Volltext Seite (XML)
Amts- und Anzeigeblatt für den Erscheint « Abonnement -SL-» «Wk des Lmlsgmchls Libenjiock Z-Z- sertion-prei«: die Neinsp. . . „ ten, sowie bei allen Reich«- Zelle 10 Pf und dessen Umgebung. P-st-nstalten Verantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. 40. 1V. Dienstag, den 14. Februar 18S3. Das Brandunglück in Leipzig. Die bereit» gemeldete gräßliche Brandkatastrophe in Leipzig hält daselbst alle Gemächer in Spannung. Die Brand- und Unglücksstätte befindet sich in dem nur wenige Fenster Front zählenden, dagegen ziemlich weit in die Tiefe gehenden Hause Neumarkt 7. Der Inhaber desselben hat seit der Uebernahme de» Lokal» ziemlich viel von sich reden gemacht. Durch ver schiedenerlei Veranstaltungen, eigenartige, wechselnde Dekorationen rc. wußte er seinem Lokale stet» eine gewisse Anziehungskraft zu sichern, sodaß das Restau rant vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein gut besucht war. Da» Neueste, was er seit ein paar Tagen veranstaltet hatte, betitelte sich „Der Karneval bei Schäfer." In der 12. Stunde am Mittwoch hatte sich das mit Tannenrcisig, künstlichen Blumen, Fahnen, Früchten, Draperien reichgeschmückte Lokal allmählich geleert, nur in dem Hinteren Theile, dort, wo das Billard steht, saß ein Kreis von Freunden in trauter Unterhaltung, und an einigen Nebentischen hatten ein paar Stammgäste Platz genommen. Herr Schäfer hatte sich bereits zur Ruhe begeben. Einige Kell nerinnen rechneten mit dem Buffetier ab. Da wird die Thür geöffnet und herein kommt der 33 Jahre alte Weinhändler Max Kretzschmar mit einem Be kannten, dem 8tucl. eiiöiu Richard Päßler. Kretzsch mar ist, wie die „L. N. N." berichten, unter dem Namen „Champagner-Max" eine im Leipziger Kneipen leben wohlbekannte Persönlichkeit, stets zu allerlei losen Streichen aufgelegt und excentrisch bis zu dem höchsten zulässigen Grade. Max Kretzschmar hatte am Mitt woch wieder »seinen Tag." Er hatte mit seinem Freunde in verschiedenen Lokalen herumgezecht und dabei u. A. im „Börsenkeller" den „Witz" begangen, eine Rakete loszulassen. Auch bei Schäfer plagte ihn der Uebermuth und in bodenlosem Leichtsinn zog er wieder eine Rakete aus der Tasche und ließ sie in dem engen Raume steigen. Zischend fuhr der Feuer werkskörper nach der gegenüberliegenden Seite und setzte im Nu da» Tannenrcisig und all' den anderen Flitterkram in Brand. Schneller als man denken kann, nahm das Feuer, dem die vorhandenen Deko rationen rc. überreiche Nahrung boten, an den Wänden entlang seinen Laus, einen Rauch verbreitend, der das Lokal trotz des Feuers in einen undurchdringlichen, finsteren Rauch hüllte. AuSgang fand der Rauch durch den Fahrstuhlschlot, mittels dessen die Speisen auS der im ersten Stock gelegenen Küche nach den Parterre-Räumen befördert werden. Dem Rauche nach schlug die gierige Flamme durch den Schlot und setzte so ihren verhängnißvollen Lauf nach den oberen Stockwerken fort — Unheil und Verderben überall hinsendend. Da« Alle« geschah mit einer Geschwin digkeit, die jeder Beschreibung spottet. „Rette sich, wer kann!" rief der Buffetier — da« waren die letzten Worte, die man in diesem Raume vernahm. — — Auch von der Straße au» wurde man jetzt de» Feuers gewahr. Ein Motor- und Dampfspritzenzug traf 12 Uhr 24 Minuten vor der Brandstätte ein und be gann in Abwesenheit de» in Berlin weilenden Herrn Branddirektor Bandau, unter Oberleitung de» Herrn Brandinspektor Kästner die Bekämpfung de- Feuer herde». Der Wirth, der au» seiner im zweiten Stock werk gelegenen Wohnung bei Au-bruch de« Feuers nur nothdürftig bekleidet auf die Straße geeilt war, rief den Feuerwehrleuten zu, daß sich seine Tochter noch in dem zunächst gefährdeten ersten Stockwerk befinde. „Vater, Mutter, Hilfe!" habe er sie rufen hören. Durch Rauch und Flammen stiegen mehrere Feuerwehrleute die Treppe hinauf. Hier fanden sie die 1b Jahre alte WirthStochter Martha Schäfer, sowie die im Restaurant beschäftigt gewesene Scheuer frau Ida Weber (in Anger-Crottendorf wohnhaft) auf dem au« der Küche nach der Treppe führenden schmalen, durch eine Thür von der Treppe getrennten Gang erstickt vor. Die beiden Leichen lagen über einander und zwar so dicht an der Thür, daß letztere nur mit Mühe geöffnet werden konnte. Die kleine Schäfer und die Scheuerfrau waren bei AuSbruch de« Feuer« in der Küche gewesen. Durch den oben er wähnten Auszug war der Rauch in die Küche gedrungen und hatte sie im Nu verhüllt. Die Bedauernswerthen flohen aus der Küche nach dem Gange und sanken hier, ehe Hilfe gebracht werden konnte, von dem gif tigen Qualm bezwungen, todt nieder. Inzwischen waren, um die im dritten Stockwerk befindliche Familie zu retten, nach dieser Etage die große Leiter, sowie der Rettungsschlauch angelegt worden. Durch den selben wurden der Vater, die Mutter, sowie drei Kinder der betreffenden Familie in Sicherheit gebracht. Ein aus der vom ersten zum zweiten Stockwerk führenden Treppe im bewußtlosen Zustande aufgefundenes Dienst mädchen, Namens Schneider, ließ man ebenfalls vom dritten Stockwerk auS durch den Rettungsschlauch hinab. Beim Vordringen der Mannschaften durch das Feuer im Parterreraum vernahm der Feuerwehr- mann Heine in der hinter der Büffetstube des Restau rants im Hofe gelegenen Retirade ein schwache« Stöhnen. Er öffnete die Thür und holte einen halb bewußtlosen Mann auS dem Raum heraus. Nachdem er diesen aus dem Hause geschafft, ging man mit vereinten Kräften an eine genaue Durchsuchung der von unerträglichem Qualm erfüllten Hinteren Räum lichkeiten und suchte ebenso den kleinen Hof und die Retirade nochmals ab. In der letzteren entdeckte man nun noch vier Menschen, die leblos am Boden über einander lagen. Die Unglücklichen waren todt, erstickt, und alle Bemühungen, sie wieder in das Leben zurück zurufen, blieben erfolglos. Diese vier Leute waren der 19jährige Kaufmann Max Siegel, der 22jährige Kaufmann Carl Kaiser, der Ernährer seiner Eltern, der Handlungsgehilfe Paul Werner und der Korre spondent Joseph Hahn. Sie konnten in Folge deS erstickenden Qualm« nicht nach der Straße gelangen und suchten Schutz in der noch rauchfreien Retirade. Doch drang auch dahin schließlich der Qualm und forderte seine Opfer. E« wurden zum Verbinden nach dem Krankenhaus gebracht der 22jährige Hugo Bach, Frau Emilie Netzschke und das Dienstmädchen Wilhelmine Schneider. Die Leichen der sechs Opfer des FeuerS transportirte man nach dem Pathologischen Institut. Als der Brand mit Aufbietung aller Kräfte gelöscht und die Gefahr schon als beseitigt anzusehen war, wurde ein Heller Feuerschein über den Hinter gebäuden bemerkbar. Durch diesen neu angefochten Brand kamen die von dem Dienstpersonal de« Restau rants „Große Feuerkugel" benutzten Schlafraume in Gefahr. Die im Restaurant bedienenden Kellnerinnen suchten in wilder Hast ihre Garderobengegenstänke in Sicherheit zu bringen, was ihnen auch gelang. Erst Morgens '/.^4 Uhr waren weitere Gefahren beseitigt. Ueber die Brandkataslrophe sei noch bemerkt, daß ver Wirth, Herr Schäfer, der mit 10,000 Mark ver sichert ist, am Tage vor dem Brande die abgelaufene Police erneuert hatte. Da« kleine, aus vier Personen bestehende Orchester, da» täglich im Restaurant spielte, hat seine zum Theil werthvollen Instrumente ver loren, so daß der Schaden der armen Musikanten, deren Erwerb einzig und allein die verbrannten In strumente ermöglichten, ganz bedeutend ist. Auch die MiethSparteien, die von dem verderblichen Element heimgesucht wurden, sind an ihrem Vermögen schwer geschädigt worden. Beim Retten de« kleinsten Kindes Schäfer'«, da« krank im Bett lag, mußte der Vater mit demselben durch die wüthenden Flammen. Da durch erlitt da« Kind nicht unerhebliche Brandwunden an den Füßen. „Meine Beine, meine Beine!" jammerte da« kleine Wesen. Zur Ausbreitung de« Feuers mag wohl auch da« armstark dem Hauptrohr ent strömende Ga«, da» abzustellen erst nach einiger Zeit gelang, viel beigetragen haben. — Der „Leip;. General-Anzeiger schreibt dazu noch Folgende»: Unter recht tragischen Umständen sind die erwähnten jungen Kaufleute verunglückt. Ein junger Kaufmann, der in Leipzig Stellung gesunden, nunmehr aber beab sichtigte, sich nach auswärt« zu begeben, hatte in einem anderen Restaurant seinen Abschied gefeiert und war im Begriff, mit vieren seiner Freunde seine Wohnung aufzusuchen. Am Neumarkt bemerkten die fünf jungen Leute noch Licht in Schäfer« Restau rant und begaben sich auf Veranlassung de« Spender» noch einmal in jene» Lokal, um noch ein Gla» Bier zu genehmigen. Kaum hatten die fraglichen Personen jedoch da« Lokal betreten und im Hintergrund Platz genommen, als auch die Katastrophe eintrat. Wäh rend e« dem Einen, der Leipzig zu verlassen gedenkt, glückte, aus dem Hause herauszukommen, blieben drei seiner Freunde tobt auf dem Platze, während der vierte schwer verletzt in« Krankenhaus gebracht werden mußte. Vielfach ist die Frage berochen worden, wegen welchen Vergehen« Weinhändler Kretzschmar, der durch das Abbrennen eines Feuerwerkskörpers den Brand verursacht hat, wird in Strafe zu nehmen sein. Kretzschmar hat sich einer qualifizirten, fahr lässigen Brandstiftung im Sinne des ß 309 des Straf gesetzbuches schuldig gemacht, welcher lautet: „Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit Geld- strafe bis zu 900 M., und wenn durch den Brand der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft." Nach dieser Bestimmung hat die Bestraf ung zu erfolgen. Bezüglich deS Urhebers der Katastrophe kursiren in den letzten Tagen verschiedenerlei Gerüchte. Nach dem einen Gerücht sollte er sogar im Unteisuchungs- gefängniß Hand an sich gelegt haben. Man sprach davon, daß Kretzschmar seinem Leden durch Erhängen ein Ziel gesetzt. Diese« Gerede ist grundlos. Kretzsch mar ist zwar selbstverständlich in Folge des Unheil«, das er angerichtet, etwas aufgeregt, doch trägt er sich keineswegs mit Selbstmordgedanken. Die Folgen werden für ihn außer der zu erwartenden Gefängnis strafe auch in pekuniärer Hinsicht schwer sein, da man den, wie man sagt, ziemlich vermögenden Mann auch für den angerichteten materiellen Schaden rc. verant wortlich machen wird. ES dürsten nämlich nicht nur die Versicherungs-Gesellschaften und -Kassen Schaden ersatzansprüche erheben, sondern auch die Angehörigen der Tobten, die durch das Ereigniß ihrer Ernährer beraubt worden sind, dürften materiellen Ersatz von Kretzschmar verlangen. Hagesgeschichle. — Deutschland. Die internationale Sa- nitätSkonferenz zur Bekämpfung der Cholera, die demnächst in Dresden statlfinden soll, ist von der- österreichisch-ungarischen Regierung als eine förmliche diplomatische Konferenz geplant, die, nach den Instruk tionen der verschiedenen Staaten handelnd, unter Um ständen verbindliche Beschlüsse fassen würde. Nur Diplomaten, die von amtlichen Sanitätspersonen be gleitet sind, sollen an die Konferenz abgeordnet wer den. Man will absichtlich eine Konferenz von Profes soren vermeiden, da diese wegen ihrer abweichenden Theorien möglicherweise sofort in Streit gerathen könnten. — „In den maßgebenden Kreisen neigt man, da eine Aenderung in der Haltung de« Zentrum« nicht zu erwarten steht, immer mehr der Meinung zu, e» werde der Militärvorlage wegen binnen kurzer Zeit zur Auflösung de« Reichstag« kommen." So schreibt ein militärisch-offiziöser Korrespondent mehreren Blättern. Andere offiziöse Stimmen da gegen versichern noch immer, die Regierung baue fest auf einen Umschlag der Stimmung. — Ueber die deutsche Ausstellung in Chicago geht der Londoner „A. C." folgender Be richt zu: Die kaiserl. deutsche Regierung Hal in den letzten zwei Jahren keine Anstrengung gescheut, au« der Weltausstellung zu Chicago den größtmöglichen Gewinn für die deutsche Industrie zu ziehen. Der starke Prozentsatz der Deutschen unter der Bevölkerung der westlichen Metropole hat vielleicht die Entschließungen der Reichsregierung beeinflußt. Wie dem auch sei: es steht fest, daß Deutschland mit weit größerem In teresse al« die übrigen Länder die Vorbereitungen zur Weltausstellung verfolgt hat, und nun da« Resultat diese« Interesse« in der Thatsache einer Beschickung mit Erzeugnissen der deutschen Industrie vorliegt, so wie e« bisher keine Internationale Au»stcllung gesehen hat. Herr Wermuth hat al- erster von den Vertretern