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feln, daß ich die Absichten dieses sauberen Geschwistcr- paares richtig erkannt habe." „Zuerst suchte man mich zu verleumden," fuhr Gustav fort, „nun wirft man einen entehrenden Ver dacht auf meine Braut, und allen diesen Bemühungen liegt nur die Absicht zu Grunde, unsere Verlobung zu lösen. Es ist eine böse Saat und ich fürchte, einige dieser Körner sind in der Seele Paulas auf frucht bare» Boden gefallen." „Das wäre schlimm," erwiderte Theodore bestürzt. „Ich kann's nicht glauben, Herr Doktor," sagte Hallstadt kopfschüttelnd, „die Falle ist gar zu plump, man muß sic ja augenblicklich erkennen. Aber wenn wir den Sonnenuntergang nicht versäumen wollen, so werden wir nun wohl aufbrechen müssen, später läßt sich dann noch weiter über die Sache reden." Der immer und aller Orten, in der Ebene wie auf dem Gebirge das Auge entzückende Sonnenunter gang war heute auf dem Rigi besonders prachtvoll. Versunken in den wundervollen Anblick stand Gustav, von der übrigen Gesellschaft getrennt, am Ge lände, als plötzlich eine Hand sich leicht auf seinen Arm legte. Die sanfte Berührung weckte ihn aus seinem Sinnen. Aufschaucnd blickte er in die blauen Augen Theodores. „Ist es war, daß Paula jenen Verleumdungen Gehör gegeben hat?" fragte sic leise. „Ich kann das nicht fasse», muß sie doch fürchte», daß sic dadurch ihr eigenes Glück zertrümmert." „Hoffen wir, daß cs nicht so weit kommen wird," erwiderte er, mit ernster Miene das Haupt wiegend. „Aber muß ich nicht annehmcn, daß es Mißtrauen war, was sie bewog, mich von dieser Reise zurückzu halten? Und wird sic mir nun nicht zürnen, weil ich ihren Wunsch nicht erfüllen wollte?" „Ich begreife auch das nicht — liegt es doch in ihrem eigenen Interesse, daß die Betrüger entlarvt werden." „Sic hat aufdic verlorene Snnune längst verzichtet." „Wenn auch — der Betrug selbst inuß bestraft werden, ich würde ans gerechte Vergeltung in solchem Falle nie verzichten können. Wie ist es aber möglich, zu glauben, daß Sie für jene Frau noch einen Rest von Liebe und Achtung empfinden können." Ein bitteres Lächeln glitt über seine Lippen. „Sie begreifen das nicht, mein Fräulein," sagte er, „Sie wissen nicht, welcher Thorheitcn die Eifer sucht fähig ist. Einer thörichten Laune wegen konnte und wollte ich nicht auf diese Reise verzichten, aber ich hoffe, das Resultat derselben wird alle Zweifel heben." „Und wenn Sie kein Resultat erzielen?" „Das wäre freilich bös, aber Paula wird ja ver ständig sein, und an Ihnen hoffe ich auch eine Freundin zu gewinnen." „Darauf dürfen Sie vertrauen," nickte Theodore. „Aus dem Briefe, den Sie mir überbrachten, erkannte ich, daß ans das Glück Paulas ein dunkler Schatten gefallen war; sic blickt besorgt in die Zukunft, sic fürchtet, daß der schöne Traum in Nebel zerrinnen könne — ich verstehe das Alles nicht, mich mußte dieser Wankelmuth überraschen. Nun freilich geben Sie mir einen Schlüssel zu dem Rathsel, aber lösen kann ich cs noch immer nicht." Arm in Arm schritten die Beiden langsam zum Hotel hinunter. „Es wird wohl nur eine Laune gewesen sein," sagte er, „ernstes, ruhiges Nachdenken wird meine Braut erkennen lassen, daß ich dieser Laune nicht nachgeben durfte. Noch in der letzten Stunde wollte sie mir beweisen, daß diese Reise im Grunde genommen eine Thorheit sei, die uns Allen nur Acrger und Aufreg ungen bringen würde." „Die Aufregungen werden sich freilich nicht ver meiden lassen, aber was thut's, wenn nur der Erfolg das Werk krönt! Was halten Sie von meinem Pro jekte? Gruner wird vielleicht schon heute überzeugt sein, daß er mein Herz im Sturm erobert habe —" „ES ist ein gefährliches Projekt," unterbrach er sie; „ohne es zu wissen oder zu ahnen, könnten Sie sich verleiten lassen, diesem Manne, wenn auch nnr scheinbar, Rechte einznräumen, von denen er dann ganz sicher Gebrauch machen wird." „Fürchten Sie das nicht," scherzte sie; „ich werde jedes Wort überlegen, ehe ich cs ausspreche. Soweit ich diese Leute kennen gelernt habe, ist nur durch List etwas zu erreichen — man muß sic selbst betrügen." „Darin pflichte ich Ihnen bei," erwiderte er, „und so schwer es inir auch fällt, die unangenehme Rolle zu spielen, bin ich doch dazu entschlossen." Sie waren vor dem Gasthof «»gekommen; an der Thür des Restaurationslokals stand Hallstadt, die Rück kehrenden erwartend. Einige Minuten später saßen sie allein an einem Tischchen. Hallstädt forderte eine Flasche Bordeaux. „Wann wollen Sie Ihren Besuch in Luzern machen?" fragte Gustav, nachdem die Gläser gefüllt waren. „Wir beabsichtigen, morgen früh direkt von hier aus hinzufahren," erwiderte Theodore. „Hm! Würde cs andere Reisepläne stören, wenn ich Sie bäte, damit bis übermorgen zu warten?" „In keiner Weise," sagte Hallstädt; „wir besuchen dann morgen Nachmittag noch einmal den Axenstein und machen die Tour nach Luzern erst übermorgen." „Und weshalb wünschen Sie cs?" fragte Theodore. „AuS verschiedenen Gründen. Ich will morgen mit dem ersten Zuge von hier abreisen, dann kann ich gegen zehn Uhr schon in Luzern sein. Kommen Sie übermorgen, so fönncn Sie beobachten, welchen Eindruck mein Besuch hinterlassen hat; nur vcrrathen Sic mit keiner Silbe, daß wir einander schon begeg net sind. Vor den Augen dieser Leute müssen wir einander völlig fremd sein." „Das werden Sie schwerlich durchführen können," sagte Hallstädt kopfschüttelnd; „Madame Griesheim wird ja überzeugt sein, daß Fräulein Hagen Sie an ihre Freundin adressirt hat." — „Ich werde ihr das offenherzig sage», daneben aber erklären, daß ich noch keine Zeit gefunden habe, Fräulein Hallstädt zu besuchen. Man wird >nich-übcr- wachen, ich darf also in den ersten Tagen noch nicht nach Brunnen reisen, wenigstens nicht eher, bis Sie Ihren Besuch in Luzern gemacht haben. Das Uebrigc findet sich dann später; warten wir den Erfolg des ersten Schrittes ab." Abermals schüttelte Hallstädt mit ernster Miene das Haupt. „Sie werden keinen Glauben finden," erwiderte er; „in die Falle, die Sie stellen wollen, wird man Sie selbst hineinstürzen lassen. Aber Sie müssen das wissen, ich für meine Perfon würde vorziehen, mich mit der Polizeibehörde in Verbindung zu setzen und auf dem geraden Wege durchzngehen." Theodore billigte diesen Vorschlag nicht, sie theilte die Anschauungen des Doktors und von dem Gelingen des eigenen Planes war sie zu fest überzeugt, als daß sie auf denselben hätte verzichten mögen. Die Pläne Gustavs wurden mit ihren Einzelheiten und allen möglichen Folgen noch eine geraume Zeit besprochen, dann ging man zu einem anderen Thema über, das für den alten Herrn mehr Interesse bot. Am nächsten Morgen war die Spitze des Rigi in dichte Nebel gehüllt; der Sturm umheulte den Gast hof, den nur wenige Personen auf kurze Zeit verließe», um in die wogenden, wallenden Wolkenmassen hinunter- zuschanen. Der so sicher erwartete Sonnenaufgang war in die Brüche gegangen. Alles drängte zum Bahnhof, um den unwirthlichen Ort zu verlassen. Theodore wollte mit ihrem Vater bis zum zweiten Zuge bleiben. Gustav nahm Abschied von ihnen und fuhr bald darauf nach Bitznau hinunter. Die Mitthcilungcn Theodores hatten seinen Groll gegen Elisabeth und ihren Bruder gesteigert — statt der Liebe, die ihn einst an diese Frau fesselte, fand heute nur noch der Haß Raum in seiner Seele. War es nicht genug damit, daß sie damals ihn betrogen hatte? Was hatte er ihr gethan, daß sie heute wiederum das Glück seines Lebens vernichten wollte? Nach solchen Erfahrungen durfte er keine Rück sichten mehr nehmen, keine Schonung walten lassen; der Kampf hatte eine Wendung genommen, die ihm Alles zu rauben drohte, was seinem Leben Werth verlieh. Bei der Ankunft in Vitznau lag das Schiff schon zur Abfahrt nach Luzern bereit. Gustav wählte einen guten Platz und musterte nut raschen, prüfenden Blicken seine Reisegefährten. Noch immer strömten die Passagiere auf das Schiff, das kaum Raum genug hatte, Alle anfzunehmcn, und während die Spitzen der Berge noch in Wolken gehüllt waren, spiegelte die Sonne sich in den blauen Fluthcn des Sees. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Bern. Ein Familienfest, das seiner Selten heit wegen Erwähnung verdient, wurde am Donnerstag in Unterschlatt (Thurgau) gefeiert. Zwei Gebrüder Studer, unter einem Dach wohnend, schloffen im Jahre 1844 gleichzeitig den Bund der Ehe. Am Donnerstag war ihn vergönnt, gemeinsam miteinander noch gesund und ziemlich rüstig, obschon die Jubilarc zusammen 304 Jahre zählen, ihre goldene Hochzeit zu feiern. Außer den Jubilaren betheiligten sich daran ihre 7 verheiratheten Kinder, 21 Enkel, 4 Urenkel, 1 Bruder, nähere Verwandte und viele Kirchgcnossen. Noch verdient, berichtet die „Thurg. Ztg.", die gewiß höchst selten vorkommende Thatsache erwähnt zu werden, daß der Vorsänger von 1844 immer noch als solcher seine« Amtes waltet. — Heilkraft der Gemüse. Spinat soll eine unmittelbare Wirkung auf die Nieren haben, ebenso Löwenzahn, grün genossen. Spargeln reinigen das Blut, Sellerie wirkt besonders auf das Nervensystem und heilt Rheumatismus und Nervenleiden. Tomaten (Paradiesäpfel) sind gut für die Leber. Gelbe und weiße Rüben reizen die Eßlust. Lattich und Gurken wirken kühlend. Knoblauch und Oliven besitze» starke Heilkraft, sie regen den Blutumlauf und vcrmebren die Absonderung des Speichels und de» Magensaftes. Rothe Zwiebeln sind ein ausgezeichnete» harntreiben de« Mittel, Zwiebeln überhaupt sind ein vorzügliche« Heilmittel bei Schwächezuständen der Verdauungs- Werkzeuge. — Wer hat das Recht, von einer Zeitung eine Berichtigung zu verlangen? Die Straf kammer zu Posen hat in einer Anklagesache gegen den Redakteur de« „Posener Tageblatte«", Flammer, wegen Nichtaufnahme einer Berichtigung de« Vorsitzenden de« antisemitischen Verein« zu Birnbaum dahin erkannt, daß nicht jede beliebige Person, die in dem zu be richtigenden Artikel gar nicht benannt wird, eine Be richtigung fordern könne. Die« würde zu den unge heuerlichsten Consequenzen führen und die Thätigkeit der Presse vollständig lahmlegen. Der Angeklagte wurde freigesprochen. — Ist die Dampfpfeife gesundheits schädlich? Eine sowohl für Fabrikbesitzer wie auch für Anwohner von Fabriken bemerkenSwcrthc Ent- fcheidung traf vor Kurzem da» preußische Oberver waltungsgericht. In Frankfurt a. M. wird für eine Metallgießerei durch die Dampfpfeife Ende und Anfang der Thätigkeit bestimmt. Personen in der Nachbar schaft der Fabrik führten Befchwerde beim RegierungS- präsidenden und machten geltend, daß der durchdringende Ton der Dampfpfeife ihre Gesundheit schädige. Der Regierungpräsident wie» den Polizeipräsidenten an, zu Gunsten der Beschwerdeführer einzuschreiten. Der Fabrikant erhielt eine Verfügung, wonach ihm eine Strafe von 20 Mark angedroht wurde, wenn er fernerhin die Dampfpfeife ertönen ließe. In dem gegen diese Anordnung ergriffenen VerwaltungSstreit- verfahren führte der Fabrikant aus, daß die Lokomo- tivpfeife einen viel stärkeren Ton hervorbringe als seine Dampfpfeife; auch sei cS unglaublich, daß die Signale geeignet seien, die Gesundbeit zu schädigen. Fänden einzeine Nachbarn aber den Ton der Dampf pfeife unangenehm, so stände cS ihnen jeder Zeit frei, sich in anveren Gegenden Wohnungen zu suchen. Nachdem der Bezirksausschuß Beweis erhoben und Sachverständige vernommen batte, gelangte er zu der Ueberzeugung, daß die Verfügung abzuheben sei. Der Bezirksausschuß »ahm zwar an, daß die Signale der Dampfpfeife wohl geeignet seien, die Nachbarn zu belästigen, eine GesundheitSschädigung sei jedoch nicht zu befürchte», selbst wenn die Nachbarn nervös seien. Daö Oberverwaltungsgericht trat aber dieser Auffassung nicht bei, entschied vielmehr zur Ungunst des Fabrikanten und nahm an, daß eine Dampfpfcifc geeignet sei, die Gesundheit nervenschwacher Personen zu schädigen. — Gericht« deut sch. In einer Schwurgerichts- Verhandlung in Elberfeld am 5. Mai ist nach der „K. V." den Geschworenen u. A. folgende Frage vor gelegt worden: „Ist der Angeklagte Jakob Heinrich Backhaus schuldig, zu Elberfeld am 14. Dezember 1893 den Entschluß, mit Gewalt gegen den Fuhrmann Wilhelm Brameier oder durch Anwendung von Droh ungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Tasche mit Geld nnd sonstigen Gegenständen dem Wilhelm Bra meier in der Absicht rechtswidriger Zueignung weg zunehmen, u. zwar auf einer öffentlichen Straße, durch Handlungen belhätigt zu haben, welche einen Anfang der Ausführung dieses beabsichtigten, aber nicht zur Vollendung gekommenen Verbrechens enthalten?" Wie viele mögen da» wohl verstanden haben? — Alle« schon dagewesen! DeS Schneiders Dowc Erfindung hat schon vor hundert Jahren einen Vorgänger gehabt. Die „Zürcher Zeitung" vom Jahre 1793 brachte in Nr. 20 vom Freitag, den 17. Mai folgende wörtliche Notiz: „Ein Künstler hat einen Zeug erfunden, wofür ihm mancher Dank wissen und auch der Muthlosigste in Krieg sich wagen wird. Einen Zeug nemmlich, der dem schärfsten Säbelhiebe und sogar Flintenkugcln trotzt. Der Künstler Hal alle Hoffnung, e» soweit zu bringen, daß auch Kanonenkugeln (!) den Menschen nichts schaden sollen. Man sagt, daß wirklich schon einige Regi menter in solche undurchdringliche Uniformen gekleidet worden sehen." — Ein eigenthümliches Denkmal steht auf dem Kirchhof von Hoyerswerda und ist von dem Manne, dessen Leiche darunter ruht, selbst ver fertigt. Die Inschrift lautet folgendermaßen: Groh und reich ward ich geboren, Aernilich ward ick auscrzogcn, Mühselig war mein ganzes Leben, Verfolgt ward ich aus allen Wegen, Bis ich dereinst zum Himmel an Vollendet hatte meine Bahn. Friedrich August von Sachsen, genannt Lehmann. Dieser Mann wurde in Chemnitz erzogen, er halte Tuchmacher gelernt, war unverheirathct geblieben und soll verschiedene Male den Versuch gemacht Haden, Ansprüche an den sächsischen Thron zu erheben. — Wie'S trefft! A.: „Wo wollen Sic denn hin!" — B.: „Ich will um die Hand einer der Töchter des Banquier X anhalten." —A.: „So, um welche denn?" — B.: „Da» weiß ich noch nicht; ist er glltcr Laune, nehme ich die Jüngste, ist er schlechter, die Aeltestc. Druck und Verlag von L. Hannebohn in Eibenstock