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empfohlen hatte. So fand denn Napoleon bei seinem Einzuge nicht, wie später in Wien, grollende Augen und stumme Wuth vor, sondern Jubelgeschrei als Empfang und servile Schmeichelei. Napoleon selbst war hierüber so erstaunt, daß er geäußert haben soll- „Ich weiß nicht, ob ich mich freuen, oder schämen soll." 28. Oktober. Al- vor -00 Jahren, am 28. Oktober 1482, Columbus mit seinen Schiffen in einen Prachtvollen Fluß an der Nord küste der Insel Kuba einlies und er diese bedeckt fand mit herrlichen, von de» afrikanischen verschiedenen Palmen, da glaubte er noch fester, als zuvor, Ostasien und Indien nahe zu sein. Er trug in fein Tagebuch ein: „Kuba ist das feste Land von Asien, wir befinden uns vor Oniesay und Zaiton (in Chinas in einem Abstande von etwa IVO spanischen Meilen." Zu dem Jrrthum des Columbus, der ihn bis an sein Ende nicht mehr verließ, trugen wesentlich Sprachmißverständnisse bei. „Leberknödeln." Militär-Humoreske von Th. Müller-Platten st einer. Die in N. dctachirte Eskadron war auf dem so genannten Schloßhofe zum Ausrücken aufgestellt; so eben war der Eskadronschef gekommen und der älteste Offizier, Premierlieutenant Mander, machte gerade Meldung. „Recht hübsch," meinte der Rittmeister, nachdem er den Premierlieutenant ««gehört hatte, „nun wird mir dieser Schmutzian Lungclmann den dritten Morgen wegen Malpropretät gemeldet; sitzen Sie doch ge fälligst ab. Sie unglückseliges Menschenkind und kom men Sie vor die Front, ich möchte mich heute einmal selbst überzeugen!" Lungelmann, dessen Pferd die Nebenleute mit Ge walt aus dem Gliede puffen mußten, denn „Hannibal" schämte sich offenbar dieser Blosstellung, blieb beim Absitzen erst mit dem rechten Sporn, dann mit dem Schwungriemen am aufgeschnallten Mantel hängen, ehe er zur Erde kam, stolperte während des Vormar- schirens über den falsch eingehakten Säbel und stand endlich vor seinem Richter. Lungelmann war nichts weniger als ein unordent licher Mensch, aber auch nichts weniger als Soldat. Er war einer von den Muttersöhnchen, wie etliche all jährlich einrücken; verzärtelt von zu Hause, gewohnt, daß er bedient Werve; er durfte den ganzen Tag und die halbe Nacht an sich, seiner Uniform und den Aus rüstungsstücken herumputzen, ohne eine nennenwerthes Resultat zu erzielen. Davon konnte sich in diesem Augenblicke die ganze Eskadron so recht deutlich über zeugen, denn heule hatte er sich fast selbst übertroffen — er bot ein äußerst befremdliches Bild für an mili tärischen Glanz gewöhnte Augen. Die Kravatte war ihm, infolge der Anstrengung bei'm Absitzen, hoch über den Kragen der Uniform hinausgerutscht, die letztere selbst war verschoben und zeigte, durch das ungeschickt angestrichene Lederzeng hervorgerufen, überall weiße Flecken, die Säbclschließe saß schief, Patronentasche und Helm ebenfalls und als ihn der sarkastisch lächelnde Rittmeister „kehrt" machen ließ, mußte er sich auf die Unterlippe beißen, um nicht gerade heraus zu wettern. Lungelmann hatte ihm nämlich die größte Ueberraschung bis zuletzt aufgespart: es waren ihm vorhin beim Absitzen die rückwärtigen Knöpfe an der Reithose gerissen und daher zeigte dieselbe einen nichts weniger als strammen Sitz. In Summa ein Anblick, der einen Eskadronschef schon zum Schaudern dringen konnte, er that es auch: „Schauderhaft, höchst schauderhaft!" war alles, was er im Augenblicke hervorbrachte. Beredter war der Blick, mit dem er den Wachtmeister, welcher den Malpropretäts-Delin- quenten zu Pferde vor die Front begleitet hatte, an sah und der ungefähr fragte: „Ja, ich bitt' Sie aber doch um's Himmelswillen, Wachtmeister, was fangen wir denn mit diesem Kerl da an?!" Ruhig, wie der Fels im Meere, stand die Mutter der Eskadron dem verzweifelnden Vater derselben gegenüber und der respektvolle aber unfehlbare Aus druck des Gesichtes des Wachtmeisters ließ den Ritt meister sofort ersehen, daß er auch einen praktischen Rath in Bezug auf dieses zurückgebliebene Kind der Eskadron in Mts habe, er nickte ihm also zu, daß er sprechen möge. „Entschuldigen, Herr Rittmeister," kam e» daran' ruckweise, gleichsam in Tempo'«, hinter dem dichten Schnurrbarte des Wachtmeisters hervor, „der Lungel mann ist ein Mensch, wie er mir noch nie vorgekom men ist; sein Berittunteroffizier, der schon einige Male wegen ihm bestraft wurde, ist seinetwegen in Verzweiflung, und doch muß er sagen, daß der Lungel mann nicht faul, sondern nur ungeschickt ist . . ." hier machte er eine kleine Kunstpause, um dann mit erhobener Stimme fortzufahrcn „und deshalb möchte ich gehorsamst Vorschlägen, daß Herr Rittmeister an Stelle des heule an Kulik . . „Kolik", korrigirte milde der Eskadronschef; „erkrankten Koches, den Lungelmann kochen ließen, in der Küche wäre er seiner Ehrlichkeit halber gut zu gebrauchen, er ver schwände nicht mehr, wäre nicht so cxplorirt . . ." „exponirt, wollen Sie sagen," „und könnte nicht am Ende bei der bevorstehenden Jnspizirung die Eskadron um ihre wohlverdiente Renommagc ..." „Renommee, Wachtmeister," „bringen!" DaS war ein Ausweg! Wenn eS auch nicht streng logisch war, daß man den Schmutzian zum Reinlich keit heischenden Geschäfte eines Koches heranzog — so ein vielgeplagter, viel verantwortlicher Eskadrons chef muß sich eben manchmal helfen wie e« geht. „Gut," entgegnete er deshalb nach kurzer Ueber- legung, „wir wollen» mit ihm probiren, im Uebrigen behalte ich mir seine Bestrafung noch vor . . . ab treten!" Lungelmann machte kehrt, wobei er sich in den Sporen verwickelte, so daß er bald hingefallen wäre und dann setzte er sich in Marsch, die Eskad ron aber brach auf Kommando des Rittmeisters zu Dreien ab und ritt auf den Exerzierplatz. Lungel mann zog seinen Hannibal in den Stall, sattelte ihn ab und halfterte ihn an, um dann, nachdem er wieder einmal ein Stündchen an seinen Sachen „geputzt" hatte, in die Kaserne zu schlürfen. Kochen sollte er, das hatte er wohl kapirt —, wie er aber kochen sollte, davon hatte er nicht die blasse Ahnung und das ging ihm gewaltig im Kopfe herum. Wäre nur der Menage-Unteroffizier zu Hause gewesen, o hätte er doch um Rath fragen können, aber auch der hatte auSrücken müssen und von den Stallwachen, die zu Hause waren, hatte er nicht» zu erhoffen, denn die hatten auch noch nicht gekocht Mechanisch zog er die Drillmontur an, in welcher er den vorigen Koch immer gesehen hatte und begab sich an sein Golgatha — die Küche. Da lag alle» schon bereit. Unter einem großen Fliegengitter einige mächtige Stücke Rindfleisch und eine große Leber, allerlei Grünzeug, in Würfel ge- chnitteneS Brod, Gewürze, und dort hing auch die Menagetafel mit dem Menu: Donnerstag, 20. Juli; Rindfleich und Leberknödeln, 104 Portionen. Lungel mann wurde eS heißer und heißer und der unge wohnte Küchengeruch machte ihm schier übel, er flüch tete in's Freie, was er leicht thun konnte, da die Küche zu ebener Erde lag; draußen lehnte er sich an die Wand und wischte sich den hervorbrechenden Angst schweiß von der Stirne. — Die Schloßkaserne war, worauf ihr Name deutete, ein ehemaliges Schloß und zwar ein kurfürstliches. In dem Schlosse selbst war seit langer Zeit das Amtsgericht und Bezirksamt untergebracht, während die übrigen umfangreichen Gebäulichkeiten zur Kaserne adoptirt worden waren. Vom rückwärtigen Theile deS Schlosses, in dem die Küchen und VorrathSräume tagen, sah man direkt auf die langgestreckte Kaserne, welche ein Gitter gegen den Schloßhof zu abschloß, an dem Nachts ein Posten stand. Droben in der Küche des Bezirksamtmannes war ein Fenster geöffnet und an diesem lehnte „Fräulein" Anna, die Bezirksamtsköchin. Sie hatte ein weißes Tüllhüubchen auf und über das blaue Kattunkleid, das die blosen, kräftigen Arme frei ließ, eine kokette weiße Schürze gebunden. „Was mag der arme Mensch wieder angestcllt haben," sagte sie vor sich hin, indem sie den an der Mauer lehnenden Lungel mann unverwandt betrachtete und wobei ein tiefer Seufzer ihren vollen Busen schwellte, „oder sollte er am Ende krank sein?" Ihr Mitgefühl kämpfte noch einige Sekunden mit ihrer weiblichen Schamhaftigkeit und dann rief sie mit gedämpfter Stimme hinab: „Herr Lungelmann, Herr Lungelmann! . . . Sind Sie krank, weil Sie nicht mit auSrückten?" Lungelmann hob den. ihm, ob der Kochangelegen heit, sorgenvoll auf die Brust gesunkenen Kopf und entgegnete mit etwas belegter Stimme: „Nein, Fräu lein Anna, krank bin i net, aber zum Koch Haden s' mich g'macht und Leberknödeln soll i kochen und das ... das kann i net — oh — oh!" Fräulein Anna hatte auf einmal das Gefühl, als wenn ihr Herz plötzlich noch einmal so groß geworden wäre — dieser Zufall war eine Fügung deS Himmels! — Anna kannte die jeweils hier garnisonirende Es kadron in Folge ihre« so günstig gelegenen Observa toriums vom ersten Wachtmeister abwärts bis zum letzten Rekruten durch und durch und was sie nicht selbst sah, das erfuhr sie bei den UnteroffizicrSfrauen, welche meistens Wäscherinnen, Modistinnen oder Kteivermacherinnen waren und Fräulein Anna als Kundschaft hoch schätzten. (Schluß folgt.) Vermischte Nachrichten. — Daß in streng katholischen Gegen den Bayerns das unbegrenzte Vertrauen der Landbe völkerung zur Geistlichkeit mancherlei Auswüchse zeitigt, beweist ein Vorgang, der kürzlich in Amberg zur ge richtlichen Verhandlung gelangte. Ein geistlicher Coad- jutor berief vier junge Burschen, die während eines Bittganges gelacht hatten, voll Zorne« zu sich, verlas ihnen einen angeblichen Paragraphen der Reichsstraf- gesetzbuchcS, wonach sie mit einjährigem Zuchthaus be straft werden könnten, und versprach, für diesmal da von absehen zu wollen, wenn die Burschen freiwillig eine Tracht Prügel in Empfang nehmen und mit ihrer Unterschrift dankend darüber quittiren würden. Nach dem vermittelst länger« Feilschens die Zahl der Hiebe pro Kopf beziehentlich Rückseite von 25 auf 1b er mäßigt worden war, nahm unter der sachkundigen Hand deS findigen CoadjutorS die Bestrafung und die Quittung ihren programmmäßigen Verlaus. E» wäre auch wohl nichts darüber in die Oeffcntlichkeit gelangt, hätte nicht der hiebfrohe VolkScrzieher sich selbst seiner Hcldenthat gerühmt. Da» Gericht ver- urtheilte ihn trotz vorgelegler Prügel-Quittungen wegen Nöthigung für jede der vier kunstgerecht bearbeiteten Rückseiten zu 5 Mk., inSgesammt also zu der milden Buße von 20 Mk. Geldstrafe. — Die neueste Gigerlmobe führte ein sem melblonder junger Mann mit vielem Selbstbewußt em Unter den Linden in Berlin spazieren. Auf einem Haupte balancirte ein fast randloser schwarzer Hut, seinen Hals umschloß ein mächtig hoher, hinten offener Stehkragen und unter seinem sackartigen Ueber- rock, der etwa die Länge einer ausgewachsenen Weste hatte, waren in Fingerbreite die Schöße seines knappen RöckleinS sichtbar. Seine Beinkleider, oben unendlich »veit, nach unten eng verlaufend, wurden durch einen bunten, breiten Gurt festgehallen, und lange gelbe Schnabelschuhe vervollständigten das Kostüm deS Modenarren, der in seiner Rechten eine mächtige Keule trug. So schritt der forsche Jüngling mit vor gebeugtem Oberkörper stolz die Linden entlang und durch die Passage, selbst ganz ernsten Passanten ein Lächeln abnöthigend. — Folgende drollige Schnurre erzählt der Londoner Korrespondent der „W. N. N." seinem Blatte: Die jungen Kaufleute, die ihr Brod tagsüber in den großen Geschäften der City verdienen, wohnen meist alle in den weit entlegenen Vorstädten, aus denen sie Morgens Bahn, Omnibus oder Pferdebahn nach den Stätten ihrer Wirksamkeit bringen. Ab solute Pünktlichkeit beim Ankommen des Morgens ist daher nicht immer möglich, und die meisten Geschäfte gewähren in dieser Beziehung ihren Angestellten eine gewisse Gnadenfrist. Eines der größten Schiffsge schäfte hat nun angeordnet, daß Alle, die zu spät kommen, in einem dazu aufgelegten Buch die Ursache ihrer Unpünktlichkeit angeben mußten. Der erste der Zuspätkommenden beginnt nun regelmäßig mit den Worten: „Zugverspätung," .Omnibuspferd gestürzt" oder wie der Fall gerade liegen mag, und die andern setzen dann darunter ebenso regelmäßig ein „Ditto". Und so gewöhnt sind sie an diesen formellen Eintrag, daß sie sich kaum je die Mühe nehmen, nachzusehen, was für eine Entschuldigung am Kopfe der Liste steht. Eines Morgens nun schrieb der erste Ankömmling gewissenhaft die Worte nieder: „Frau bekam Zwil linge," und zu seinem äußersten Erstaunen fand der Chef diese außerordentliche Entschuldigung die ganze Liste abwärts prompt „gedittot." Sein Erstaunen minderte sich nicht, als er ganz unten an der Liste auch das „Ditto" — des jüngsten Lehrlings entdeckte. Die „Ditlos" sollen seitdem in dem Buch etwas seltener geworden sein. — Polnische Ausdauer. Zu einem Arzt im benachbarten Eickel kam dieser Tage ein polnischer Bergarbeiter, um sich Rath zu holen. Der Arzt war nicht zu Hause, und das Mädchen bedeutete dem Suchenden, daß der Herr Doktor wohl erst spät am Abend zurückkehren werde. Der Pole ließ sich nicht beirren. „Ich sich warten werde," meinte er gleich- giltig und ließ sich auf einen Stuhl im Wartezimmer nieder. Die Zeit verstrich, und das Mädchen hatte die Anwesenheit des Fremden vergessen. Als sie am nächsten Morgen mit Eimer und Tuch in'S Warte zimmer trat, erschrak sie nicht wenig. Der Pole saß noch immer auf seinem Stuhl und wartete. Seine ungewöhnliche Ausdauer wurde nunmehr schnell be lohnt. HAailii wird der AAnsclj erst ganz Zufrieden? Wenn man einst den Zahn der Zeiten Schmerzlos mittelst Lustgas zieht Und mit bloßen Hühneraugen Jeden Antipoden steht. Wenn das Elbbett man zum Trocknen Aus die Wäscheleine hängt Und der Gattin zum Geburtstag Emen Ostseespiegel schenkt. Wenn man Hypothekengelder Aus ein Schneckenhaus erhält Und der Mann im Monde oben Eine Frau sich zugesellt. Wenn Saturn im Himmelswagen Mit der Venus Korso fährt Und ihr dann zum Angedenken Seinen schönsten Ring verehrt. Wenn sich jede Primadonna Blos mit Morgenröthe schminkt Und der Leutnant um die Taille Einen Festungsgürtel schlingt. Wenn nian Panzerhinterlader Blos für Hexenschüsse gießt Und mit einem Regenbogen Nach der Sonnenscheibe schießt. Wenn ein jeder Meeresbusen Einen Fischbeinschnürleib trägt Und der Sägefisch im Meere Holz auf Sägeböcken sägt. Wenn aus einer Wasserscheide Scheidewasser man gewinnt Und aus schlichtem Werg am Rocken Göttlich« Gedanken spinnt. Wenn man mit dem Stein der Weisen Spielend nach den Spatzen wirft Und aus jeder Regenpsütze Honig und Champagner schlürst. Wenn, — doch halt, soeben merk' ich, Daß ich gründlich mich geirrt. Weil ja doch der Mensch hienieden Niemals ganz zufrieden wird.