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Der Wagen hielt vor dem Posihause und bald Ivar die frohe Gesellschaft in der »guten Stube" de» Postmeisters versammelt. »Jetzt aber vor Allem, Joseph," bat Anna, »fort mit diesem Gewände. ES weckt gar zu trübselige Erinnerungen in meiner Seele. Im Nebenzimmer ist bereits Alles für Dich in Bereitschaft." »Sogleich!" entgegnete der Postillon. Er ging aber noch nicht in das Gemach, sich umzukleiden, son dern hinunter in den Hof. Dort standen seine bisherigen Kameraden. Der alte Stephan reichte ihm gerührt die Hand, ein Zweiter fuhr sich mit dem Aermel über die Augen, Oswald stammelte verlegen ein paar Worte und Klau» Hub eine Rede mit den Worten: »So zu sagen, Herr Kamerad!" an. Joseph aber trat in den Stall, klopfte zärtlich noch einmal seine beiden Füchse, dann schüt telte er seinen bisherigen Kameraden herzlich die Hand und endlich ergriff er da- Posthorn und in langge- zogencn Tönen erschallten zum letzten Male alle die Weisen, die er dem Instrument so oft entlockt hatte. Draußen vor dem Thore lauschte das Publikum den Klängen ebenso aufmerksam, wie drinnen die Freunde in den Zimmern. Noch einmal erschallte der Refrain seines Liede«: Der Wagen rollt zum Thor hinaus, Das Posthorn klang so süß: Jetzt fahr' ich ein zum Vaterhaus, Zu meinem Bräutchen süß! Dann stürzte er ins Haus und in wenigen Minu ten halte die Verwandlung stattgefunden. XII. „Auf der Stelle soll die Verlobung stattfinden!" bestand der Erbpostmeister auf seinem Kopfe. »Was an Gästen noch nicht zugegen ist, muß sogleich herbei geschafft werden," — und bald darauf erschien denn zunächst Fatzky, das ergraute Faktotum, während im Erdgeschosse für die Bediensteten, Briefträger, Wagen meister, Postillone und Dienstboten der VerlobungS- schmau« hergerichtet wurde. In feiner, gewählter Zivilkleidung, die dem be gnadigten Legionär und Doktor der Rechte vortrefflich stand, war Joseph nach dem Abschiede von seinen Kameraden, Pferden und dem Posthorne wieder in den Kreis der seiner Harrenden getreten. Und als sie nun fröhlich beisammensaßen und die Gläser erklangen, da bat er: »Nun endlich, geliebte Freunde! Erzählet mir, wie Alles gekommen. Noch vermag ich nicht zu fassen, daß fast zu gleicher Zeit der Befehl zu meiner Ablieferung an die Zentral- UntersuchungS-Behörde mit dem zu meiner Freilassung erschien." „Auch mich hat daS" — bemerkte der alte Richter, der sich al« Gevatter des ErbpostmeisterS selbstver ständlich auch eingefunden hatte—, „überrascht; aller dings auf« angenehmste." Und abwechselnd und sich gegenseitig unterbrechend und sich ergänzend, erzählten die Drei den Verlauf der Angelegenheit. Der Erbpostmeister war von seinem Gange zum Stadthause kaum heimgekehrt, als er sofort Anstalten zur Fahrt nach Wien traf und schon in wenigen Minuten rollte durch die Stadt eine mit den besten seiner Pferde bespannte Reisekutsche, in deren Innerem die stillschweigende Tochter und der bekümmerte Vater saßen. „Ich lasse Dich nicht allein reisen, Kind!" hatte der Alte zu Annerl gesagt, „gleichviel, was die Ober behörde zu meinem selbstgenommene» Urlaube sagt. Eine Frauensperson ohne männlichen Schutz ist eine Null, zumal in dieser Angelegenheit, wo Dir so viele Gänge und Besuche bevorstehen! „Mit vereinten Kräften", ist der Wahlspruch unseres jugendlichen Kaiser«; nun, wohlan denn, wir wollen mit vereinten Kräften sehen, was sich für FranzlS Rettung thun läßt!" Auf der nächsten Station und so fort und fort wurden Kurierpferde vorgelegt und noch in derselben Nacht erreichten sie das Weichbild der Residenz. DcS andern Morgen« in aller Frühe schon ließen sie sich bei jenem alten Herrn, dem Grafen, melden, der dem Legionär seine Verwendung zugesagt hatte. Derselbe empfing Beide auf da« freundlichste und war überrascht über Joseph« Verhaftung. Jndeß tröstete er sie und beschick sie auf den Nachmittag zu sich, dann hoffte er in der Lage zu sein, ihnen be friedigenden Bescheid ertheilen zu können, da Alle« von der heutigen Audienz abhinge, die sich Baron G .... beim Kaiser in der Angelegenheit auSgewirkl habe. Trübselig, zwischen Furcht und Hoffnung schwebend, gleichgültig gegen die Freuden und Sehens würdigkeiten der Hauptstadt, verbrachten sie den Vor mittag und noch wie« der Zeiger der Uhr nicht ganz die bestimmte Stunde, als sie sich bereit» wieder im Vorzimmer ihre« Gönners befanden. Sie hörten im Empfangszimmer sprechen und besorgten schon, daß der Graf vielleicht verhindert sei, sie zu empfangen, al« sich Vie Flügelthür öffnete und Baron G . . . . lächelnd auf der Schwelle erschien und sie herein- nöthigw. „Ihr Schützling, mein Fräulein, muß ein arger Sünder sein vor dem Herrn," sagte die Exzellenz mit verstelltem Ernst. »Mein Gott, wie meinen da» Exzellenz, sollte er wirklich etwa« verbrochen haben?" stammelte Annerl erschrocken. »Allerdings! E« hat sich neulich herauSgestellt, daß ter Mann ein kühner Räuber ist." »Barmherziger Himmel!" stöhnte der Vater, wäh rend die Tochter auSrief: »Nein, beim Allmächtigen, da« ist unmöglich!" „Und doch ist'« so!" lächelte der alte Graf, »und darum wird er auch verurtheilt — zu ewiger Ge fangenschaft in den Fesseln der Liebe, weil er Ihnen, mein holdse .ze« Fräulein, Ihr Herzchen geraubt hat!" »Versteh' ich recht, Euer Exzellenz! Joseph wäre —" „Ja, Joseph oder Franz ist von de« Kaiser« Maje stät, auf Verwendung dieses Herrn hier vollständig begnadigt worden." Da sank da» treue Annerl in die Knie und sich selbst vergessend, richtete sie den verklärten Blick empor und faltete die Hände wie zum Gebet, indeß dem Vater Freudenthränen über die gebräunten Wangen rannen. Auch die beiden Herren waren tief ergriffen. „Fürwahr," sagte die Exzellenz zum Baron, „eS ist doch etwas Göttliche« um da» schöne Vorrecht der Krone, daS Wort „Gnade" aussprechen zu können. „ES ist übrigens keine Zeit mehr zu verlieren, Baron," fuhr er dann fort. »Wie ich hörte, ist der Befehl zu seiner HierhertranSportirung bereit« ertheilt. Eilen Sie, dem Armen die Qual eine«, wenn auch nur theilweisen Transporte« zu ersparen und bringen Sie ihm die Kunde seiner Haftentlassung möglichst selbst. Stehen Sie auf mein liebe« Kind," sprach er dann gütig zu Anna und reichte dem jungen Mädchen die Hand, das noch immer wie in Verzückung zum Himmel blickend kniete, »stehen Sie auf und zögern Sie nicht länger, dem Freunde Ihre« Herzens diese Freudenbotschaft zu bringen." Mit heißen DankeSthränen benetzte die Glückliche die Hand de» Sprechenden und stammelte bewegt un zusammenhängende Worte die Erkenntlichkeit. „Schon gut, schon gut!" wehrte dieser ab, „ich sehe, Sie haben ein dankbare« Herz. Reisen Sie glücklich!" „Und nun schnell, meine Freundin!" munterte der Baron G . . . . im Vorzimmer auf. »Ich leiste Ihnen Gesellschaft; die Extrapost steht schon bereit!" Und fort ging'S mit sausendem Galopp. Station um Station verschwand hinter dem pfeilschnell dahin rollenden Wagen. Endlich hatte man die letzte hinter sich und schon tauchten in der Ferne die Abtei und die Thurmspitze von Melk vor ihrem sehnsüchtigen Blicke aus. Welch' ein Unterschied zwischen der Hin- und der Rückfahrt! Auch jetzt schwammen die schönen Augen des Erb- postmeisterS-Töchterlein in Thränen! Aber e« waren Zähren der Freude, de« Entzückens! Während der Fahrt hatte der Baron den Beiden auch enthüllt, weSbalb er so warmen Antheil an dem Geretteten nehme. Er wäre derselbe Mann, den der Legionär Joseph Z vor den Mißhandlungen einer wüthenden fanatischen Horde gerettet hatte. Damals hatte er das heilige Gelübde abgelegt, seinem Retter dermaleinst seine Edelthat zu vergelten. Mit Mühe hatte er seinen Namen ermittelt; allein die Zeitverhältnisse hatten ihn fern von der Residenz ge halten und al» er später zurückkehrte und Erkundig ungen nach seinem Retter einzog, war derselbe ver schwunden und verschollen. Endlich fand er ihn durch die Laune des Zufalle« unter der Maske eines Postil lons wieder. Schon damals hatte er sich ihm zu er kennen geben wollen; allein ein Wink seines Reisege fährten hielt ihn zurück, weil die Freude eine größere sein würde, wenn Joseph in dem einst Geretteten gleichzeitig seinen Retter erblicken würde. Kaum nach der Residenz zurückgekommen, suchte er um eine Audienz beim Kaiser nach und erwirkte Gnade für seinen Lebensretter. „Aber, wie soll ich Ihnen danken und vergelten, wa« Sie an mir gethan!" rief Z gerührt, al« er endlich den Schleier de« Geheimnisse« enthüllt sah. „Ich zahlte nur einen Theil meiner Schuld zu rück!" versetzte der Freiherr. „Doch genug davon, mein lieber Freund! Ich lade mich zunächst zur Hoch zeit des liebenswürdigen Brautpaare« ein und bringe vielleicht noch einen Gast mit. Wann wird da« sein? Wann dürfen wir kommen?" DaS Annerl erröthete, Joseph desgleichen und beide blickten nach dem Vater. Der aber stieß fröhlich mit dem Baron an und schalt: »Da haben wir'«! Erst setzen sie Himmel und Hölle in Bewegung, damit sie sich nur lieben dürfen und jetzt sitzen sie da, wie ein Paar betrübte Lohgerber, denen die Felle fortgeschwommen sind." »Nun denn! Die Herrschaften sind sämmtlich dazu cingeladen!" rief der Alte vergnügt sein Gla» erhebend: »Zu Martini soll die Hochzeit sein!" Vermischte Nachrichten. — Schwerin. Prinz Adolf Friedrich von Meck lenburg-Schwerin, der Stiefbruder de« regierenden GroßherzogS, hat sich in Begleitung seine» militärischen Begleiters am 1. Juni in Konstantinopel beritten gemacht und an diesem Tage einen Distanzritt von dort nach Schwerin angetretcn. Der erst 20 Jahre alte Prinz hat zu diesem Distanzritt denselben Weg gewählt, wie seiner Zeit König Karl XII. von Schwe den zurückgelegt hat. Die sämmtlichen obersten Zivil und Militärbehörden der betreffenden Distrikte, die der Prinz durchqueren wird, sind angewiesen worden, den jugendlichen Fürsten aller Orten zu unterstützen. Der Prinz wird an der mecklenburgischen Grenze von zahlreichen mecklenburgischen Kavallerie-Offizieren empfangen werden, die ihm sodann da« Geleit nach Schwerin geben. — In Buffalo (Staat New-Jork) wurde jüngst ein etwa 2b Jahre alter Mann Namen« William Reynold verhaftet, unter der Anschuldigung, den Ver such gemacht zu haben, fast gleichzeitig zwei junge Mädchen au« Buffalo zu heirathen. Nach seiner Verhaftung machten die mit der Erforschung seiner Vergangenheit betrauten Detektiv« die staunenerregende Entdeckung, daß er außerdem nicht weniger als elf lebende Frauen hatte, die sämmtlich schön und jung sind. Man kann sich leicht vorstellen, welchen Ein druck die Nachricht von den Schurkenstreichen Reynolds unter den Betheiligten hervorrief. Vier Frauen au« Salamance thaten sich sofort zusammen, um nach Buffalo zu ziehen und gegen den Blaubart die Klage wegen Vielweiberei zu erheben; gegebenen Falles, d. h. wenn ihn die Richter nicht zum Tode ver- urtheilen, wollen sie — die Frauen — ihn mit Hilfe ihrer würdigen Mütter höchst eigenhändig aufknüpfen. — Warum soll man beim Gähnen die Hand vor den Mund halten? Ein Londoner Blatt bietet für diese AnstandSregel folgende Erklär ung : Bor 400 oder bOO Jahren herrschte in Europa allgemein der Aberglaube, der Teufel liege immer auf der Lauer, um in eines Menschen Leib zu fahren und ihn besessen zu machen. Satan hielt seinen Einzug gewöhnlich durch den Mund; hatte er nun eine Zeit lang gewartet, ohne daß der Mensch seinen Mund öffnete, so brachte er ihn zum Gähnen und fuhr dann schleunigst ein. So häufig kam die« vor, daß die Leute lernten, ein Kreuz über dem Mund zu schlagen, so oft sie gähnten, da die» den Teufel verscheuchte. Die Bauern in Spanien und Italien halten sich noch immer an diese Methode, während die meisten übrigen Menschen daS Kreuzschlagen auf gegeben haben und den Teufel abwehren, indem sie einfach die Hand vor den Mund halten. — Wie man manchmal in früheren Jahren „Meister" wurde, darüber berichtet ein Augen zeuge folgendermaßen: Der Mühlenbesitzer T. au« Z. sollte seine Müllerprüfung ablegen und erschien darum vor der hochlöblichen Innung der vereinigten Bäcker und Müller. Als Prüfungsarbeit sollte er einen Abriß, sowie Beschreibung der Mühlenwelle und des großen KammradeS machen. Da die« für ihn „böhmische Dörfer" waren, so entledigte er sich seiner Aufgabe folgendermaßen: „Herr Wirth, eine Flasche Wein!" Der Wirth bringt die Flasche und stellt sie mitten auf den großen runden Tisch. «Da» ist die Welle! Jetzt Stutzen (Weingläser) her!" Nachdem auch diese gebracht, stellt sie der Prüfling in regelmäßigen Zwischenräumen im Kreise um die „Welle". „So, da« ist da« Kammrad mit den Zähnen!" Jetzt wurde die „Wassermühle" in Gang gesetzt und ging recht flott, da die „Welle" oft erneuert und tüchtig geschmiert wurde. Gegen Mitternacht drohte die Wasserkraft zu versuchen. Flugs schickte der Müller einen Müller burschen zu der „Quelle" in seinem HeimalhSdorf und ließ die „Verstopfung" beseitigen. Nachdem der Bursche zurückgekehrt war, ging die Mühle wieder klipp klapp bis zum frühen Morgen weiter. Der Mühlenbesitzer halte die Prüfung vorzüglich bestanden. Jndeß soll die aufgewandte „Wasserkraft" ihm dock etwa 80 Thälerchen gekostet haben. — Ein guter Kamerad. Feldwebel: ...Unter kameradschaftlich versteht man kleine Gefälligkeiten, die man seinen Kameraden cnvrist. Was würden Sie z. B. thun, Schlempe, wenn Sie sehen, daß Ihr Kamerad das Essen auf dem Tische stehen hat, seine Rockknöpfe noch nicht geputzt sind und gerade zum Antreten ge blasen wird?" — Rekrut: »Ich würde schnell für ihn essen, damit er putzen kann!" — Noch schlimmer. „'S ist zum Verzweifeln! Im vorigen Jahre allein hatte meine Frau zwanzig neue Dienstmädchen!" — ,,Glücklicher! Die meine hatte zwanzig alte."" Mittheilungen des Lünigi. Standesamts Eibenstock vom 8. bis mit 12. Juni 1894. Aufgebote: u. hiesige: Vacat. d. auswärtige: Vaout. Eheschließungen: 22) Der Kaufmann Ernst Guido Miinnich in Chemnitz mit der Haustochter Ida Helene Titlet hier. 23> Der Handarbeiter Erdmann Richard Lenk hier mit der Stepperin Anna Rosalie Wehhrauch hier. Geburtsfälle: 145) Irma Paula, T. des Waldarbeiters Ernst Bernhard Hutschenreuter in Wildenthal. 146) Frieda Helene, T. des Fabrikarbeiters Friedrich Oswald Giindel in Wildenthal. 148) Walther Oskar, S. des Bäckers und Müllers Max Richard Clauß hier. Hierüber: Nr. 147) 1 unehel. Geburt. Todtgeburtsfälle: Nr. 100) 1 S. dem Fabrikaufseher August LouiS Kaufmann in Muldenhammer. Sterbesälle. 98) Paul Gottfried, außerehel. S. der Ma schinengehilfin Minna Agnes Hehmann hier, 8 T. 99) Char lotte Elise, T. des Zeichners Carl Hermann Wendler hier, 4 T. IM) Der Handarbeiter Eduard Hartmann hier, ein Ehe mann, 45 I. 8 M. 25 T.