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der ihm aufgebllrdeten Schuld, Ihnen wicdergegeben wird. Wenn ich Ihnen das sage, so dürfen Sie es ruhig glauben!" Er legte die Hand auf sein Herz und da« offene zuversichtliche Lächeln, womit er Siglinde anblickte, erfüllte diese mit einem beseligenden Muthe. „Und das Glück, meinen greisen Vater wieder in meine Arme schließen zu dürfen, verdanke ich Ihnen," sagte sie mit den Thränen eine« überwältigenden Dank- barkeitSgefühls in den schönen blanen Augen, „ver danke ich Ihrem geheinmißvollen Walten, Ihrem rast losen Forschen und Wirken, Ihrer aufopfernden Reg samkeit. O, welcher Lohn wäre groß genug, nm Ihnen das Alles zu vergelten?" (Schluß folgt.) Die neue Einheitszeit in Deutschland. Ei» „Zeitereigniß" im wahrsten Sinne des Wortes hat sich am vergangenen Sonnabend, als den I. April, im Deutschen Reiche vollzogen: die Einführ ung der sogenannten mitteleuropäischen Zeit von reichSwegen. Denn am genannten Tage trat das vom deutschen Reichstage erst kürzlich genehmigte Gesetz in Kraft, laut welchem die bisherige Ver schiedenartigkeit der Ortszeiten in Deutschland durch eine besondere Einheitszeit, eben die mitteleuropäische, ersetzt wird. Dieselbe basirt aus dem nach langen Verhandlungen zwischen den meisten Kulturstaaten vereinbarten „Stundenzonensystem" wonach die Erd oberfläche in 24 Zonen von je fünfzehn Längen graden und je einstündigen Zeitabschnitten getheilt wird. Eine dieser Zonen ist die mitteleuropäische, sie umfaßt Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Italien, die Schweiz, Dänemark und Skandinavien, und hier ist als maßgebende Linie der 15. Längengrad östlich von Greenwich in England angenommen worden. Letzterer theilt Deutschland bezüglich seiner Ausdeh nung in geographischer Länge in zwei nahezu gleiche Hälften und stellt sich als eine Linie dar, auf welcher von bedeutenderen Orten die Städte Stargard in Pommern und Görlitz liegen, weshalb man auch von einer Stargarder oder Görlitzer Zeit spricht. Die Einführung dieser Zeit beseitigt die bisherige Ge pflogenheit, daß bei uns die Uhren in jedcin Städt chen und in jedem Dörfchen selbstständig nach dem Stande der Sonne regulirt wurden, woraus sich innerhalb der Rcichsgrenzen verhältnißmäßig bedeu tende Zeitunterschiede ergaben. Dies hat nun vom 1. April an aufgehört, da von diesem Tage an die mitteleuropäische Zeit für das gesammte öffentlich" Leben in Deutschland maßgebend geworden ist und alle öffentlichen Uhren ein und dieselbe Zeit aufzu weisen haben, alle Behörden, Verkehrsanstalteu u. s. w. müssen jetzt nach dieser einheitlichen Zeit rechnen. Zum besseren Berständniß dieser Einheitszeit seien einige geographische Bemerkungen vorausgcschickt. Jeder Ort der Erde hat seine bestimmte Zeit, die nian Orts zeit nennt und nach Aufgang, höchstem Stand und Untergang der Sonne bestimmt wird. Unsre Erde muß sich, wie alle Planeten um ihren Fixstern be wegen, damit alle Orte von ihm erleuchtet werden. Sie legt diesen Weg von West nach Ost zurück, braucht dazu eine Zeit von 24 Stunden und es wird dadurch der Wechsel zwischen Tag und Nacht bewirkt. Diese Bewegung ist-eine so bedeutende, daß jeder Ort am Aequator in den 24 Stunden einen Weg von 5400 deutschen Meilen zurücklegt. Auf unsrer Erde denkt man sich nun verschiedene Kreise, Breiten- und Längenkreise, welche Grade ge nannt werden, gezogen, durch welche cs möglich ist, die Lage eines Landes oder einer Stadt genau zu be stimmen. Die Breitengrade gehen parallel mit dem Aequator nach Nord und Süd und werden immer kleinere Kreise, so daß der letzte an den Polen nur einen Punkt bildet. Die Längengrade durchschneiden die Breitengrade und laufen vom Nordpol durch den Aequator nach dem Südpol und auf der andern Erd hälfte wieder durch den Aequator nach dem 'Nordpol zurück. Solcher Kreise denkt man sich 180 ganze oder 3M halbe gezogen, und da jeder ganze Kreis den Aequator zweimal schneidet, so entstehen aus dem letz teren 3M Thcile oder Grade. Auf jeden solchen Grad kommen am Aequator 15 Meilen, denn 5400 Meilen getheilt durch 360 giebt 15. Wenn nun unsere Erde zu ihrer Umdrehung 24 Stunden braucht, so durchläuft sie in 1 Stunde 15 Grad und in 4 Mi nuten 1 Grad. Da nun die Längengrade von West nach Ost gezählt werden, so bekommen die von uns aus östlich gelegenen Orte die Sonne des Morgens eher zu sehen al« wir. Geht z. B. den Bewohnern unterm 2. Grade östlicher Länge die Sonne auf, so müssen die Bewohner unterm 1. Grade noch 4 Mi nuten warten, ehe sie den Sonnenball zu sehen be kommen. Wo fängt man nun diese Längenkreise an zu zäh len ? Jeder kann al- 1. Kreis angenommen und von ihm- au« »ach Ost oder West gezählt werden. Früher nahm man den Längenkreis, welcher die Insel Ferro, eine von den kanarischen Inseln an der Westküste von Afrika, durchschneidet, als den ersten an. In neuerer Zeit gilt aber allgemein der als erster, welcher über die Sternwarte zu Greenwich bei London geht und die meisten Atlanten und Globen folgen diesem Gebrauche. Auch unsre mitteleuropäische Zeit wird darnach berechnet. Das Kaiserthum Deutschland liegt zwischen dem 6. und 23. Grade östlicher Länge von Greenwich. Die westlichst gelegene Stadt «n Deutschland ist Aachen unterm 6. Grade, die östlichst gelegene aber Eydkuhnen unterm 23. Grade östlicher Länge. Reist nun Jemand von West nach Ost, so wird seine in Aachen richtig gestellte Uhr, wenn er nach Eydkuhnen kommt, um 68 Minuten nachgeh en, denn beide Städte liegen 17 Grad von einander entfernt, und da auf jeden Grad 4 Minuten kommen, so muß dies eine Differenz von 17 mal 4 Minuten — 68 Mi nuten geben. Reist man aber von Ost nach West, so wird die Uhr vorgehen. Würde man noch weiter nach Osten reisen, etwa bis Peking in China und unterwegs die Uhr nicht umstellen, so würde dieselbe von Berlin aus gerechnet um 7 Std. 28 Mi», nach gehen, denn Berlin liegt zwischen dem 13. und 14. und Peking zwischen dem 125. und 126. Grade östlich von Greenwich, das giebt eine Differenz von 112 Grad oder 448 Minuten. ES finden demnach in jedem Augenblicke auf der Erde alle Zeiten des Tages statt und nur die Orte, welche nördlich oder südlich unter demselben Längengrade liegen, haben gleiche Zeiten des Tages, so haben Stockholm, Berlin, Triest und Tripoli in Nordafrika zu gleicher Zeit Mittag, weshalb auch diese Längenkreise Mittagslinien oder Meridiane genannt werden. Diese Verschiedenheit der Tageszeiten an allen Orten der Erde mit verschiedener Länge beruht somit auf einem Naturgesetze und kann nicht geändert wer den, wohl aber lassen sich an den in verschiedener Länge liegenden Orten die Uhren einheitlich stellen, so daß durch Vereinbarung eine künstliche Einheit innerhalb eines bestimmten Territorium, also eine Landeszeit geschaffen wird. Die Rothwendigkeit dafür leuchtet namentlich auf den, Gebiete des Eisenbahn-, Telegraphen- und Telephonweseus ein und fast in allen Landern, in denen dasselbe eine wichtige Rolle spielt, hat man daher an Stelle der Ortszeit eine Landes- oder Normalverkehrszeit cingesührt. Gewöhn lich ist als solche die Zeit einer wichtigen, möglichst central gelegene» Stadt, meist die der Hauptstadt, gewählt worden. So hatte Württemberg als Normal zeit die Stuttgarter, Bayern die Münchner, Baden die Ortszeit von Karlsruhe und die Schweiz die Berner Zeit angenommen. Um nun aber eine vollständige Einheit in ganz Mitteleuropa zu verwirklichen, ist vom 1. April an die mitteleuropäische Zeit eingeführt. Diese Zeit ist bereits beim Eisenbahnwesen, jedoch nur für den inneren Dienst seit 1890 und seit dem 1. April 1892 auch für den äußeren Dienst in Bayern, Württem berg, Baden und Elsaß-Lothringen durchgeführt. Sowohl im Reichstage, als auch in verschiedenen Tagesblättern ist für und gegen die neue Zeit ge sprochen uiid geschrieben worden und wohl ist cs wahr, daß im Osten und Westen von Deutschland die Zcitverschiebung mehr als eine halbe Stunde be trägt, allein in Mitteldeutschland sind es nur wenige Minute», wodurch keineswegs eine erhebliche Stör ung eintretcn kann. Wenn man dagegen bedenkt, welches Unheil die Verschiedenheit der Ortszeiten an gerichtet hat, wieviel Zugverspätungen, Enttäuschungen, Schäden und vielleicht auch Unglücksfälle dieselbe auf ihrem Gewissen hat, dann muß man diese Einheit im einigen deutschen Reiche nur mit Freuden begrüßen. Nachstehende Tabelle giebt einen Ueberblick, wie viel in den einzelnen Orten die mitteleuropäische Zeit von der bisherigen Ortszeit abweicht. Der Buchstabe v bedeutet, daß die Uhr um so viel Minuten vor-, der Buchstabe n, daß sie um diese Minutenzahl am 1. April zurückzustellcn gewesen ist. / Aachen 35,? v Eilenburg 9,5 v Adorf 11,-> v Elster (Bad) I l,> v Altenberg 4,9 v Altenburg 10,« v Annaberg 8,» v Aue 9,i v Auerbach 10,« v Bautzen 2^ v Berlin 6,« v Bischofswerda 3g> v Bitterfeld 10,7 v Bonn 31^ v Borna 10,» v Braunschweig 17^ v Bremen 24,? v Breslau 8,i n Chemnitz 8,« v Colditz 8,8 v Crimmitschau 10^ v Dahlen 8,> v Danzig 14,i n Delitzsch 10^ v Dessau 11,i v Döbeln 7^ v Dresden 5,i v Eibenstock 9,« v Erfurt 15g, v Eydkuhnen 30,a n Frankenberg 7^ v Frankfurt a. M. 25,s v Frankfurt a. O. 1^ v Freiberg 6g: v Gera Il,7V Glashütte 4,8 v Glauchau 9,8 v Görlitz 0,»7 v Gotha 17,» v Grimma 9,1 v Grsßenbain 5,8 v Halle 12,« v Hamburg 20,r v Hannover 21g> v Hof 12,8 v Jena 13,8 v Jöhstadt 7,0» Johanngeorgenstadt 9,i v Kamenz 3,s v Karlsruhe 26,« v Kassel 22,« v Kiel 19^ v Druck und Verlag von S. Hannebohn in Eibenstock, Köln 32,i v Plauen i. V. 11,« V Königsberg 22,» n Posen 7^ n Konstanz 23,8 v Potsdam 7,7 v Leipzig IO,« v Radeberg 4,« v Leisnig 8,8 v Rehnsdorf 3,6 v Löbau Igl v Reichenbach 10,8 v Lommatzsch 7,8 v Riesa 6,9 v Lübeck 17,8 v Rochlitz 8,7 v Magdeburg 13,« v Roßwein 7,8 V Mainz 26,» v Schandau 3,« v Marienberg 7,« v Schleswig 21,7 v Meerane 10,« v Schneeberg 9,« v Meißen 6,i v Schwarzenberg 8,9 v Memel 24,5 n Stargard 0,16 n Merseburg 12,» v Stettin 1,7 V Metz 35,8 v Stollberg 8^v Mittweida 8,» v Straßburg 28,9 v München 13,» v Stuttgart 23,8 v 'Naumburg 12,8 v Tharandt 5,7 v Neustadt bei St. 3,8 v Waldheim 7,9 v Nossen 6,8 v Weimar 14,7 v Nürnberg 15,7 v Weißenfels 12,1 v Oberwiesenthal 8,1 v Werdau 10, « v OelSnitz i. V. 11g> v Wurzen 9,i v Oschatz 7,8 v Zeitz 11,« v Pegau 11.» v Zittau 0,7 V Penig 9,8 v Zschopau 7,7 v Pirna 4,8 v Zwickau 10,16 V Vermischte Nachrichten. — Budapest Ein neuer Konkurrent DoweS taucbt in Ungarn auf. In der Preßburger Patronen fabrik fanden Schießproben mit einem von dem ehe maligen Fabrikdirektor Xylander erfundenen schieß sicheren Stoff statt. ES wurde, wie der „V.-Ztg." gemeldet wird, mit dem 8 Millimeter Mannlicher gewehr geschossen und die Versuche waren überraschend zufriedenstellend. Der Stoff ist nur 10 Millimeter dick und seine Zusammensetzung von den bekannten Präparaten vollständig verschieden. — Viertausendjährige Toilettengeheim nisse hat der derzeitige Rektor der Münchener Uni versität, Professor der Chemie 1>r. Bayer enthüllt, indem er Schminken aus den Mumien gräbern zu Achmim chemisch untersuchte und dabei zu höchst interessanten Entdeckungen kam. Die egyp- tischen Schönen benutzten zu ihren Schminken Blei präparate, welche aus sehr umständlichem, von Prof. Bayer in allen Einzelheiten nachgespürtem Wege sehr geschickt verarbeitet wurden. Die Bleierze, welche sich in Egypten nirgends finden, sind jedenfalls aus Indien bezogen worven, was einen weiteren Beweis dafür giebt, wie viel Mühe und Kosten man vor 4000 Jahren schon aus die — Täuschung der Männerwelt verwandte. Die „Aerzt. Rundschau" berichtet auch über die Bestandtheile und Zubereitung einer grünen Schminke, mit welcher die egyptischen Prinzessinnen das Weiße ihrer Augen in einem feuchten grünlichen Schimmer erscheinen ließen, eine Sitte, die sich heute noch unter den taurischen Tartarinnen und Araber innen finden soll. Solche grüne Schminke wurde im Körper der vor 3600 Jahren verstorbenen Prinzessin Ast nachgewiesen. — Der französische Maler Meissonier — so lesen wir im „Zeitgeist" — hatte in seiner Villa zu Poissh einen Gärtner, der alle Samenkörner, alle Pflanzen kannte, ob sie nun aus Senegambien, Malabar oder anderswoher stammten. Meissonier wollte ihn einmal auf« EiS führen. „Was kaS wohl sein mag?" fragte er ihn eine« Tage« in Gegenwart einiger Freunde und zeigte ihm eine Papierdüte mit getrocknetem Heringsrogen. Der Gärtner sah sich den Rogen aufmerksam an. „Das ist l'uiznm tiuxi- mim-Samen", meinte er, „ein seltenes tropisches Ge wächs." — „Wie lange dauert» denn, bis das aus geht?" fragte Meissonier, siegfreudig lächelnd. — „Etwa vierzehn Tage." — „So? Na, dann säen Sie'« gleich." Der Gärtner entfernte sich. „Ihr habt'« gehört," sagte Meisscnier zu seinen Freunden, „in vierzehn Tagen wollen wir sehen, ob er recht hat." Die Herren fanden sich pünktlich bei der verabredeten Zusammenkunft ein. Man trank den Kaffee, als der Gärtner erschien. „Herr Meissonier", sagte er „Ihre Samenkörner sind aufgegangen." — „Na, wir sind sehr begierig, das zu sehen!" ruft der Maler. Mau verfügt sich in den Garten. Der Gärtner hebt eine große Gla-glocke in die Höhe und au» dem sorgfältig geebneten Beete tauchte eine dreifache Reih: von — Hering»köpfen auf. Eine augenblickliche Stille trat ein. Dann aber brach Alle» in ein schallende» Ge lächter au»; nur Meissonier war verschnupft, aber er muckste nicht. — Ein fideler Schwiegersohn. Alter Herr«: „ . . Wissen Sie, Herr Baron, heirathen ist keine Kunst — man muß aber auch eine Frau, beziehungö- weise eine Familie unterhalten können!" — Freier: „Daran werde ich'» nicht fehlen lassen. Gnädige» Fräulein soll sich famos amüsiren!" — Schutzmann (einen Strolch verhaftend): . .. Warum arbeiten Sie nicht?! . . Arbeit adelt!" — „Ick aber bin stolz uff mein' Bürgerstand!"