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dereinst um eine halbe Million oder gar noch mehr gedienter Soldaten stärker al- Deutschland ist, ei» Moltke an der Seine da- Urtheil fällen: »Deutsch land ist un» nicht mehr gewachsen" und damit die selbe Zuversicht im Heere erzeugen, wie sie 1870 in unseren Reihen herrschte. Im Vaterlande macht man sich sehr unvollkom mene Vorstellungen über einen möglichen Krieg der Zukunft, gerade wie in Frankreich vor 1870, wo man aus einige „zzalantou llatailies" rechnete und einen darauf folgenden glänzenden Frieden. Man legt bei uns die Erinnerungen au- jener glücklichen Zeit un willkürlich dem zu Grunde, was man künftig erwartet. Man übersieht, daß bereit- zu Ende deS Jahre- 1889 der Gesammtbestand der französischen Armee nicht weniger al- da« Fünffache dessen betrug, was Frank reich bei AuSbruch de« Kriege« von 1870 zur Ver fügung stand, — ein Verhältnis, daS nach vollstän diger Wirkung des neuen Wehrgesetze« sich bi« zum Siebenfachen steigern wird. Wer dem Federkriege über die neue Militärvor lage mit Aufmerksamkeit folgt, kann sich leider der Ueberzeugnng nicht verschließen, daß deren wahre Be deutung im allgemeinen auch nicht annähernd richtig gewürdigt wird. Man »Hut vielfach, als handle es sich um eine akademische Studie über den Werth von zwei- und dreijähriger Dienstzeit. Die Frage, ob zwei oder drei Jahre gedient werde» soll, darf gar uicht al« Ausgangspunkt für die Ueber- legung gewählt werden. Ist die Nothwendigkeit, alle Diensttauglichen auszubilden, klar und kann das aus finanziellen Gründen bei dreijähriger oder gemischt zwei- und dreijähriger Dienstzeit, wie sie bisher be stand, nicht geschehen, so folgt daraus, daß mit schlich ter Nothwendigkeit für den größten Theil der Armee die zweijährige Dienstzeit angenommen werden muß. Davor zurückschrcckcn könnte mau nur, wenn Jemand überzeugend nachwiese, daß eine zweijährige Dienstzeit absolut ungenügend für die soldatische Ausbildung sei. Dieser Beweis wird schwerlich erbracht werden da ja heute schon mehr als die Hälfte aller Mann schaften der Infanterie nur zwei Jahre dient. Da rüber, ob die Anwesenheit einer Anzahl von Leuten, die wider ihren Wunsch und Willen ein drittes Dienst jahr in einer Compagnie festgehalten werden, sür deren Tüchtigkeit wichtig ist oder nicht, ist schwer zu streiten. ES kommt dabei viel auf persönliche Ansicht und besondere Erfahrung an. — Nimmt man aber auch an, daß die Truppe durch Fehlen der Dreijährigen etwa« verlöre- so wird dies Minder doch niemals da« Mehr an Zahl auswiegen, da« wir dafür eingeheimst haben. Von einem allgemeinen Gesichtspunkt au« muß man also unbedingt sür Herabsetzung der Dienst zeit und Vermehrung der Zahl stimmen. Dieser allge meine Gesichtspunkt aber ist dadurch gegeben, daß eS sich jetzt um unsere gcsammte Machtstellung und die Zukunft Deutschlands überhaupt handelt. Wir dürfen cS nicht dulden, daß ein an Bevölkerung schwächerer Nachbar jährlich 42,MO Soldaten mehr erzieht, und daß die Zahl seiner ausgebildeten Mannschaft unter unseren Augen fortdauernd wächst, ohne daß wir et was Ausgleichendes thun. Wir dürfen uns keiner Täuschung über die Bedeutung eines Uebergcwichts hingeben, welche« so groß oder größer sein wird, als die gesammte französische Streikmacht bei AuSbruch deS Kriege« von l87O. Wir dürfen es nicht länger dulden, daß jährlich 60,000 wehrpflichtige Deutsche, welche auch thatsächlich wehrfähig sind, nicht zum Dienste eingestellt und ausgebildet werden, so daß wir, wenn es sich eines Tage« um unsere Existenz hanteln sollte, durch eigene Verschuldung nicht in der Lage sind, alle Kräfte einsetzen zu können oder Hun- derttausende ohne jede militärische Vorbereitung auf das Schlachtfeld führen müssen. Kein Zweifel, daß die durch den erforderten Mehraufwand erzeugte Last drückend ist. Aber eine Ausgabe von jährlich 65 Millionen Mark ist nicht entscheidend für den Wohl stand Deutschlands. Glückliche oder unglückliche Gestaltung der Handels beziehungen, de« Absatzes für unsere Industrie, der Steuerverhällniise fallen mit ganz anderen Summen in die Waagschale unserer finanziellen Lage. Längerer Aufschub der Reform ist ohne Nachtheil nicht möglich. Die Regierung hat mit der Militär vorlage eine sehr ernste patriotische Pflicht erfüllt. Deutschland steht am Scheidewege und muß sich ent schließen. Erfolgt die Ablehnung, so überlassen wir Frankreich den einmal gewonnenen Vorsprung mit vollem Bewußtsein. Ihn später einzuholen, wird von Jahr zu Jahr schwieriger, endlich fast unmöglich werden. Eine Anzahl von Altersklassen geht immer verloren. Hat mau sich einmal mit einem Uebelstanve abgefunden, so gewöhnt man sich auch gar leicht daran, sür die Gefahr, die er birgt, die Augen zu schließen. Unsere Hoffnung auf Erfolg im zukünftigen Kampfe könnte sich nach der Verwerfung nicht mehr auf sach liche Gründe stützen. Da« Gefühl aber, daß dem so ist und daß man im Frieden Wichtiges versäumt hat, bildet an sich schon ein Moment der Schwache für den Krieg. Wird die Vorlage Gesetz, so thut Deutschland nach kurzer Bersäumuiß einen Schritt vorwärts, den Frankreich ihm nicht mehr nachthun kann, da diese« thalsächlich an den Grenze» seiner natürlichen Kräfte angekommcn ist. Die Ueberlegenheit, die Deutschland allein in seiner Volk«;ahl besitzt, ist dann nutzbar ge macht. Die Hoffnung, im Nothfalle eine- Doppel kriege« durch glückliche n. schnelle Operationen zwischen den feindlichen Heeren den endlichen Triumph auf unserer Seite zu sehen, tritt wieder in ihre Rechte und da» Genie unserer Feldherren erhält, wenn auch nicht in so reichem Maße wie 1870, so doch immer hinlänglich, die Mittel, sich zu bethätizen. Da« Be wußtsein aber, daß im Frieden Alles geschehen ist, wa« füglich geschehen konnte, um Deutschland stark zu mache«, wird auch in den schwierigsten Lagen eine« großen Kriege« Generäle, Offiziere und Mannschaften mit festem Vertrauen auf den endlichen Sieg erfüllen. Fragt man sich, ob es überhaupt noch möglich ist, der Forderung au« dem Wege zn gehen, so muß inan mit einem entschiedenen „Nein" antworten. Deutsch land ist zu jung und lebenskräftig, um eudgiltig auf eine große Rolle im Rache der europäischen Völker verzichten zu können. Da« wird nimmermehr ge schehen, »nd daran« folgt, daß, wenn in unserer Zeit die Vermehrung unseres Heeres verworfen würde, sie in einer künftigen, -- nach trüben Erfahrungen — doch vorgenommen werden müßte. Wir Hessen, daß cs dazu nicht kommt, und daß der nnabweislicbe Schritt jetzt geschieht. Zum Schluß eine persönliche Bemerkung. Mein Standpunkt zur Frage ist nicht neu, sondern seit langem bekannt. Vor fünfzehn Jahren wies ich darauf hin, daß Deutschland mit seiner Wehrverfassuug den Lagen, welche die Zukunft berge, nicht gewachsen sei. Eö war weder schwer, das damals zu erkennen, noch ein besonderes Verdienst, eö auSzusprcchen. Doch sei eS hier erwähnt zum Beweise, daß die der Militär vorlage zu Grunde liegende Ansicht schon in jener Zeit verbreitet war und cs sich heute um keine dem Volke willkürlich bereitete Ueberraschung handelt. Zu gleich wird mich diese Vergangenheit vor dem Ver dachte schützen, nur einer augenblicklichen Regung zu folgen oder gar zum höheren Ruhme der herrschenden Richtung zu schreiben; sie wird, hoffe ich, dazu bei tragen, daß diese Zeilen hingenommen werden als das, wa« sie sind, nämlich ras Ergebniß innerster Ueber- zcugung, welche aus reiflicher Ueberlegung entsprungen ist; denn auch in der Fremde, durch ganz fern ab liegende Dinge in Anspruch genommen, habe ich die militärische Bewegung im Vaterlande warmen Herzens verfolgt, immer gewiß, daß ein Ereigniß, wie das jetzt eingetretene, über kurz oder lang kommen müsse. GagesgeschMe. — Deutschland. Es ist nunmehr als sicher zu betrachten, daß die Sonntagsruhe für die In dustrie und das Gewerbe nicht bereits am 1. April d. I., wie ursprünglich beabsichtigt war, sondern frühestens am I. Januar nächsten Jahres in Kraft treten wird. Die nach den §8 105e und l05n der Gewerbeordnungs-Novelle vom Bundesrath fcstzusetzen- den Ausnahmen haben zahlreiche Umfragen erforder lich gemacht. Die von den beiheiligten Kreisen er statteten Gutachten weisen dem Vernehmen nach un erwartet große Abweichungen und Meinungsverschie denheiten auf. Die Erfahrungen, die mit den am 1. Juli v. I. in Kraft getretenen Bestimmungen für da« Handelsgewerbe gemacht worden sind, legen die größte Vorsicht und genaueste Prüfung aller Verhält nisse nahe. ES werden daher voraussichtlich neue Gutachten eingefordert werden müssen. Eine längere Zeit dürste vergehen, ehe der BundeSrath in der Lage sein wird, allen berechtigten Wünschen einigermaßen entsprechende Bestimmungen festzusetzen. Bei einer gründlichen Vorbereitung wird dies hoffentlich schließ lich gelingen. — Vom l. April 1893 ab wird bekanntlich auch für den äußeren Dienst aus den deutschen Eisenbahnen die mitteleuropäische Zeit eingeführt werden. Anch die Fahrpläne werden von diesem Zeitpunkte ab nur noch Angaben in mitteleuropäischer Zeit ent halten. Die letztere soll überhaupt im ganzen Deut schen Reich an Stelle der bisherigen Ortszeit treten, da anderenfalls eine heillose Verwirrung entstehen würde. Der Reichstag wird sich hoffentlich mit der Verabschiedung deS betreffenden Gesetzentwurfs, der an eine Kommission gewiesen worden ist, derart be eilen, daß die Einheitszeit auch für das bürgerliche Leben bereits am l. April dieses Jahres cingeführt werden kann. Ohne Unzuträglichkeiten und Schwierig keiten wird e« ja anfangs trotzdem nicht abgehen, zumal der Zeitunterschied an manchen Orten mehr als eine halbe Stunde betragen wird. Aber allmählig wird sich die Bevölkerung gewiß auch in diese Neuerung einleben und dann wird auch auf diesem Gebiete die volle Einheitlichkeit als ein großer Fortschritt erkannt und anerkannt" werden. — Schweiz. Wie schon bemerkt, beschränkt man sich in der Schweiz nicht darauf, einen Zollkrieg gegen Frankreich zu eröffnen, — die Zollsätze erhalten für einzelne Posten Erhöhungen di« zu zweihundert Prozent — sondern die Nation selbst beeifert sich, den Franzosen durch möglichste Einschränkung der Handelsbeziehungen eine Lehre zu geben. So ist am Montag in Zürich eine BolkSliga gegen Artikel aus Frankreich gegründet worden, die zunächst ein Zentral bureau für Auskunft über Bezug und Absatz zu er richten gedenkt. Vertreter aller gewerblichen und kommerziellen Verbände sind der Liga deigetreten. vocale und sLchstfche Nachrichten. — Eibenstock, 7. Januar. Gestern wurde die sich auf drei Tage erstreckende JubiläumS-AuS- stellung deS hiesigen Geflügelzüchter-Vereins eröffnet. Dieselbe zeichnet sich nicht nur durch ihre große An zahl AusstellungS-Objekie, — der Katalog weist ca. >000 Nummern auf, — sondern auch durch sehr werthvolle Exemplare aus. Die Mannigfaltigkeit de» Gebotenen giebt dem Geflügelzüchter reiche Gelegen heit zu interessanten Vergleichen und KaufSgeschäfken, während dem Laien da« schöne Arrangement de« Ganzen in die Augen springt. Wir empfehlen die Ausstellung, welche gestern naturgemäß sehr zahlreich besucht war, auch für heule und morgen noch einer fleißigen Besichtigung. — Eibenstock. Von Sonntag, den 8. Januar ab findet an den Sonn- und gesetzlichen Feiertagen die Briesbestellung nach Wilkenthal und Oberwilden- Ihal nicht mehr Nachmittags, sondern Vormittag« statt. — Schön Heide, 6. Jan. Bei der im Dezem ber v. IS. vorgenommenen Viehzählung wurden hier folgende Bestände vorgefunden: 73 Pferde, 414 Stck. Rindvieh, 227 Ziegen, 90 Schweine, 15 Schafe, 1910 Hühner, 923 Gänse und 31 Stck. anderes Federvieh. Von den vorhanden gewesenen Gänsen und Schweinen wird aber jedenfalls schon jetzt man ches Haupt nicht mehr anzutreffen sein. — Meißen. Dem ErsticknngStode nahe war in diesen Tagen das einjährige Kind eines hie sigen Fabrikarbeiters. Dem in der Wiege liegenden Kinde gesellte sich ein dreijähriger Knabe zu, welcher seinem kleinen Schwesterchen eine Wallnuß in den Mund steckte. Als plötzlich der Mutier beider Kinder da« unruhige Hin- und Herwersen des Jüngsten auf siel und üe nach der Ursache dieses Umstande« forschte, sah sie zu ihrem Schrecken durch den weit geöffneten Mund die Nuß im Schlunde ihres Liebling« sitzen; schnell entschlossen legte sie eS mit dem Rücken nach oben auf den Tisch und hielt ihm die Nase zu; der hierauf erfolgte Hustenansall förderte die Nuß hervor und das Kink, obwohl schon dunkelblau im Gesicht, war gerettet. — Reichenbach, 4. Jan. Durch eine unbe deutende Veranlassung ist das Färberei-Etablissement der Firma August Paul (Besitzer: Herr Stadtrath Jul. Paul) heute früh ein Raub der Flammen ge worden, welchen außer diesem noch drei unmittelbar davon an der Burgstraße stehende Wohngebäude mit angebauten Remisen zum Opfer fielen. Kurz nach Wiederanfnahme der Tagesarbeit — '^7 Uhr Mor gen« — machte sich der Fabrikzimmermann betr. Eta blissements daran, an der Ventilation eine Dichtung auszubessern. Ein unglücklicher Zufall wollte es, daß an der bei dieser Arbeit mitgesührten Lampe sich etwa« Hanf und umherfliegender Wollstaub ent zündete. In ganz ungeahnt rascher Weise war hier mit die Ursache zu der Einäscherung der gesammlen industriellen Anlage gegeben. Obwohl einige in der Nähe befindliche Arbeiter augenblicklich hinzusprangen und ihre ganze Kraft aufboken, den entstehenden Brand wieder zu unterdrücken, so griff derselbe doch, namentlich auch durch die Transmission weiter ge tragen, mit einer derartigen Geschwindigkeit um sich, daß man allenthalben Eile hatte, die Fabrikräume zu verlassen. DaS ganze Gebäude stand im Nu in Flammen und wurde dasselbe sowie drei Nachbarge bäude vollständig cingeäschert. — Wir machen unsere Leser darauf aufmerksam, sich beim Empfang von Goldstücken diese genau anzusehen, da jetzt vielfach österreichische Goldmünzen kursiren, welche gegen unsere weniger wcrth sind. — Die Gravir- und Präganstalt von F. O. Nau- pert in Roßwein hat den Auftrag erhalten, 50,000 Stück Ahlwarvtmünzen zu prägen. (Eingesandt.) Die Zeit rückt heran, wo Eibenstock seine Erzeug nisse auf die Weltausstellung nach Chicago schicken will. Jeder der Herren Fabrikanten, welche die Absicht haben, ihre Artikel auf die Ausstellung zu senden, wird in seinen Erzeugnissen etwa« ganz Hervorragende» bieten, um der Well seine Leistungen zu zeigen, und ist daher der wohlberechtigte Wunsch laut geworden, daß man auch den Einwohnern Eibenstock'», die doch alle mehr oder weniger dazu beitragen und die alle an den Erzeugnissen de» Heimakhorte» ein ungetheilte» Interesse haben, Gelegenheit bieten möchte, diese» eben falls zu sehen. Demzufolge werden die Herren Fabrikanten von Eibenstock gebeten, sich doch zn vereinigen und die Sachen, welche sie auf die Weltausstellung nach Chicago senden, -erst einmal hier auSzustellen, damit da«, Wa der ganzen Welt gezeigt werden soll, auch der Eiben stocker sehen kann. Der Dank der Einwohner Eibenstock'« ist den Herren Ausstellern für diese Bemühungen im Vorau« sicher. Herr Emil Eberwein wird voraussichtlich für einen solchen Zweck wohl gern seinen Saal auf einige Tage zur Verfügung stellen. >V.