Volltext Seite (XML)
Der Fels des Verfluchten. Historische Erzählung von ». Grothe. (18. Fortsetzung.) »Der Teufel!" fluchte der alte Fürst. »Da hat mich also ein Weib überlistet." »Wir Hütten Wachen ausstellen sollen," meinte Jury. Der Vater machte eine verneinende Bewegung. »Da hätten die Moskauer geglaubt, wir hielten sie gefangen, und ich habe da« Volk nicht gern gegen mich." »Da« Volk, die blinde Masse, welche sich scheu verkriecht, wenn das Schwert blitzt," entgegnete Jury im verächtlichen Tone. »Ich verachte diesen Haufen Erbärmlicher, welche nicht besser als die Leibeigenen und Sklaven sind. Ich verachte sie." »Und doch war eS das Volk, welches den Dimitri SamoSwanetz stürzte und die Polen zum Lande hin- auSjagte," versetzte der Alte. — .Wer ist zurückge blieben?" »Niemand als unnütze Knechte und niedere Diener," antwortete Jury. »Auch Kathinka, Deine Braut? Auch sie?" fragte der greise Fürst. »Man hat sie zur Mitrcise gezwungen," entschul digte Jury die Geliebte. Mit einem Satz war der Greis au« dem Bette und legte mit einer Hast die Kleider an, welche ihn fast der sonst so nothwendigen Hilfe seines Kammer dieners entbebren machte. Dabei rief er: »Wir müssen uns auch regen, Jury!" „Soll ich Ihnen nach und Kathinka auS der Ge walt Sophia« und der MiloSlawskiS befreien? Du siehst mich gerüstet und mein Roß steht schon ge sattelt und gezäumt, ungeduldig seines Herrn wartend," sagte der Sohn. . »Nein, nein," versetzte der Vater, „wir müssen uns erst der Strelzi versichern, ob sie auch nicht im Augen blick der Gefahr von uns abfallen." „Sie halten treu zu uns," erwiderte der Sohn. „Auf Ihre Treue läßt sich bauen." Der junge Fürst Chowansky hatte nicht unrecht, als er von Gewalt gesprochen, welche man gegen die Zarewna Kathinka angewandt. Sophia hatte sich, als die Kibitken anlangten, selbst zu der Schwester begeben. Sie fand dieselbe noch wach. „Kathinka!" nahm die Regentin das Wort, „das Wohl unseres Vaterlandes verlangt, daß Du mit uns reisest. Die Wagen warten. Ehe fünf Minuten vergehen, mußt Du fertig sein, um uns zu begleiten. Hast Du verstanden?" „O, nur zu wohl," entgegnete die Schwester. „Ihr wollt mich in ein Kloster führen. Habe Barm herzigkeit, Schwester! Ich fürchte den Tod nicht so wie das Kloster." „Sei ohne Furcht, Kathinka; ich will Dir nicht den Schleier aufdrängen, den Du verabscheust, ob gleich Du den NarischkinS keinen Widerstand entgegen setztest, als sie Dich zu der Einsamkeit der Kloster mauern verurtheilten," bemerkte Sophia. „Damals und jetzt, weich' ein Unterschied!" meinte die jüngere Zarewna. „Damals war mir da« Leben trübe und voller Rebel, damals war die Sonne mir noch nicht aufgegangen, hatte ich ihn nicht wiederge sehen." „Sprich nicht weiter, Schwester, ich darf nicht hören, waS Du sagen willst, darf nicht wissen, daß Du den Rebellen liebst, welcher nach dem Zaren- Diadem strebt." „Glaube mir, Sophia, daS ist Verleumdung. Jury ist kein Empörer." „Er ist ein solcher, welcher die Strelzi gegen uns loszulassen gedenkt, gegen uns die Maitage wieder holen will, welche den NarischkinS verderblich wurden," versetzte die Regentin. „Noch gestern sprach cS sein Vater deutlich auS. Entschließe Dich und mache Dich zur Reise bereit. ES bedarf nichts zu derselben." „O unglückseliger Jrrthum, laß mich ihn Dir erklären, und Du wirst sehen, daß cs nur Gespenster sind, welche Du fürchtest. Jury denkt nicht —" Hier unterbrach Sophia die Rede, indem sie er innerte, daß die Zeit verstreiche. Sie könne ihr auf der Reise da« sagen, was sie zur Entschuldigung der Fürsten Chowansky vorbringen wolle. Jetzt dürfe nicht gezaudert werden. Ihre Rede war dringend, befehlend und ließ keine andere Deutung zu, al« daß Sophia Gewalt gegen Widerstand anwenden würde. Kathinka war eine jener weichen, gehorsamen Naturen, welche sich den Anordnungen und Befehlen gern und leicht fügen; hier setzte sie aber Widerstand den Anordnungen der Regentin entgegen. Da wurden Sophias Augen starr, ihre Blicke drohend; ihre Stimme grollte wie dumpfer Donner. Sie faßte Kathinka» Arm und schüttelte diesen. „Soll ich Dich mit Gewalt dazu zwingen lassen, un» zu folgen?" fragte sie. Kathinka sank auf die Kniee und erhob flehend die Hände; aber die Schwester riß sie empor. „Laß mich nicht vergessen, daß Du meine Schwester bist," rief sie. „Du möchtest sonst al» Genossin an Cho wansky» Verbrechen bestraft werden. Fort! Oder ich rufe meine Frauen und lasse Dich wie ein eigen sinnig Kind bestrafen." Da war e« mit dem Widerstande zu Ende, Ka- > thinka ließ sich in einen Mantel hüllen unv folgte der voranschreitenden Schwester mit leisem Weinen. I Wie schnell die Flucht zu dem Kloster de» heiligen Sergei angetreten wurde, beweist, daß Natalie Na- rischkin nichts mit sich nahm, als ein goldene» Kreuz; den übrigen Schmuck ließ sie zurück. Sie fürchtete für ihren Sohn. Dies erfuhren die Chowansky, als I sie sich in den Kreml begaben. Dann eilten sie zu den inzwischen versammelten Strelzi. Sie traten unter sie und fragten, ob die Söldner ihre Befehls haber ausgäben, ober ob sie treu zu ihnen ständen. Ein wilder Jubelruf wurde den Fürsten zu Theil. Man schwur, sich für sie tödten zu lassen. Iwans Antlitz leuchtete vor Freude und er befahl, daß die Strelzi unter Waffen blieben, dann sagte er zu seinem Sohne leise: »Hier in Moskau sind wir die Herren, aber wir müssen es auch sonst sein. Ehe noch Sophia handeln kann, müssen wir uns ihrer bemächtigen. Ich nehme fünfzig Reiter mit mir, während Du in Moskau zurückbleibst." »Nicht also, mein Vater," versetzte Jury, „ich werde Dich begleiten." „Das darf nicht sein. Wir dürfen Moskau nicht allein zurücklassen," bemerkte der alte Fürst. „So lange wir Moskau besitzen, sind wir die Sieger." „Wir haben der Strelzi Untreue nicht zu fürch ten," entgegnete Jury. Endlich gab der alte Fürst nach, verschob aber nun die Abreise bis zum folgenden Tage, da er in betreff der Strelzi viele Anordnungen treffen mußte, um während seiner Abwesenheit keine Unordnungen eintrelen zu lassen, Anordnungen für die verschieden sten Zufälligkeiten, welche drohen könnten. Der folgende Tag war ein Freitag. Makom machte am Morgen darauf aufmerksam, daß nach dem Volksaberglauben man an einem solchen keine Reise antreten dürfe; aber Jury lachte darüber, es drängle ihn, seine geliebte Zarewna wiederzusehen. Er konnte kaum die Zeit erwarten, da man die Rosse besteigen würde, um zu dem Dreisaltigkeitskloster zu reiten. Für seine Ungeduld machte der alte Fürst zu viele Umstände. Thalsächlich kam man vor Mittag nicht au« Moskau; dennoch glaubte man, daß die Umgeb ung der Zaren-Familie nicht größer sein würde, als das berittene Gefolge der Chowansky. An diesem Freitag in aller Frühe war übrigens ein Befehl der Regentin Sophia in Moskau ange- langt, welcher befahl, daß die Fürsten Chowansky ihre Würde niederlegen nnd sich bei Todesstrafe in Mos kau aufhalten sollten. Zu diesem Befehle lachte der Alte: „Der Unter rock spreizt sich gewaltig; er möge sich vorsehen, daß ich ihm die Motten nicht ausklopfe!"*) Auf dem halben Wege liegt das Schloß Wosd- »ischansko. Hierhin waren die beiden Fürsten Lykow und Chilkow gesandt worben. Dieselben hatten den ihnen gewordenen Auftrag der Regentin gewissenhaft ausgesührt; sie hatten die Weiterreise der Zaren- Familie beschleunigt, ohne daß sie selbst zu dem Dreifalligkeitskloster mit dem Hofe gezogen waren. Sie waren geblieben, um den Flüchtigen den Rücken zu decken. *) Die Worte sind historisch. (Fortse-ung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Ein großes Unglück hat sich am Vor mittage des 13. März auf dem Neubaue des HauseS „Drei Rosen" in Karlsbad ereignet. Ein Theil des aufgesührten HauseS ist eingestürzt und hat zahl reiche, auf dem Bau beschäftigte Arbeiter begraben. Die freiwillige Feuerwehr und da« RettungscorpS wurden alarmirt u. unter Leitung des Bezirksingenieurs Stüdl unv des städtischen Oberingenieurs Oerrel be gannen sie die Rettungsarbeiten. Bisher wurden 8 Todte und 12 Verwundete aus dem Schutte hervor geholt. Der Bürgermeister und der Bezirkshauptmann, der Bezirkskommissar l)r. Neumann und der Gerichts adjunkt von Volkmann weilen seit 10 Uhr an der Unglücksstätte. Tausend Menschen umstehen den durch die FeuerwehrabgesperrtenUnglücksplatzin der Sprudel gasse. Die Größe des Unglücks ist noch nicht zu er messen, da die Rettnngsarbeiten und die Abräumung des Schuttes die Nacht hindurch fortgesetzt werden müssen. — Au« einem lächerlich geringfügigen Anlaß hat vor einigen Tagen in Wien ein Haupt mann im Jähzorn einen Bürger so schwer verletzt, daß dieser an den Folgen der Verwundung gestorben ist. Wenn eS Einer versuchen wollte, er würde kaum die unendlich lächerliche und kleinliche Ursache de» tödtlichen Streite« zu errathen vermögen. In einem Borstadt-Gasthaus saßen der Bäckermeister Karl Knoth und der Hauptmann in Urlaub Anton Buresch. Der Hauptmann hatte die liebenswürdige Art, die Sem meln auf ihre Frische zu prüfen, indem er sie drückte und sie an'» Ohr führte. Ueber diese unappetitliche Manipulation machte der Bäckermeister, den die Sache als Konsumenten und Produzenten zugleich anging, seine Bemerkungen. Der Hauptmann erwiderte, er wollte sich nicht durch Worte rächen. Er verließ das Gasthaus und paßte dem Bäcker auf. Al- dieser heraus kam, stieß ihm Buresch sein Schnappmesser in die Brust, und die Beleidigung »ar gesühnt. Buresch ist dem Militärgericht übergeben worden. — Nicht geringe Kaltblütigkeit und viel Geschick hat der Schneider Greil in Berlin bei seine« ersten Versuch al» Einbrecher an den Tag gelegt. Er wohnte in einem Hause an der Barnimslraße, in dem auch der Kohlenhändler P. lebte, von dem Greil glaubte, daß er in seiner Wohnung ziemlich viel Gel» aufbewahre. Als P. Dienstag Vormittag sich nach seinem Geschäftsplatz begeben hatte, schlich Greil in dessen Wohnung, die er mit einem Nachschlüssel öff nete, und drang in das Schlafzimmer der P.'sche» Eheleute vor. Dort machte er sich an die Durch suchung der Kommoden und Schränke. Wiederholt wurde er bei der Arbeit durch Mitglieder der Familie gestört, die in das Zimmer traten, aber jedesmal ge lang eS Greil, unbemerkt unter ein Bett zu schlüpfen. In seinem Versteck wartete er, bis der Störenfried daS Zimmer wieder verlassen hatte, und dann machte er sich wieder an die Arbeit. Schließlich hatte er tick paar Hundert Mark und mehrere Schmucksachen zu- sammengerafft und wollte den Rückzug antreten, al« er die unliebsame Wahrnehmung machte, daß er die Thür der Stube, in der er sich befand, nicht öffnen konnte, weil sie von außen verschlossen worden »ar. Greil kroch wieder unter sein Bett und bald kam Frau P. in das Zimmer. Sie bemerkte jetzt die An wesenheit einer fremden Person und rief laut um Hilfe. Greil kroch, ohne von Frau P. gesehen zu werden, aus seinem Versteck hervor, schlich sich zur Thür hinaus, schloß die Frau in da« Zimmer ein und entfernte sich. Hausbewohner leisteten den Hilfe rufen der Frau Folge, und unter denen befand sich auch eine Person, die kurze Zeit vorher gesehen hatte, wie ein Mann die P.'sche Wohnung verlassen hatte und in die in demselben Hause befindliche Werkstätte eines Schneider« getreten war. Dort wurde Greil im Besitz der gestohlenen Sachen gefunden und sah sich in Folge dessen zum Geständniß seiner Schuld gezwungen. — WaS Gott geschaffen. Unter dem Ver größerungsglas erscheint die Schneide des schärfsten RasirmesserS so stark wie ein Messerrücken, rauh und uneben, voll von Rissen und Scharten. Die aller feinste Nadel sieht vergrößert wie eine riesige grob körnige Eisenstange au«. Aber der Stachel einer I Biene zeigt sich, mikroskopisch betrachtet, von voll kommenem Glanze, ohne Flecken und Unebenheit un» endigt in einer nicht mehr erkennbaren Spitze. Die Fäden de« feinsten Gewebes stellen sich stärker dar als die Stricke, welche zu Ankertauen zusammengedreht sind, aber des Seidenwurmes Gespinst ist glatt, glän zend und von ebenmäßiger Stärke. Der kleinste Punkt, den man mit der spitzesten Fever machen kau«, bildet einen unregelmäßigen, schwarzen Fleck, währe«» die Pünktchen auf den Flügeln ter Insekten nicht n«r völlig regelmäßig sind, sondern auch oft so zierliche Muster zusammensetzen, daß sie die Bewunderung un» das Staunen der Gelehrten erregen. — Vom Kasernenhofe. Ein Leser erzählt der „T. R.": Als wir Einjährig-Freiwilligen de ll. Garde-Regiments zu Fuß soeben vereidigt waren und auf dem Kasernenhofe des Füsilier-Bataillons in der Karlstraße langsamen Schritt nach Zählen machen mußten, hopsten wir stet« hoch im Bogen über die Wasserlachen, die sich nach starkem Regen auf ven unvermeidlichen Unebenheiten de» sandigen Hofes gebildet hatten. Dies verletzte natürlich da« militärische Gefühl deS uns drillenden Unteroffizier« und voll Entrüstung hauchte er uns an: „Kreuz- schockschwerenoth! Treten Se doch zu; Sie haben geschworen, zu Wasser und zu Lande zu dienen!" — Immer praktisch. Bei einer kürzlichen Verurtheilung eines Barbiergehilfen durch das Ge richt zu einer Geldstrafe von 20 M. oder entsprechen der Haft soll der Verurtheilte auf die übliche Frage: „Ob er noch etwa« einzuwenden habe?" erwiver» haben: „Der Herr Amtsrichter möge ihm gestatten, den Betrag der Strafe abbarbieren zu dürfen." — Da hat er«. Städter, eine bayrische Kell nerin in die Backe kneifend: „Sie, liebste« Fräulein, reden S' doch amal a bissel bayrisch; da« klingt s» reizend und macht mir immer so viel Spaß!" — Kellnerin: „Du Lausbub, Du sakerter, willst a Wat schen haben?" Standesamtliche Nachrichten von Eibenstock vom 8. bis mit 14. März 1883. Geboren: 58) Dem Handarbeiter Friedrich Hermann Uhl mann hier T. 57) Dem Handarbeiter Gustav Emil tzevmann hier T. 58) Dem Spediteur Eduard Albin Strobel hier S. Hierüber: Nr. 58) u. 80) zwei uneheliche Geburten. Aufgeboten: 3) Der Maschinensticker Gustav Jugelt hier mit der Stickerin Marie Anna Meichsner hier. (Eheschließungen: Vaoat. Gestorben: 48) DeS Maschinenstickers Friedrich Bernhard Sandler hier S-, Willy Reinhold, 11 M. 7 T. 48) Der un- »erehel. Maschinengehilfin Emilie Marie Hutschenreuter hier S., Emil Curt, 2 M. 24 T. 50) Der Handarbeiter Johann Dressel hier, ledigen Stande-, 52 I. 1 M. 10 D. 51) Des Maschinenstickers August Bernhard Werbig hier S.. Fritz Emil, 7 M. 2« T.