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Am andern Morgen hatte sich Fran Müller so weit wieder erholt, daß sie, obgleich sehr schwach und angegriffen, doch ihren Vorsatz ausführen und den AuSwanderagentcn wegen der Uebersahrt um Rath befragen konnte. Wilhelm hatte sie im Geschäft auf gesucht, ihm die nöthigen Mittheilungcn zu machen, und dieser ließ es sich nicht nehmen, seine Mutter nach Hause zu begleiten. Dort angekommen, fanden sie Müller beschäftigt, den Laden nut seinen Bildern auszuschmückcn, einige hatte er in die Schaufenster gesetzt und was ihm dabei an Möbeln und sonstigem Gcräth im Wege war, hatte er zum Theil auf den Flur, zum Theil aus den Hof befördert. Mutter und Sohn sahen sich sprachlos an. „Was soll diese neue Einrichtung?" sagte Frau Müller zu ihrem Gatten, als er unbekümmert um ihr Eintreten in seiner Beschäftigung fortsuhr. „Ich errichte eine Kunsthandlung," entgegnete er. „Das ist jetzt mein Geschäft und hat mir Niemand drein zu reden. Der Trödel ist Deine Sache und habe ich den ganzen Kram an die Luft gesetzt, mach' damit was Du willst." — Frau Müller war es müde, gegen den Eigensinn und die Thorheit ihres Mannes anzukämpfcn, sie ließ ihn gewähren und suchte nur unter den alten Möbeln ihren Koffer, in dem sie ihren Schatz verborgen hatte. „Wilhelm, hilf nur den Tisch beiseite setzen," sagte sie zu ihrem Sohn, „und sich' einmal nach, ob der große, alte und mit Eisen beschlagene Koffer dahinter steht." Wilhelm erfüllte den Wunsch seiner Mutter, suchte aber vergebens unter allem Gerümpel umher, der Koffer war nicht zu finde». „Sich' einmal auf dem Hof zu, dort stehen auch noch Sachen," bat Frau Müller, die an allen Gliedern zitterte, „der Koffer muß im Hause sein." „Auch dort ist nichts!" berichtete Wilhelm. „Nichts!" rief die arme Frau entsetzt. „Hast Du auch genau Alles nachgeschen? — Folge mir!" Sie ging zu ihrem Gatten. „Eins möchte ich Dich fragen, Müller", sagte sie zu diesem, „wo hast Du den großen, mit Eisen beschlagenen Koffer hinge stellt, er fehlt mir unter den Sachen?" „Den hab' ich heute Morgen an einen Auswan derer verkauft, der über Hamburg nach Amerika wollte, er hat mir drei Thaler dafür gegeben." Die Trödlerfrau stieß einen lauten Schrei aus und sank wie leblos in ihres Sohnes Arme. „Was ist denn nun schon wieder los", brummte Müller in den Bart; „erst treibt sie mir die Gaue in's Blut mit ihren Predigte» und Ermahnungen, und nun ich das erste Geschäft gemacht habe, ist sic so verwundert darüber, daß sie in Ohnmacht fällt. Der Henker versteht die Weiber." Wilhelm hatte seine Mutter nach dem Hof geführt, daß sie sich in der frischen Luft erhole, er reichte ihr einen Trunk Wasser, sie erholte sich langsam. „Mein armes Kind", sagte sie; „wir sind sehr unglücklich, in dem Koffer hatte ich meine ganzen Er sparnisse in einem doppelten Boden aufbewahrt, und jetzt ist Alles fort — fort, unwiederbringlich verloren!" „Das will ich noch nicht behaupten, hast Du Geld, Mutter! daß ich nach Hamburg reisen kann, so hoffe ich, eS wird noch Zeit sein, de» Mann auszustnden, der den Koffer erstanden hat." „Hier nimm, mein Sohn! oben im Schrank sind zwanzig Thaler, dies ist der Schlüssel! — Nimm!" — fügte sie hastig hinzu; „und reise- schnell, so rasch Du kannst. Mein Segen begleite Dich!" Drei Tage vergingen für die arme gequälte Frau, drei Tage der Angst und Sorge, am dritten Abend stellte sich Wilhelm wieder ein; das Gesicht strahlend vor Freude, er brachte den Koffer zurück. Mutter und Sohn weinten Freudenthränen, und nun mußte Wilhelm erzählen, wie cS ihm auf der Reise ergangen sei. „Du kannst Dir denken, Mutter", sagte er, „wie ich voll Ungeduld die einzelnen Stationen zählte, trotz der rasende» Eile ging mir der Zug immer noch zu langsam, meine Gedanken waren bei Dir und in Ham burg, je kleiner die Entfernung wurde, um so niehr wuchs meine Angst, es könnte ain Ende doch zu spät sein. Vor meinem Geiste schwebten allerlei Bilder, ich sah in Gedanken ein Schiff die Anker lichten, als ich gerade den Hafen erreichte, die Unruhe steigerte sich bis zur Unerträglichkeit, so oft der Schaffner vorüberkam, fragte ich, ob wir noch nicht bald in Ham burg wären, alle Viertelstunden sah ich nach der Uhr, ob der Zeiger schon weit vorgerückt sei. Dicke Schweiß tropfen bedeckten meine Stirn, und ein namenloser Durst quälte mich. Zeit meines Lebens werde ich an die Reise denken. Endlich war das heißersehnte Ziel erreicht, ich setzte mich in eine Droschke und fuhr nach dem Hafen. Vor mir lagen Hunderte von Schiffen, welches ging nach Amerika? — Man wies mich am Hafcndamm entlang, bis ich ein großes Fahr- zeng zu Gesicht bekam, das gedrängt voll Menschen stand. „Ist das das Passagierschiff nach Amerika?" fragte ich einen Vorübergehenden. „Ja!" lautete die Antwort. Ich breche mir Bahn durch die Menge, ich frage bald diesen, bald jenen Auswanderer, ob er über Köln komme, endlich erhielt ich Bescheid, man bezeichnete mir einen mürrisch auSsehcndcn Menschen, der bei der Kajütte saß, ich erkundigte mich, ob er am Rhein einen Koffer gekauft habe, er bejahte, ich hatte meinen Mann gefunden und athmete auf. Ich bot ihm fünf Thaler, den Kauf rückgängig zn machen, gab an, der Koffer sei ein altes Erbstück unserer Fa milie und sei irrthümlich veräußert worden, aber es war alles Zureden umsonst. „Verkauft ist verkauft!" sagte er. — Der Kapitän gab das zweite Zeichen zur Abfahrt, ich bot ihm sechs Thaler, aber er blieb bei seinem 'Nein. Denke Dir meine Angst, Mutter, nur noch wenige Minuten und die Anker wurden gelichtet. Der Befehl wurde gegeben, das Deck zu verlassen, jetzt war'S die höchste Zeit, wollte ich den Koffer retten, ich versprach ihm acht Thaler — das half, er ließ sich das Geld von mir anszahlen, schüttete den In halt des Koffers in einen großen Sack nnd gab nur mein Eigenthum zurück. Gerade als ich meine Last auf der Landungsbrücke niedersetzte, verließ das Schiff den Ankerplatz." „Gott sei Dank, daß»Alles so abgelaufen ist!" sagte Frau Müller; „ich habe schon bei Deiner Er zählung eine wahre Seelenangst ausgestanden und da ist mir einmal über das andre heiß und kalt geworden. Doch nun", setzte sie erleichtert hinzu, „ist ja Alles wieder gut, steh' einmal nach Deiner Uhr, ich glaube, wir müssen uns beeilen unfern Schatz in Sicherheit zu bringen, ehe mein böser Geist aus dem Wirthshaus kommt." „ES wird nicht weit von Elf sein, aber auf meine Uhr kann ich nicht mehr sehen, die habe ich in Ham burg verkauft, weil das Geld zur Rückreise fehlte." „Die Uhr auch fort", seufzte Frau Müller; „die schöne Uhr, die Dir so am Herzen lag, aber das geht nicht, Wilhelm, Du mußt eine andere haben! ich will Dir gleich das Geld dazu geben, komm, hilf inir und schließ den Koffer auf." „So, liebe Mutter." „Jetzt drück' einmal auf den kleinen Messingknopf, der sich an der rechten Seite befindet." Wilhelm that, wie ihm geheißen wurde, der Boden der Kiste löste sich und unter diesem zeigte sich ein verborgener Behälter, der mit Papieren ungefüllt war. „Nicht wahr, Du staunst, mein Junge! nun nimm Dir was Du brauchst und kauf Dir eine andere Uhr." „Mutter, was soll in dem Kasten sein?" fragte Wilhelm bestürzt. „Nun Geld, mein Sohn! lauter gutes Papier geld, sieh Dir's nur an!" „Hier ist kein Geld!" „Kein Geld?" — rief die arme geängstigte Frau und stürzte zu den, Koffer, den Inhalt durchwühlend. „Nichts! Nichts! — O Gott, laß mich meine Sinne behalten!" haue' sie fast verzweifelnd und preßte chrc Hände vors Gesicht. — „Umsonst gehofft!" stieß sie weinend hervor. „Umsonst mir jeden Bissen vom Munde abgespart nnd jetzt stehe ich vor den Trümmern me'ner Pläne wie vor meinem Sarge! — Mir ist, als wollte das Herz mir springen. O, Wilhelm, bringe mich auf mein Zimmer, bleibe bei mir und bete für mich, daß ich nicht verzweifle!" * * -ic Wilhelm saß traurig am Bett und bewachte seine Mutter, deren Zustand sich von Stunde zu Stunde verschlimmerte, ein heftiges Fieber hatte sich einge stellt, sie phantasirte stark. — Müller war wie ge wöhnlich im Wirthshaus bei seinen Freunden; als er spät in der Nacht »ach Hause kam, ging Wilhelm zu ihm hinaus und sagte, die Mutter sei krank. „Ich bin kein Arzt, was kommst Du zu mir?" entgegnete er achselzuckend und ging auf sein Zimmer, wo er sich zur Ruhe legte, als ob nichts vorgefallcn sei. Die 'Nacht verfloß für Wilhelm unter bangen Sorgen, denn das Uebcl verschlimmerte sich und trotz der kühlen Umschläge, die er von Zeit zu Zeit der Kranken auf die Stirn legte, wollte das Fieber nicht weiche». Als der Doktor am Morgen erschien, machte er eine sehr bedenkliche Miene, auf Wilhelms dringende Bitte, ihm zu sagen was der Mutter fehle, erwiderte er: „Ich gebe noch nicht alle Hoffnung auf, aber machen Sie sich ans das Schlimmste gefaßt, ein Ner- venficber ist ini Anzuge." DaS war ein Schlag, der Wilhelm durch alle Glieder fuhr, aber er mußte sich sammeln und durfte sich nicht zu sehr dem Schmerz hingeben, denn an seiner Pflege hing ja das Leben der Mutter. — Acht Tage und Nächte hatte der junge Mann am Lager der Kranke» zugcbracht, nur selten hatte sie einen lichten Augenblick, war aber so schwach und hinfällig, daß sic keines Wortes mächtig war, nur die Augen, die mit dankbarer Liebe aus ihrem Sohn ruhten, sagten diesem, daß sie ihn noch erkannt habe. Der neunte Tag rückte an, nach dem Ausspruch des Arztes der Tag der Entscheidung. Schon früh hatte Wilhelm nach diesen! geschickt und um seinen jchleunigcn Besuch gebeten, denn die Kranke befand sich sehr schlecht, sie vermochte die Augen nicht zn öffnen, die Brust arbeitete lebhaft und ein heftiges Röcheln stellte sich ein. „Herr Doktor!" rief Wilhelm diesem zu als er kam und deutete auf das Bett, niehr vermochte er nicht zu sagen, er sank auf einen Stuhl und weinte die bittersten Thränen. «Fortsetzung folgt.) Maul- und Klauenseuche. Die Maul- und Klauenseuche herrscht immer noch in großer Ausdehnung und bedroht noch fortdauernd unsere Viehbestände. Die polizeilichen Maßnahmen reichen zur vollständigen Tilgung und Fernhaltung nicht aus, wenn nicht die Besitzer von Klauenvich Mitwirken. Jeder Viehbesitzer kann und soll in seinem und im allgemeinen Interesse mithelfen; er vermag cS auch, wenn er zum Schutze seines eigenen Bestandes folgendes beachtet: l. Der Ankauf jedweden Klanenviehe« ist in der nächsten Zeit zu unterlassen. Wo dies aus wirthschaftlichcn Gründen nicht möglich ist, be schränke man ihn auf das allernothwendigste. L. Der Ankauf ist am ungefährlichsten aus un verseuchten Stallungen der Viehbesitzer, der Produzenten. Sehr gefährlich ist der Ankauf auf dem Markte, weil dasejbst Vieh aus den verschieden sten Gehöften und Orten zusammcnkommt und ein unmerklich erkranktes Stück zahlreiche andere Thiere anstecken kann. 3. Der Ankauf beim Viehhändler ist erst dann zu bewirken/ wenn das Vieh in dessen Stalle sich durch mindestens 6 Tage vollständig gesund er wiesen hat. Die zur Zeit vorgeschriebene thierärztliche Untersuchung des HandclSviches giebt zwar die Gewißheit, daß das untersuchte Vieh zur Zeit frei von Maul- und Klauenseuche ist, kann aber keine Gewähr dafür bieten, daß das betreffende Vieh nicht bereits durch Berührung mit scuchcnkranken Stücken oder durch Personen, Ställe, Eisenbahnver ladeplätze u. s. w. angeslcckt worden ist und in wenigen (3—i>) Tagen erkrankt. 4. Angekaufte Thiere bringe man möglichst direkt — ohne Einstellung in Gasthofsställe, ohne längeres Verweilen an den Einladeplützen der Eisenbahnen — nach dem Bestimmungsorte. 5. Ne »gekauftes Vieh bringe man, wenn irgend möglich, zunächst durch 10 Tage in einen vollständig separaten Stall (Pferdestall) und lasse es nur von solchen Personen füttern, pflegen und melken, welche in andern Klauenvichställen nichts zu thun haben. 6. Viehhändlern, Fleischern und Vieh treibern untersage man das Betreten des Gehöftes, lasse sie mindestens nie in den Stall, weil diese Per sonen täglich viele Ställe betreten und namentlich bei Verheimlichung der Seuche den überaus flüchtigen Anstcckungsstoff in den Kleidern, an den Stiefeln, an den Händen u. s. w. oft nnbewußk in viele, selbst stundenweit entlegene Gehöfte verschleppen. Ist dcr Verkchr mit derartigen Personen nicht zu umgehen, dann lasse man das Vieh, welches man z. B. als Schlachtwaare verkaufen will, durch eigne Leute aus dem Stalle in den Hof oder in den Pferdcstall bringen, halte aber darauf, daß jene das Stück nicht oder wenigstens nicht am Kopfe oder am Euter an fassen. Wenn cs unumgänglich nothwendig ist, daß Per sonen, welche in andern Klauenviehställen verkehrt haben, in die Ställe eintreten, so empfiehlt cs sich, denselben vor Betreten des Stalles das Anlegen einer hierfür bereit gehaltenen Kleidung, insbesondere von Ueberschuhcn und Ueberrock, anzubieteu. 7. Fremdem Gesinde untersage man das Be treten des Gehöftes und der Stallungen. Neu an ziehendes Gesinde lasse man erst nach Anlegen andrer Kleidung und gründlicher Reinigung der Hände und der Kleider in die Ställe. Dem eigenen Ge sinde verbiete man das Betreten anderer Stallungen und, soweit angängig, anderer Gehöfte, in welchen Klauenvich gehalten wird. 8. Das eigne Klauenvich halte man, soweit cS nur irgend angeht, im Gehöfte. Ist man gezwungen cs hcrauszunchmen, so vermeide man möglichst Wege, auf welchen fremdes Vieh getrieben nnd Ställe, in welchen solches eingestellt wird. Auf Feldern und Weiden halte inan sein Klauen vich möglichst von dem anderer Besitzer entfernt. 0. Jever Besitzer von Klauenvich vermeide für seine Person selbst das Betreten von fremden Stall ungen, namentlich Händler- und GasthofSställen, in denen Klauenvieh eingestellt wird, sowie den Besuch von Vieh- und Schlachtviehmärkten. 10. Ist die Seuche im Orte selbst auSge- b roch en, dann beschränke man den eignen Verkehr, sowie den seiner Familienglieder, des Gesindes und der Arbeiter mit anderen Gehöften auf das allernoth- wendigste. Oft sind bereits Gehöfte verseucht, ohne daß die Besitzer es wissen, und von ihnen aus erfolgt weitaus häufiger die Verschleppung al» von den als solche bekannten Seuchegehöften. Wenn jeder Besitzer den vorstehenden Mahn ungen gcuiäß handelt, dann wird er sich nicht nur selbst vor den Verlusten durch die Maul- und Klauen seuche schützen, sondern wird auch dazu beitragen, daß die Seuche schneller getilgt und alle lästigen Verkehrs beschränkungen aufgehoben werden können. Druck und Verlag von S. Hannebohn in Eibenstock.