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Amts- und Anzeigevlatt für den öcnrk des Amtsgerichts Eibenstock sertionSprciS: die kleinsp. o Pf und dessen Umgebung. Abonnement viertclj. 1 M. 20 Pf. (incl. Jllustr. Unterhalrbl.) in der Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei allen ReichS- Postanstalten. VS Berantworklicher Redakteur: E. Hanvebohn in Eibenstock. 41. Donnerstag, den 28. Juni L8S4. Zwangsversteigerung. DaS im Grundbuche auf een Namen Lkv«t eingetragene Grundstück, bestehend aus dem Wohnhaus» mit Schuppen Nr. 1160 des Brandkatasters und dem Flurstücke Nr. 747 b des Flurbuchs, Folium 115 des Grundbuchs für Oberstützengrün, geschätzt auf 3350 Mk., soll zwangs weise versteigert werden und ist der iS. Juki 1894, Vormittag 1« Uhr als Anmeldetermin, ferner der 10. August 1894, Vormittag 10 Mr als Versteigerungstermin, sowie der 18. August 1894, Vormittag 11 Mr als Termin zu Verkündung des Vertheilungsplans anberaumt worden. Die Realberechtigten werden aufgefordert, die auf dem Grundstücke lasten den Rückstände an wiererkehreuden Leistungen, sowie Kostenforderungen, spätestens im Anmeldetermine anzumelden. Eine Uebersicbt der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann nach dem Anmelvelermine in der GerichiSschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Eibenstock, am 22. Juni 1894. Königliches Amtsgericht. Kautzsch. Bekanntmachung. Da wahdzunehmen gewesen ist, daß nicht allenthalben Klarheit darüber herrscht, in welcher Höhe den Arbeitern Krankenkassen-, Invalidität-- und Alters versicherungs-Beiträge abzuzieben sind, so wird hiermit bekannt gegeben, daß der Arbeitgeber */, der Krankenkassenbeiträze und die Hälfte der JnvalivnätS- und Altersversicherungs-Beiträge zu tragen hat und nur den Reit den Arbeitern ab ziehen darf. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, daß die Maschinengehilfen (Aufpasser), auch wenn sie vom Sticker bestellt sind und von demselben den Lohn ausgezahlt erhalten, als Arbeiter Derjenigen anzusehen sind, in dessen Lohn und Brot der Sticker steht. Zuwiderhandlungen werten nach ß 82 rcS KraukenversicherunzSgesetz's, so fern nicht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine härtere Strafe eintritt, mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. bestraft. Eibenstock, den 25. Juni 1894. Der Rath der Stadt. I. V: Landrock. Gnüchtel. Bekanntmachung. Die Lieferung und Anfuhr der im kommenden Winter für die städt ische Verwaltung erforderlichen 70 «km gute« fichtenes Brennholz (Rollen oder Scheite) soll an den Mindestfordernven vergeben werden. Schriftliche Angebote mit Preisangabe sind versiegelt und mit entsprechender Aufschrift versehen längstens bis zum 7. Juli dss. Is. bei dem unterzeichneten Stadlrath einzurcichen, woselbst auch die näheren Beding ungen der Lieferung bekannt gegeben werden. Eibenstock, den 20. Juni 1894. Der Rath der Stadt. I»«. Körner. Hans. Bekanntmachung. Donnerstag, den 28. Juni ««., Norm. 11 Uhr sollen bei hiesiger Güterexpedition zwei Fatz eingesotteue Preitzelbeeren im Gewichte von 139 Kg. gegen Baarzahlung meistbietend versteigert werden. Eibenstock, 27. Juni 1894. Die Güterexpedition. Stockholz Auction auf Eibenstocker Dtaatsforstrevier. Sonnabend, den 30. Juni 1894, Abend 6 Uhr sollen die in Abtheilung 68 (oberhalb des Siechhause«) anstehenden Stöcke an Olt und Stelle versteigert werden. Die Vevierverwat'tung. Zur Ermordung des Präsidenten Carnot. Eine neue blutige Frcvelthat, ein feiger Meuchel mord ist, wie wir am Montag und Dienstag durch Extrablatt bereits berichtet haben, in den Annalen unserer Zeitgeschichte zu verzeichnen. Erst wenige Tage sind vergangen, seitdem ein elender Mordbube den Revolver gegen das greise Haupt CriSpi« richtete — und abermals bringt der Telegraph eine solche Kunde, doch mit dem schlimmen Unterschied, daß dies mal der mörderische Stahl sein Ziel erreicht hat, daß ein Staatslenker getöbtet worden, dessen Charakter- reinheit und dessen politischem Takt auch von seinen erbittertsten Gegnern hohe Achtung gezollt wurde. Der erste Eindruck wird überall der des Mit gefühls und der Trauer gewesen sein, denn es ist ein edler und maßvoller Mann gewesen, der jetzt aus der Todtenbahre liegt, ein Mann, der das fran zösische StaalSschiff geschickt zu leiten verstand und e« immer in ruhigem Fahrwasser hielt. Er hat den Chauvinismus seiner LanbSleure gezügelt und der Republik auch im Ausland« Ansehen und Einfluß erworben; trug ihm doch die ruhige und vornehme Art,- in der er den Staatsgeschäften Vorstand, sogar die Gunst de« russischen Selbstherrschers ein. Daß die Beseitigung eine« so besonnenen, staat-klugen Mannes die Stabilität der Republik bedroht und bei der Unberechenbarkeit de« gallischen VolkScharakterS vielleicht auch noch über die Grenzen Frankreichs hinaus schlimme Folgen haben kann, wird man sich heute wohl allerorten selbst sogen. Daß Carnot von einem Italiener niedergejtochen worden ist, wird da« Nationalgefühl der Franzosen entflammen unv damit zugleich auch ihrem Chauvinismus neue Nahrung geben. — Man weiß zur Stunde noch nicht, wa» rem Mörder den Dolch in die Hand gedrückt hat. Line» aber hat jedenfalls da» an Carnot begangene blutige Verbrechen mit den anarchistischen Morden und Attentaten, die in der jüngsten Zeit Frankreich, Italien und Spanien heimgesucht haben, nämlich die Zwecklosigkeit, wenn man will, den politischen Unver stand, und sicherlich die brutale Rohheit einer Denk art gemein, die sich ihre Opfer wählt, ohne zu fragen, cb sie an den Verhältnissen, die der Mörder in seinem wirren Denken als unerträglich ansieht. Schul» tragen, und ob ibr Blut an jenen Dingen etwa» ändern wird. Nur daß der an der Schwelle des Jünglings alter« stehende Italiener nicht einen wahllosen Massen mord versuchte, sondern eine bestimmte Persönlichkeit al« Ziel für seinen Stahl heraussuchte, unterscheidet ihn und seine That von dem infamen Gesindel, dessen Thaten in Spanien und Frankreich noch in Aller Gedächtniß sind. Im Uebrigen erscheint eS fraglich, ob hier lediglich ein weiterer Akt anarchistischer Bruta lität oder ein politischer Mord anderer Art vorliegt, oder ob beide Beweggründe zusammen dem jungen Verbrecher die Mordwaffe in die Hand gedrückt haben. Santo ist ein Italiener; vielleicht haben nicht wirre und wüste anarchistische Phantasien ihn zum Meuchel mörder gemacht, sondern nationaler Haß. — Von der unseligen Affaire AigueS-MorteS her blieb in vielen italienischen Gemüthern ein tödtlicher Haß um so mehr zurück, als eine ausreichende Sühne für die damals von französischem Gesindel an Italienern begangenen Mordthaten niemals erfolgt ist. Man denke sich eine vielleicht durch die Lektüre wahnwitzig zügelloser anarchistischer Literatur noch mehr erhitzte Phantasie eines Italieners und man kann wenigstens begreifen, wohin er in so schwüler, blutriechender Atmosphäre gerathen konnte. Es ist denkbar, daß der Groll gegen das französische Volt in ihm den Ge danken zur Reife bringen konnte, durch eine sensatio nelle That seine Landsleute an den Franzosen zu rächen. Frankreich verkörperte sich ihm im Präsiven- ten Carnot, ihn mußte er sich al» Opfer heraussuchen. Da- ist wenigstens eine Möglichkeit, die That Santo'» psychologisch zu erklären. „Tod den Italienern!" In diesen Haßschrei hat sich da» starre Entsetzen der Lyoner Bevölkerung an gesichts der Ermordung de- Präsidenten Carnot ge löst, eine wilde Jtalienerjagd in den Straßen ihrer Stadt war die erste Todlenfeier, die sie dem jäh da- hingerafftcn Oberhaupte der Republik zu veranstalten wußte, und nur einem Massenaufgebote von Polizei und Militär gelang es, ein Blutbad unter Unschul digen zu verhüten, die kein Vorwurf treffen kann, als der der Landsmannschaft mit dem Mörder vom 24. Juni. Bedenklicher als alle anderen politischen Folgen der Unthat Cesare Santos erscheint uns dieses Hinüber- fluthen der nationalen Erregung in Frankreich in die Italien feindliche Seelenströmung, die ohnehin seit längerer Zeit und insbesondere seit der vorjährigen Manöverreise des italienischen Kronprinzen in die Reichslande in hohen Wellen geht und alle Dämme vorbauender Staatsklugheit zu zerreißen droht, wofern die Regierung und ihre Organe nicht die äußerste Wachsamkeit, verbunden mit eiserner Thalkraft, ent falten. In Lyon ist cS der Energie und Umsicht der Behörden gelungen, ein Gegenstück zur sizilianischen Vesper und eine Erneuerung der Metzelei von AigueS- MorteS im großen Stile zu verhüten. Wer es mit dem europäischen Fi jeden ehrlich meint, muß wünschen, daß die gleiche Umsicht und Energie der verantwort lichen Personen überall in Frankreich mit gleichem Erfolge bethätigt werden möge, da andernfalls eie Ermordung Sadi CarnotS, die an und für sich nur für Frankreich eine Katastrophe bedeutet, zu einer Katastrophe für Europa werden könnte. In demselben Maße, in dem die Auffassung an Wahrscheinlichkeit gewinnt, daß die Ermordung Car- not« den VerbrechenSthaten de» internationalen Anar chismus einzureihen ist, in demselben Maße schwin det die Gefahr eines HinübergreisenS der Folgen der Tragödie von Lyon auf das internationale Gebiet. Ganz erheblich trägt dazu da- taktvolle und würdige Verhalten der berufenen Vertreter Italien« bei. König Umberto, der trotz seiner meisterhaften Beherrschung de- gesprochenen und geschriebenen Worte» nur selten seine Stimme in der Oeffentlichkeit vernehmen läßt, rann aber jederzeit den treffendsten Ausdruck für die Empfindungen der italienischen Volksseele findet, hat an Frau Carnot und den Ministerpräsidenten Dupuy Beileidskundgebungen gerichtet, die ihre» ergreifenden