faßte sie Alice, die die Tante ihr indessen vorgestellt hatte, vertraulich unter den Arm, führte sie vorstellend zu den älteren Damen und nahm sie dann mit an ihr Tischende, wo die Jugend Kaffee trank. Alice war gar nicht verlegen und ihr Helles Lachen schallte bald fröhlich in den Saal. Das Gewitter hatte sich verzogen, doch war eS zu naß, um ins Freie zu gehen, man begab sich daher in das Musikzimmer und Alice spielte ohne alle Ziererei niedliche Salonstücke vor. Die älteren Herrschaften waren nach und nach der Jugend gefolgt und nahmen die Sofa- und Lehn stuhlplätze ein. Tante Bertha schoß Blitze der höchsten Wuth aus ihren grauen Augen, denn August beküm merte sich nur noch um Alice, er hatte Tante Bertha kaum beachtet und die kokette Person, wie sie da reizende Blondköpfchen in Gedanken betitelte, war von solcher Freundlichkeit gegen ihn, daß er immer feuriger wurde, die alte Spiegel mochte sie wohl gehörig in- struirt haben, die Kupplerin. ES ging zu Tisch und August reichte mit chevale- reSker Verbeugung Alice den Arm, Rudolf führte Hertha. Aber was lag der Tante daran, der arme Jäger lieutenant half ihr gar nichts, im Gegentheil, durch seine Aufmerksamkeit gegen Hertha hielt er noch andere wirkliche Bewerber fern. Aber Tante Bertha sollte sich heute noch mehr ärgern. Man saß schon eine Weile beim Abendbrod und die Plätze von Frau Ullrich und ihrer Tochter waren noch leer, ebenso fehlte Or. Bock, der Privat dozent aus Halle. Or. Weiß mit seiner reizenden Frau waren auch etwas später gekommen und erzählten, Bock sei Hono rarprofessor in Tübingen geworden; eS wäre dies eine große Auszeichnung und eine pekuniär sehr gute Stell ung, und Tante Bertha spann in Gedanken wieder Fäden daran für die Nichte. Sollte sich Secken defi nitiv für die dumme kleine Spiegel entscheiden, so war ein gut dotirter Professor doch immerhin auch eine annehmbare Partie! (Schluß folgt.) Vermischte Nachrichten. — Vom VIII. Deutschen Turnfest. Als am Mittwoch Abend die Festfeier ihrem Ende nahte, welche bekanntlich mit dem Einmarsch in die Stadt unter Fackelbeleuchtung und Illumination sämmtlicher hervorragenden Gebäude und Denkmäler BreSlauS endigte, wurde in der Festhalle zum Schluß nach stehende, von hohem Patriotismus getragene Dichtung behufs allgemeinen Gesanges zur Vertheilung gebracht, die auch außerhalb der Turnerkreise sympathische Auf nahme finden wird. Dieselbe lautet: AbschiedSgruß. Mel.: „Deutschland, Deutschland über AlleS" rc. Deutsche Turner, wollt Ihr scheiden? Ist das Wettkamps spiel am Schluß? Nehmt aus Wratislawia's Mauern ein „Gut Heil" zum AbschiedSgruß: Kehrt, gestärkt an Leib und Seele, in die Gau'n, die Euch gesandt. Sagt, Ihr fandet deutsche Herzen auch bei uns im Schlesier- land! — Grüßt die deutschen Brüder alle, jeder Stamm sei hoch geehrt! — Grüßt den Kaiser auf dem Throne, grüßt den Bürger an dem Herd, Grüßt im Nord die freien Städte, grüßt im Süd den blauen Strom, Grüßt das Wasgau, Deutschlands Westmark, und die Stadt mit hohem Dom! — Friese von den Nordlandsgauen, „edler, freier", bring' den Gruß Deiner meerumschlung'nen Heimath von dem Nix im Oderfluß,— Bied rer Sachse, grüß' Dein Leipzig und die Slädt' im Elbethal Von den hohen Riesenbergen und dem Berggeist Rübezahl! — Franke von dem Rheingestade mit den Burgen, groß und klein, Grüß' mir Deine Rebenhügel, — „grüß' mein Lieb am grünen Rhein", — Du vom Neckar, Du vom Maine und Du von der Donau Strand, Grüß' Dein Seb Waben, grüß' Dein Bayern: Hand und Herz dem Vaterland! — Bleibet deutsch, wo Ihr auch weilet, wo Euch Gottes Sonne scheint, Bleibt in deutscher Lieb' und Treue immerdar und sest vereint. Hier die Rechte, treu und bieder, legt noch einmal Hand in Hand, Gott besohlen, Turnerbrüder, Gott mit unser,» Vaterland! — — Itzehoe. Einen lehrreichen Beitrag zur Frage vom unlauteren Wettbewerb haben zwei Jtzehoeer Firmen geliefert, die sich in einer recht eigenthümlichen Weise Konkurrenz gemacht haben. Die Manufakturwaarenfirma S. hatte, nach dem Kons., einen Posten Gardinen für 8 Pf. da« Meter gekauft. Um nun diesen Artikel al« Lockmittel zu benutzen, annoncirle sie in den Zeitungen „Gardinen für 6 Pf. da« Meter". Lin Konkurrent F., der nebenan wohnt, beauftragte eine Frau, sich von diesen billigen Gar dinen LO Meter zu kaufen. Am nächsten Tage fanden die Einwohner von Itzehoe eine Annoce in der Zeit ung, in welcher die Firma F. „Gardinen für 4 Pf. da« Meter" anbot. Der Kaufmann S. war nun neugierig, diese Gardinen, die noch billiger waren, al« seine eigenen, kennen zu lernen, und gab Jemand den Auftrag, LO Meter von diesen Gardinen zu kaufen. Man kann sich seine Ueberraschung vorstellen, als er seine eigenen Gardinen wiedersah. — Eine Nacht voll Schrecken hat der Gärtner Boek au« dem Dorfe Schwarzbach bei Fulda durchgemacht. Der etwa bOjährige Mann war zum Kirschenpflücken auf einen ganz jungen Stamm ge stiegen, glitt jedoch von dem durch den Regen schlüpf rig gewordenen Baum ab, wobei ein Fuß sich zwischen zwei Beste verfing, sodaß Boek mit dem Kopfe nach unten hängen blieb. Trotzdem behielt er seine Be sinnung, holte sein Taschenmesser hervor und suchte den Stamm zu durchschneiden. Al« ihm die« zur Hälfte gelungen war, entfiel das Messer seinen Hän den. Nunmehr suchte Boek, sich mit den Armen auf einen etwa« tiefer stehenden Ast stützend, sich aus seiner verzweifelten Lage zu befreien. Auch dieses mißlang, und nun fühlte Boek, wie ihm da« Bein im Knöchel brach. Der Unglückliche wurde am andern Morgen, nachdem er 16 Sunden in dieser qualvollen Lage verbracht hatte, bewußtlos, indessen noch lebend aufgefunden und aus seiner gräßlichen Lage befreit. Da der Zustand sich bi« zur Stunde etwa« gebessert hat, hoffen die Aerzte, daß Boek mit dem Leben ta- vonkommt. — Eine Dame aus Norddeutschland schreibt Folgendes: „Zu Nutz und Frommen aller der uner fahrenen erwartungsvollen Reisenden, die das erste Mal nach Italien gehen, möchte ich ein nicht gerade sehr amüsante«, aber lehrreiches Erlebniß erzählen. Wir befanden uns, mehrere Damen und meine Wenig keit mehrere Male in Italien und logirten stet« in den bestens Hotels. Bei unserer Ankunft fiel e« mir stets auf, daß die Hotelangestellten, sowie sie unser Gepäck gewahrten, sich flau und übel gelaunt zeigten, dasselbe auf das Zimmer zu cxpediren, trotz meines Bittens blieb dasselbe einfach bi« zuletzt liegen unter mir unverständlichen Bemerkungen. Befremdlich war außerdem, daß unsere Keffer außer den bekannten Hoteladresscn noch mit so und so vielen „Kreide- Kreuzen" versehen waren. Wir ärgerten uns, wie häßlich beschmiert Alles auSsah — ahnten aber nicht, welch' schlechtes Signalement wir vor Aller Augen mit diesen Kreide-Kreuzen mit un« führten. Ein ge schwätziges Zimmermädchen auf Capri löste mir endlich mit Hohnlächeln das geheime Räthsel. „Sie brauchen sich doch nicht wundern", meinte sie, „wenn Sie nirgends gut und schnell bedient werden ; wenn Jemand mit so viel Kreuzen in'S HauS kommt, da weiß Jeder von un« Bescheid, was er zu thun und — zu lassen hat. Ein solches Kreuz ist die stumme Empfehlung des letzten Hausdiener« für den nächsten, wenn auch unbekannten Kollegen, dem das Gepäck wieder in die Hände kommt. Die Zahl und Größe der Kreuze be deuten die Unzufriedenheit mit dem Trinkgelde und die geheime Aufforderung für Die, denen das Gepäck gehört, „bemühe Dich nicht sehr rc., sie zahlen schlecht"." Später hörte ich noch öfter von diesem Hotel-Geheim- niß. Wer nicht ein Gleiche« erleben will, dem ist zu rathen, nicht mit Trinkgeldern zu kargen — überhaupt ein Erforderniß ersten Range« für eine italienische Reise — und andererseits wenigstens die jeweiligen Kreuze, die sich mitunter sogar auf dem Kofferboden befinden, schleunigst wieder zu entfernen. — Noch besser scheint es, bei dcr Abreise auf sein Gepäck zu achten und bei dcr Wahrnehmung solcher Schmierer eien sich sofort an die Hotelverwaltung zu wenden, die in jedem anständigen Hause Remedur schaffen wird. Freilich darf man nicht bi« 10 Minuten vor Abgang beS Zuge« im Belt liegen bleiben." — Eine eindringliche Warnung vor un überlegter Auswanderung nach Amerika enthält der Geschäftsbericht der „Deutschen Gesellschaft" in New-Aork. „Wiikliche Landarbeiter ausgenommen", so heißt e« in dem Bericht, „welche im Frühjahr und Sommer im Westen stets auf Arbeit rechnen dürfen, können wir keinem Arbciissuchcnden Hoffnungen machen und wiederhclen daher unsere alljährlichen Warnungen an Handlungsdiener, Lehrer, Schreiber, Gelehrte, Pre diger, Telegraphisten, Beamte und namentlich an Stu denten und Offiziere, sich nicht, selbst unter den un günstigsten Verhältnissen, unter denen sie drüben zu leiden haben mögen, zur Auswanderung zu entschließen. Für diese Klasse von Leuten ist positiv keine Aussicht, weder im nächsten Jahre, noch später. Da« so häufig ausgeführte Vorgehen, ungerathene Söhne nach der „großen Besserungsanstalt Amerika" abzuschütteln, um sie „die Schule des Leben« durchmachen" zu lassen, und sie durch Noth und Entbehrung zu zwingen, sich an ungewohnte Arbeit zu gewöhnen, ist ein verwerf liches. Auch Damen aus besseren Ständen, welche hoffen, in Amerika als Gesellschafterinnen, Erzieher innen, Kindergärtnerinnen, Vorleserinnen und in anderen bevorzugten Stellungen ein Unterkommen zu finden, ist unter den jetzigen Verhältnissen, welche selbst wohlhabenden Familien Einschränkungen auf erlegen, die Auswanderung nicht anzurathen. Für Dienstmädchen zu allgemeinen Hausarbeiten ist da gegen selbst in schlechten Zeiten noch ein ergiebige- Feld, und können dieselben mit Sicherheit darauf rechnen, sofort Stellen und guten Lohn zu finden." — Ueber eine Hochzeit auf Kündigung berichten amerikanische Blätter: Jolly Jenny Joyce, eine der beliebtesten Soubretten Amerikas, hat sich