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mir auf dem Polizeioffice, daß mein längeres Ver weile» überflüssig sei, und gab mir die Zusicherung, mich sofort telegraphisch zu benachrichtigen, sobald sich nur eine Spur des Kindes oder seiner Entführerin finden würde." „Haben Sie sich das Aeußere der Dame beschreiben lassen?" frug Volkmar. „Frau Webster hielt sie für eine Ausländerin, da sie das Englische mit fremden Accent sprach," ant wortete Siglinde. „Bon Gestalt war sie —" An der Thür des Sprechzimmers wurde ein Klopfen hörbar; ein Schreiber steckte seinen Kopf herein. „Wenn es Ihnen gefällig wäre, Herr Doktor," sagte er. Martha war also zurückgekehrt. Volkmar fühlte sich wie zwischen zwei Kreuzfeuern. Siglinde merkte ihm an, daß er sich in großer Unruhe befand, und ersuchte ihn, sich durch ihre Anwesenheit von seinen Geschäften nicht abhalten zu lassen. Mit der Bitte, ihn auf einige Augenblicke zu ent schuldigen, begab er sich in das Bureau. Aber die Erwartete sah er nicht. Eine elegant gekleidete.Dame saß da, das Antlitz unter dem hochfeinen Sommer hütchen dicht verschleiert. Sie erhob sich und ging auf ihn zu. „Nicht wahr," redete sie ihn an, „der Herr Justiz rath kennen mich selbst nicht wieder?" Dabei schob sie den Schleier zurück und überrascht blickte Volkmar in das lächelnde Gesicht Martha's. „Um mich unkenntlich zu machen," fügte sie hinzu, habe ich Schleier und Kleider aus der Garderobe meines gnädigen Fräulein entlehnt." „Nun, und was haben Sie mir zu berichten?" frug er leise und führte sie bei Seite. „Die Dame haben mir der Herr Justizrath so genau beschrieben, daß ich sie sogleich erkannte," be gann Martha flüsternd. „Gekleidet war sie in —" „Die Kleidung interessirt mich nicht," entgegnete ungeduldig der Advokat. „Der Herr, welcher bei ihr war, ist die Hauptsache." „Der Herr war nicht jener Fremde." „Wie? nicht jener Fremde, den Sie in Abwesen heit Ihrer Herrschaft empfingen?" „Nein, er war es nicht," wiederholte Martha und schüttelte mit einem über alle Zweifel erhabenen Lächeln den Kopf. „Dann haben Sie sich geirrt, Kind!" behauptete Volkmar, der an seine furchtbare Selbsttäuschung noch immer nicht glauben wollte. „Nein, Herr Justizrath, ich habe mich nicht geirrt denn es war Herr von Harnisch." „Unmöglich!" rief Volkmar, wie von einem elek trischen Schlage getroffen. „Der Begleiter der Dame, die Sie mir beschrieben haben, war Herr von Harnisch, den ich sehr genau kenne," wiederholte Martha, jedes ihrer geflüsterten Worte betonend. „Wissen Sie genau, daß er zu der Danie gehörte und nicht etwa zufällig mit ihr in denselben Pferde bahnwagen gestiegen ist?" „Wenn die Beiden nicht mit einander einverstanden waren, Herr Justizrath, so will ich mir den Kopf abschlagen lassen! Sie sprachen während der Fahrt nicht viel zusammen, aber man merkte leicht, daß sie sich viel zu sagen hatten. Herr von Harnisch richtete dann und wann eine Frage an seine Begleiterin, »vorauf diese meist nur durch ein Nicken oder Schüt teln mit dem Kopfe antwortete, und dann sah er sie mit einem so gespannten Blicke an, als wollte er das Uebrige aus ihrer Miene saugen. Ganz gewiß hatte ihm die Dame etwas Wichtiges zu erzählen, wovon sie ihm unterwegs nur zu naschen gab." „Haben Sie von dem kurzen Gespräch dann und wann ein Wort verstanden?" „Nein, denn eS war nicht deutsch, was sie sprachen. Vor einem Kaffeegarten, weit draußen in der Vor stadt, stiegen Beide aus, und ich sah sie hineingehen. Ich fuhr noch ein Stück weiter und kehrte dann mit dem nächsten Wagen zurück." „Sind Sie gewiß, daß Herr von Harnisch Sie nicht erkannt hat?" „Erkannt hat er mich auf keinen Fall, denn erstens war der Wagen zu sehr besetzt, als daß er mich be sonders beachtet hätte, und zweitens schützte mich meine Verkleidung und der doppelt zusammengelegte Schleier vor dem Erkennen." „Ich danke Ihnen vorläufig," sagte Volkmar. „Uebrigcns ist die Besitzerin dieser Verkleidung von ihrer Reise zurückgekehrt." DaS Mädchen wurde feuerroth und warf einen angstvollen Blick auf die Kleidung, die sie unrecht mäßig trug. „Du meine Güte," stammelte sie, „wie werde ich nur in die Wohnung kommen, ohne daß mich das gnädige Fräulein sieht!" „Dazu haben Sie noch Zeit, denn Ihre Herrin befindet sich eben noch in meinem Sprechzimmer," versetzte der Advokat. Eilen Sie also, ihr zuvorzu kommen ; verrathen Sie ihr aber um GotteSwillen keine Silbe von ihrem heutigen Abenteuer auf der Pferdeeisenbahn! Hören Sie?" „O, Herr Justizrath!" betheuerte Martha mit gefalteten Händen und wie um Gnade flehend, „ich werde stumm sein wie ein Grab!" Der Boden brannte ihr unter den Füßen und so eilig, als die Höflichkeit es gestattete, verabschiedete sie sich. Das diensteifrige Mädchen hatte sich mit ihrer wohlgemeinten Maskerade selbst eine Falle gestellt, die den Advokaten mehr, als die feierlichsten Schwüre ihrer Schweigsamkeit gegen ihre Herrin versicherte und ihm ein augenblickliches Lächeln abnöthigte. Dann kehrte er zu seiner Besucherin zurück, ohne auch nur durch eine Miene zu verrathen, was in ihn» vorging, von welchem überraschend neuen Gesichtspunkte er die Dinge, die Siglinden so nahe angingen, in den wenigen Minuten seiner Abwesenheit betrachten ge lernt hatte. „Verzeihen Sie diese Störung, Fräulein Siglinde," sagte er, ihr gegenüber ruhig wieder Platz nehmend. „Wir waren unterbrochen worden, als Sie mir eben die Persönlichkeit jener Fremden, die mit Ihrer kleinen Nichte verschwand, näher bezeichnen wollten. Sie war, nach ihrer Aussprache des Englischen zu schließen eine Ausländerin; von Gestalt —" „Von Gestalt war sie etwas kleiner, als ich," nahm Siglinde ihre Rede wieder auf, „der Wuchs schlank, dabei aber voll; sie war über die erste Jugeud- blüthe hinaus, hatte aber jene frauenhaften inter essanten Züge, die man bei Mädchen in den höheren Zwanzigern oft antrifft und welche durch ein dunkles, glühendes Auge noch gehoben wurden. Das sehr reiche schwarze Haar trug sie vorn in Stirnlocken." Unwillkürlich hatte Volkmar diese Personalbeschrei bung mit einein zustimmenden Kopfnicken begleitet, denn dieselbe wies Zug für Zug auf Anna Ritter hin, deren Signalement er selbst erst heute Siglin den« Dienerin gegeben. Er hätte Siglinden, als sie ihn bekümmert verließ, durch die trostreiche Zusicher ung aufrichten können, daß er ihrer kleinen Nichte bereits auf der Spur sei und sie in nicht ferner Zeit in ihre Arme zu legen hoffe, er hätte ihr noch vieles Andere sagen können, was ihr höchstes Erstau nen erregt haben würde, — er hätte ihr auch sagen können, wie ein einziges Wort Martba's, ein einziger Name, den sie ausgesprochen, ihm ein unerhörtes I»»- triguenspiel, ein teuflisches Truggcwcbe enthüllt hatte, daß ihm selbst davon noch schwindelte, — er hätte durch wenig Worte sie mit Staunen und Schauder, mit Hoffnung und Freude erfüllen können, aber er wollte und durfte sie nicht mit erdrückenden Geheim nissen belasten, die sie genöthigt hätten, bei einer et waigen Begegnung mit Herrn von Harnisch sich in ihrem Benehmen einen Zwang aufzuerlegen, der diesem geriebensten aller Gaukler gewiß ausgefallen märe.... Nach Siglinde's Entfernung schritt Volkmar eine geraume Weile in seinem Zimmer auf und ab, balv mit raschen, heftigen Schritten, bald langsam, bald stehen bleibend. Dann öffnete er eine Cigarrenkiste, entnahm derselben eine Havanna, zündete sie an und blickte mit dem Rücken gegen sein Pult gelehnt und die Beine über einander gekreuzt, sinnenv den bläulichen Rauchwölkchen nach, welche sein Mund in die Luft hauchte. Als das Aroma der Cigarre in das anstoßende Bureau drang, schnupperten die Schreiber und blickten einander bedeutungsvoll an. Einer nach dem Andern schlich sich an die Thür, um durch das Schlüsselloch hindurch den rauchenden Rechtsanwalt an seinem Pulte lehnen zu sehen. Für gewöhnlich gönnte er sich während der Ge schäftszeit den Genuß einer Cigarre nicht; wenn es aber geschah und der Dust des aromatischen Krautes sich in die Nasen der Schreiber einschmeichelte, so wußten diese schon, daß ein verwickelter Fall die Ge danken ihres Herrn beschäftigte und daß er auf einen „6oup" sann, der Denjenigen, welchen er traf, sicher zerschmetterte. Gegen Abend machte Volkmar einen Spaziergang nach dem bekannten Garten in der Rosenstraße. Er fand das Gärtnerpaar im Wohnzimmer, von den Mühen des Tages ausruhend. Sein Besuch galt der Fächerpalme, nach welcher der „Engländer" noch immer nicht gefragt hatte. Er kaufte sie und er kundigte sich im Laufe des Gesprächs, wie gewöhnlich, nach Fräulein Anna'S Befinden. „Ich treffe eS immer so unglücklich, daß sie nicht da ist," fügte er hinzu. „Heute hätte ich sie gern gefragt, warum sie vorigen Dienstag, als sie mir in der Stadt begegnete, so stolz an mir vorüberging, ohne meinen höflichen Gruß zu erwidern." (Fortsetzung folgt.) Zteber das Nertheilen der Zuckerdüten a« die neueintretendeu Kinder am ersten Schuttage. Zu den althergebrachten Sitten und Gebräuchen, die der Schule und ihren Lehrern noch anhasten, ge hört auch das Vertheilen der Zuckerdüten an die neu- eintretenden Kinder am ersten Schultage. Diese Sitte knüpft vielfach die erste Verbindung zwischen Schule und HauS und bildet für das Kind gleichsam die Brücke von dem häuslichen Leben zum Schulleben. Wie sehr hat es sich schon lange vorher auf den Augenblick gefreut, wo es die Zuckerdüte aus der Hand des Lehrers empfängt und beglückt nach Hause tragen kann! Wie stolz ist das Kind auf seine Düte! Wie gerne verspricht eS sein Wiederkommeu! So schön das Erwähnte sein mag, so viel Schatten seiten hat es auch; ja, eS schädigt mehr, als es nützt. Erstens ist bei dem Vertheilen der Zuckerdüten das Ansehen und der Gerechtigkeitssinn des Lehrers in großer Gefahr und die Liebe und das Vertrauen der Kinder zu ihm kann gleich in der ersten Stunde untergraben oder vernichtet werden; denn nicht Alle erhalten gleich große und gleich schöne Düte»». Zweitens geräth der Lehrer in fatale Lage, wenn für ein oder mehrere Kinder keine Düten abgegeben worden sind. Schlechterdings kann er da auch keine geben! Aber das darf er seiner selbst Willen kaum thun! Was bleibt ihm übrig? Drittens: Hat das Kind bei» Unterschied von reich und arm bisher noch nicht recht kennen gelernt, so lernt es gleich am ersten Schultage die allerempfind- lichste und verletzendste Seite desselben kennen. Die mit den schönen Kleidern, »nit dem schönen Hute, mit dein schönen Ranzen erhalten auch noch die schön sten und größten Zuckerdüten! Und der Lehrer ist's, der die Einen so erhebt, die Anderen so zurllcksetzt, so beleidigt, so verletzt! Ja, das Kindchen ist viel zart fühlender, als vielfach angenommen wird! Wo bleibt da der Lehrer mit seinem Gerechtigkeitssinn? Wo bleibt da sein Ansehen vor den Kleinen? Woher soll da Liebe und Vertrauen zu ihm kommen? Und er muß diese um so tiefer verwunden, je größer die Zuckerdüten sind, die Jene erhalten. Viertens mag eS mancher Mutter schmerzlich sein, wenn sie für ihren Liebling nur eine kleine Düte kaufen kann, während sie sehen muß, wie groß Andere solche bringen. Fünftens: Obwohl der Lehrer um der Kinder Willen da ist, so kam» es doch nicht auch Sache des Lehrers sein, daß die Kinder zur Schule kommen. Der Schulzwang läßt dies Sache der Eltern sein! — Den meisten Eltern liegt daran, daß ihre Kinder gern zur Schule gehen. Viel können die Elter»» .dazu beitragen, wenn sie nicht bei jeder Gelegenheit den Lehrer als einen finsteren Mann schildern, der den Stock bei jeder Kleinigkeit barbarisch schwingt. Wozu dem Kindchen gruselig machen vor dem Lehrer, wie vor dem Teufel? Viel besser ist es, wenn die Eltern das Gegentheil thun und dem noch hinzufügen: Merke ja recht auf, daß Du etwas Ordentliches lernst! Um dem Kinde den ersten Gang trotzdem zu erleichtern, können sic wohl eine Zuckerdllte versprechen — und geben, wenn es aus der Schule zurückkehrt. So treiben die Eltern zur Schule. Dem gegenüber muß der Lehrer locken durch sein freundliches, liebevolles Wesen. So scheint »nirs richtig und naturgemäß. In vielen Gegenden kennt man die Sitte über haupt nicht, und wo dieselbe noch herrscht, bemüht man sich, sie zu beseitigen. So hat der Altenburger Lehrerverein im vorigen Jahre einen diesbezüglichen Antrag gestellt, und Herr Schuldirektor I)r. Just und Herr BezirkSschuliuspektor 1)»-. Kirchner unterstützten diesen Antrag. Ebenso erließ der K. K. Landesschul rath für Böhmen im vorigen Jahre folgendes Verbot: „Nach einer uns zugegangenen Mittheilung soll an einige»» Schulen unseres Bezirkes die Unsitte herr schen, daß von Eltern für die neueintrctcnden Schüler Geschenke beigestellt werden, damit dieselben von dein Lehrer an diese Schüler vertheilt werden, wobei die Kinder in dem Glauben belasse»» werden, als stammen diese Geschenke vom Lehrer selbst her. Die Königlich Kaiserlichen Bezirksschulräthe werde»» daher aufge- sordert, diesem den pädagogischen Grundsätzen wider sprechenden Vorgehen, wo dasselbe sich vorfinden sollte, entschiede»» entgegenzutrctcn, bezw. die Entgegennahme von dergleichen Geschenken für neueintrctende Schüler den Lehrern streng zu untersagen." Das Alles führt zu dem Schluffe: Das Zucker- düten-Vertheileu gehört nicht in die Schule und darf nicht Sache des Lehrers sein; cs ist vielmehr Sache der Eltern und muß zu Hause geschehen. Es hätte dann für Alle sein Gutes: Der Lehrer wäre allen Fatalitäten enthoben und bliebe der unparteiische Mann; den Eltern bliebe das Fabuliren, den Kindern das Geschenk und die Freude und dei» Geschäftsleuten die Einnahme. Han; seid, bedruckte I'oulurcks Mk. 1.3k» bis L.8L p. Met. — (ca. 4ü0 versch. Disposit.) — sowie schwarze, weihe und farbige Seidenstoffe von 75 Pf. bis M. lS.KL per Meter — glatt, gestreift, karrirt, ge mustert, Damaste ic. (ca. 240 versch. Oual. u. 2000 versch. Farben, Dessins >c.s, Porto- und zollfrei. Muster umgehend. 8silisn-fsbril< K. ttsnnvbsrg(L u.ic.ioll.),2urjost. Vogelsreunde. Das rühmlichst bekannte Voß'sche Vogel futter, Singfutter für Kanarienvögel, Waldvögel, Universal futter für Drosseln, Staare. sowie für alle in- u. ausländisch« Vögel (nur echt in versiegelten Palleten mit der Unterschrift „Gustav Voß, Hoflieferant,") erhält man hier nur bei Herrn Kfm. Hermann Pöhland, Bergstraße. 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