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Zwischenzeit beanspruchen. Einzelne Polizeiverwall- ungen, die bereit« derartige ausklärende Bekannt machungen erlassen haben, erklären sich auch bereit, den betreffenden Personen, sofern sie sich in einer bedrängten Lage befinden, mit Rath und That zur Seite zu stehen, um sie vor Ausbeutung zu schützen. — Da« lebhafte Interesse, da« in Deutschland den inneren EntwicklungSkämpfcn de« Auslandes ent- gcgengebracht wird, steht in seltsamem Gegensatz zu der Antheilnahme der Bevölkerung an innerdeutschen Vorgängen. Beispielsweise hat da« Scheitern der Verfassungsrevision in Württemberg nicht in dem Maße die allgemeine Aufmerksamkeit gefunden, al« der Fall cS verdiente. Frhr. v. Mitternacht hat in der letzten Sitzung des württcmbergischen Land tag« in bündigster Weise erklärt, daß die Regierung für die sogenannte reine Volkskammer, d. h. für die Beseitigung aller Privilegirten ohne jeden Ersatz, nicht zu haben sei. Er wie« aus die Mängel de« allgemeinen direkten Wahlrechtes hin, mit denselben Gründen, mit denen auch die badische Regierung der schrankenlosen Herrschaft diese« Systems widersteht, auf die Zerklüftung der politischen Parteien, auf den Widerstreit der wirthschaftlichen Interessen, aus die Unterwühlung der gesammtcn Staat«- und Gesell schaftsordnung, auf die immer mehr sich ausbreitende Demagogie. Die Demokratie andererseits erklärt, keine andere Reform anzunehmen, al« »mindesten«" die reine Volkskammer, wobei al« weiteres Ziel schon jetzt die gänzliche Beseitigung der ersten Kammer angedeutet wird. Ucberaus zufrieden sind die Privi legirten und die Landesherren, die sich den Zugeständ nissen eventuell doch nur widerstrebend anbcquemt hatten. So wird denn die Demokratie eine alarmirenre Wahlparole haben: »Fort mit Rittern und Pfaffen!" Die demokratischen Katholiken sind ihre Alliirten, denn auch sie sind für die reine Volkskammer, weil in de» ka tholischen LandeStheilen über da« allgemeine Stimmrecht der Beichtstuhl die Herrschaft führt. Der Landtag ist nun geschlossen worden ohne die VcrfassungSfrage ent schieden zu haben u. alle Parteien rüsten sich zum Wahl kampf. Wie der „Schwäb. Merkur" heute meldet, sind diese Ende Januar 1895 zu erwarten, das nächste halbe Jahr wird Württemberg also in lebhafter inne rer Gährung begriffen sein. Daß die Vorgänge ganz Deutschland interessiren, liegt auf der Hand. — Oesterreich-Ungarn. Die ungarische Ministerkrisis ist nun tatsächlich auch formell beigelegt. Begreiflicher Weise sind die Organe der liberalen Partei über die Wiederbildung des Mini steriums Wekcrle sehr befriedigt. Dagegen weisen die oppositionellen Blätter darauf hin, daß ganz plötzlich di: »arrangirten Demonstrationen und Ovationen" auS- geblicben seien. Die Opposition glaubt nicht an eine lange Lebensdauer des Kabinets und ist überzeugt davon, daß die Eherechlsvorlage auch da« zweite Mal im Magnatenhause fallen werde. — Dänemark. In den nächsten Tagen werden die Landbefestigungen um Kopenhagen zu Ende geführt werden. Ihre Herstellung wurde 1886 angefangen und hat somit acht Jahre in An spruch genommen. Die Fortifikationcn bestehen, nebst einem 15 km langen Befestigungsgürtel auf dem linken, südlichen Flügel, aus fünf großen Fort« mit schweren Kanonen in Panzerthürmen und mit bomben sicheren Pulvermagazinen mit Räumlichkeiten für die Besatzung; ferner aus einer größeren Anzahl von offenen Batterien, in welchen die Kanonen ohne Panzer schutz stehen, wohl aber die Munitionsdepots und die Mannschaftsräume gegen feindliches Feuer völlig ge schützt sind. Die zwei Batterien, welche rechts und links, im Norden und Süden, die äußersten Punkte der ganzen Befestigungs-Anlage bilden und welchen eventuell die Ausgabe zufallen wird, den Kampf mit feindlichen Schiffen aufzunehmen, sind mit panzer brechendem Geschütz armirt. Die ganze Anlage hat nahezu 15 Millionen Reichsmark gekostet, wovon die Hälfte für den Festungsgürtel und die dazu gehören den festen Stützpunkte ausgeworfen worden ist. Binnen wenigen Monaten wird auch das neue große Fort, welche« mit einem Kostenaufwand von vielen Millionen in der See selbst, nördlicher als die fünf älteren SeefortS, gebaut wird, vollendet werden. Locale nnv sächfische Stachrichten. — Eibenstock. Eine exemplarische, aber wohl verdiente Strafe verhängte jüngst da« hiesige Kgl. Schöffengericht, indem e« einen ledigen Mann von einigen zwanzig Jahren zu einem Jahre Gefäng- niß verurtheilte. Da« Unheil wurde auf Berufung de« Verurtheilten vom Kgl. Landgerichte Zwickau be stätigt. Der Fall war folgender: Ein Handwerks meister in Schönheide ging in der Nacht ruhig seines Weg» nach Hause. Da begegnete ihm der junge Mann und stieß ihn dabei an. Schon zuvor hatte sich dieser durch lautes Schreien unliebsam bemerklich gemacht. Der Angestoßene verwies dem anderen sein ungebühr liche« Benehmen. Anstatt aber den Verweis ruhig hinzunehmen, drang der letztere auf den ersteren ein und stieß ihm schließlich, nachdem er mehrmals zu- rückgcstoßen worden war, da« geöffnete Taschenmesser in die Brust. Zum Glücke traf die« auf eine Rippe auf und richtete so nur geringen Schaden an. Der Messerheld wurde alsbald verhaftet und wird nun ein Jahr lang Zeit haben darüber nachzudenken, wie leicht er hätte zum Todtschläger werden können. Wann werken diese Messerstechereien endlich einmal aufhören? Lehrer, Eltern und Lehrherrn sollten immer und immer wieder die ihnen anvertraute Jugend ermahnen, nie mals im Streite zum Messer zu greisen und sie auf da« Unglück aufmerksam machen, da» da» Messerstcchen für den Stecher und ren Gestochenen und ihre An gehörigen bringen kann. - Schönbeive, 12. Juni. In jäher Weise wurden heute Morgen i/,5 Uhr die Bewohner unseres OrtStheile» Fuchswinkel aus dem Schlaf geweckt durch ein Feuer, da», unterstützt durch die herrschende Windrichtung und die leichte Bauart der Häuser, in kurzer Zeil 3 Wohnhäuser daselbst vollständig ver nichtete, sodaß e« der angestrengtesten Thätigkeit der herbeieilenden Nachbarn und Feuerwehren be durfte, zu retten was zu retten war. Dem Ver nehmen nach hat von den Calamitosen — Büttner The», Kislenbaucr Müller und Zimmermann Martin — nur einer versichert. Ueber die Entstehungsursache verlautet nicht». — Dresden, 10. Juni. In der Angelegenheit der seit einiger Zeit verhafteten Führer der hiesigen Sozialdemokraten vr. Gradnauer, Eichhorn und Find eis en verlautet neuerdings, daß sie wegen Er pressung angeklagt werden sollen. Da aber zu dem Begriffe der Erpressung nach K 253 de» Strafgesetz buches die Erlangung eine« rechtswidrigen Vermögen»- vortheils für sich oder einen Dritten gehört und davon bei dem Boykott der hiesigen Sozialdemokraten gegen die Waldschlößchen-Braucrei, womit man die Verhaft ung in Zusammenhang bringt, wohl kaum die Rede sein kann, so bedarf diese Meldung vorerst noch einer weiteren Aufklärung. Am heutigen Sonntag sollte 1),-. Gradnauer zu einer achlwöchentlichen militärischen Uebung antreten; ob man ihn zu diesem Zwecke aus dem Gefängniß entlassen wird, ist jedoch sehr fraglich. Bemerkt sei schließlich noch, daß gegen Vr. Gradnauer und den verantwortlichen Redakteur Fischer von der „Sächsischen Arbeitcrztg." auf den 16. d. MtS. auch eine Hauptverhandlung wegen Beleidigung der Mili tärbehörden anberaumt ist. — Leipzig. Als Fürst Bismarck von der letzten schweren Krankheit genesen war, wurde von vielen Freunden des Alt-ReichSkanzlerS ein Fonds gesammelt, um dem Fürsten die Broncestatue auf dem SiegcSdenkmale Hierselbst, in verkleinertem Maße in Silber angefertigt, zu überreichen. Jetzt erfährt man, daß die Arbeit vom Schöpfer des Denkmals, Herrn Professor Siemering ausgeführt wird, und zwar, einer vom Fürsten Bismarck selbst gegebenen Anregung folgend, in etwas veränderter Weise wie auf dem Denkmal. — Leipzig. Kein Spinnengewebe zur Stillung von Blutungen verwenden! Eine in der Südstraße wohnende Waschfrau hatte sich am Sonnabend eine Schnittwunde an der linken Hand zugezogen, die Wunde aber, um das Blut zu stillen, mit Spinn gewebe bedeckt. Schon am Sonntag früh war die Hand wie der ganze Arm unter Symptomen einer Blutvergiftung derart angeschwollen und verursachte der Frau derartigen Schmerz, daß ein Arzt hinzuge zogen werden mußte, welcher auch Blutvergiftung con- statirte. Vorstehender Fall beweist wiederum, daß der Glaube, Spinngewebe seien Heilkräfte, nicht nur ein falscher, sondern die Benutzung der Spinngewebe auch gefahrbringend ist. — Chemnitz. Während das Geschäft in Strumpswaaren noch schwer darniederliegt und auch in Möbelstoffen so schlecht gebt, wie es noch nicht dagewesen, haben die hiesigen großen Maschinenfabriken seit dem Abschluß de« russischen Handelsvertrages ausreichend zu thun, und gerade in der jüngsten Zeit sind bedeutende Aufträge auS Rußland eingelaufen. In einer einzigen dieser Werkstätten berechnet man die infolge de« genannten Handelvertrages erlangten Bestellungen auf 1,300,000 M. — Plauen. Gegen das Wahlcrgebniß im 23. Reichstagswahlkreise wird ein Protest eingereicht werden, da verschiedene und erhebliche Wahlverstöße vorgekommen sind. So ist eS zum Beispiel vorge kommen, daß ein Nachbar da« Wahlrecht für den anderen mit auSgeübt hat. Bei Prüfung des Wahl- prvtesteS wird sich der Reichstag u. A. auch mit einer Frage zu beschäftigen haben, die bisher noch nicht erörtert worden ist. Am Tage der Stichwahl — 1. Juni — ist eine große Anzahl von Landwchrlcuten zu einer Uebung eingezogen worden ; da diese längere Zeit bis zum Abgänge des Zuges auf dem Bahnhofe verweilen mußten, haben sich verschiedene von ihnen auf kurze Zeit beurlauben lassen, die sie zum Wählen benutzten. Nun bestimmt aber § 2 des Wahlgesetzes für den deutschen Reichstag: Für Personen des SolvatenstandeS, des Heeres und der Marine, ruht die Berechtigung zum Wählen so lgnge, als dieselben sich bei der Fahne befinden. E» kann nun zweifel haft sein, ob das Befindlichsein »bei der Fahne" da« Stellen auf dem Bahnhose und die Beförderung nach der Garnison in sich schließt. Die« scheint der Fall zu sein, da da» Stellen auf dem Bahnhofe und die Beförderung nach der Garnison unter dem Befehl von militärischen Vorgesetzten erfolgt, die sich »bei der Fahne" befinden; werden doch etwaige Vergehen auch so bestraft, als ob sie »bei der Fahne" bewirkt wären. Sonach hätten also alle die Landwehrleute, die ihren kurzen Urlaub zum Wählen benutzt haben, gegen das Wahlgesetz verstoßen, eine Ungesetzlichkeit, die dazu führen kann, daß auch die letzte Wahl wieder für ungiltig erklärt wird. — Roßwein. Unser im Muldenthale freundlich gelegenes Städtchen besitzt seil über drei Jahren eine kommunale Einrichtung, mittelst welcher e« den meisten deutschen Städten vorausgeeilt ist. Die hiesigen Schul behörden haben eine HauShaltungsschulc für Confirmandinnen eingerichtet, über deren Wirk samkeit Herr Schuldirektor 1>r. Rieß sich wie folgt äußert: Seit Errichtung der Anstalt vor drei Jahren haben im Ganzen 134 Mädchen eine hauswirthschaft- liche Ausbildung genossen. Alle Bedenken über die Lebensfähigkeit der Anstalt sind jetzt vollständig ge schwunden. Da die Schülerinnen in zwei Abtheilungen unterrichtet werden, so ist cs möglich, daß alle Schüler innen der zweiten Bürgerschule, welche im letzten Schuljahre stehen, am Unterricht theilnehmen können und dabei nie mehr als 24 Schülerinnen an einem Unterrichtstage vereinigt sind; etwa 40 Mal im Jahre bietet sich somit für die Schülerinnen die Gelegenheit, an einem «chulvormittagc unter sorgfältiger Anleitung ein bürgerliches Gericht herzustellen, sich durch Ein trägen des Rezepts in ein besonderes Heft selbst eine Art Kochbuch anzufertigen, beim theoretischen Unter richte sich ein Unheil über den Werth der Nahrungs mittel und deren praktischste Verwendung zu bilden, Sauberkeit und Ordnung bei Behandlung des Koch geschirrs zu lernen und sich in allerlei nützlichen Be schäftigungen und Handgriffen, wie sie in der HauS- wirthschaft vorkommen, zu üben. Der Segen für die spätere Lebensführung der Mädchen kann nicht aus- bleiben, sie werden nicht rathlcS dastehen, wenn sie später selbstständig in Küche und Haus schalten sollen, und werden dadurch erst die rechte Lust und Liebe zu hauSwirthschaftlicher Thätigkeit gewinnen. Dies ist umsomehr zu hoffen, als sich bei der Thätigkeit der doch verhältnißmäßig jungen Mädchen in der Haus- hallungSschulc fast ausnahmslos der rechte Ernst zeigt. Die Einrichtung dieser Haushaltungschule hat sich al« eine segensreiche und die Verbindung derselben mit der Volksschule als das Richtige erwiesen. — Sonderzug nach Wien. Wir erhalte» soeben die Mittheilung, daß die Königlich Sächsische Staatseisenbahnver waltung im Vereine mit der Königlichen Eisenbahn-Direktion Ersurt und der Oesterreichischen Nordwestbahn in diesem Som mer zu den groben Ferien einen Sonderzug mit außerordent lich ermäßigten Fahrpreisen von Leipzig beztl. Berlin und Dres den nach Wien über Tetschen — Jglau verkehren lassen wird. Zu diesem Zuge, welcher am Montag, den 16. Juli abgehen wird, werden auf den größeren Stationen der Königlichen Eisenbahn-Direktionsbezirke Magdeburg, Hannover und Altona, sowie auf allen übrigen fächsischen Stationen Anschluß karten zu ermäßigten Preise» ausgegeben werden. Die genauen Fahrzeiten und ermäßigten Fahrpreise, sowie die sonstigen Bestimmungen werden in einer in den nächsten Tagen erschei nenden Ueb erficht von der Sächsischen Staatseisenbahn- Berwaltung bekannt gegeben. Die Uebersicht ist unentgeltlich von den Stationen der Sächsischen Staatsbahnen, serner von den Ausgabestellen sür zusammenstellbare Fahrscheinhefte in Leipzig (Dresd. Bhf.) und in Dresden-A. (Wienerstr. 13) zu beziehen. Brieflichen Bestellungen sind 3 Pfg. Porto in Marke beizufügen. Lus vergangener Leit — für unsere Zett. Am 13. Juni 1846 starb der preußische Staatsmann, Generalpostmeister und Staatsminister K. von Nagler, ein Mann, der .dadurch interessant ist, daß sich in ihm, der im vollsten öffentlichen Leben stand, die Anschauungen und Neig ungen einer vergangenen Zeit in grellstem Lichte zeigen. Er verfolgte mit grenzenlosem Haffe jede liberale Regung und hielt es nicht blos für sein Recht, sondern auch für seine Pflicht, Briefe von ihm politisch wichtig erscheinenden Personen zu er brechen. Merkwürdigerweise haßte er auch den katholischen Klerus und die protestantische Orthodoxie. Daneben war er ein eifriger Kunstfreund und seine Sammlungen waren so werthvoll, daß sie vom Staat sür das Berliner Museum er worben wurden. ES ist in neuerer Zeit ein Buch erschienen, in welchem die Briefe Naglers an einen Staatsbeamten ver öffentlicht sind; der ungeheure Umschwung, der mit dem Jahre 1840 cintrat, ist aus keinem Buche mehr erkennbar, wie aus diesem. 14. Juni. Vor dreihundert Jahren, am 14. Juni 1584, starb der Componist Orlando di Lasso, nächst Palästrina der bedeutendste Tonsetzer des 16. Jahrhunderts. Von Geburt Niederländer, bildete er sich in Italien, bereiste das Ausland und wurde dann erster Kapellmeister in München. Er wurde so hoch geschätzt, daß ibn der Kaiser in den Reichsadel erhob und der Papst ihn zum Ritter vom goldenen Sporn ernannte. Lasso schrieb 1572 kirchliche Stücke, wie Messen, Motetten, Psalmen und 765 pro fane Stücke. Seine Hauptwerke sind seine Motetten und die sieben Bußpsalmen zu fünf Stimmen, die allein im Stande waren, auf Karls IX. von Gewiffensqualen wegen der Bar- tholomäusmacht beunruhigtes Gemüth lindernde Wirkung auS- zuüben. Der Legionär. Eine Erzählung aus Deutsch-Oesterreichs schwerer Zeit. Von Emil König. (Schluß.) »Du hast das Richtige getroffen, geliebter Jo seph!" rief Anna und blickte den Fremden mit dank glühenden Augen an. »Der Herr Baron ist Dein Retter. Seine unermüdlichen Bemühungen hatten bereit» den gewünschten Erfolg errungen und er traf eben noch zur rechten Zeit ein, die Früchte seiner Mühen zu pflücken." In stummer Dankbarkeit drückte der Legionär vem edlen Manne die dargebotene Rechte.