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der Tabakpflanzcr um 1085 abgenommen. Da laufende Jahr weist, soweit bi» jetzt festgcstellt werden konnte, ebenfalls ci»en Rückgang auf, insofern weitere 10 Gemeinden den Tabaksbau vollständig ausgegeben haben; die Zahl der Pflanzer ist auf 12,695, die ange- baute Fläche auf 124,379 Ar zurückgegangen. Die Ur- fache diese« Rückgänge« liegt in den niedrigen Preisen, die nicht einmal die Produktionskosten decken und des halb die Grundbesitzer zwingen, sich anderen Kulturen zuzuwenden. Angesichts dieser trostlosen Sachlage be greift man die Aufregung, in die unsere Tabaks pflanzer durch die Nachricht versetzt wurden, eS solle der Tabak seitens de» Reiches zum Gegenstände eine« neuen Steuerprojektes gemacht werden. So wie die Dinge hier liegen, vermag der Tabak auch nicht die geringste Mehrbelastung zu vertragen. Kommt eine solche trotzdem, so ist dies gleichbedeutend mit dem vollständigen Ruin der gesammtcn reich-ländischen Tabakskultur. Um über Schritte zu berathen, wie die drohende Gefahr zu beseitigen sei, ist für den 30. d. M. in Erstem, dem Mittelpunkt de« unterelsäßischen TabakSbaueS eine Versammlung von TabakSinteres- sentcn anberaumt worden. Der weiteren Entwickel ung der Angelegenheit sieht man hier mit begreif licher Spannung entgegen. — Am 31. Oktober soll die Einweihung der erneuerten Wittenberger Schloßkirchc stattfin-- den. DaS ist bekanntlich die Kirche, an deren Thür I)r. Martin Luther die berühmten 95 Streitsätze gegen den Ablaß schlug. Der Feier wird der Kaiser mit den von ihm geladenen evangelischen Fürsten beiwohnen. Locale und sächstsche Nachrichten. — Eibenstock, 26. Oktober. Bei der am 21. d. stattgefnndencn ErgänzungSwabl zur Han delskammer Plauen wurde von den 9 der Kammer bisher angehörigen Herren auch Hr. Kaufm. Hermann Rudolph von hier wicdergewählt. Durch die gestern erfolgte Ergänzungswahl für die Gewerbekammer hat die Stadt Eibenstock jedoch ihren bisherigen Vertreter verloren; eS ist indeß nicht ausgeschlossen, daß bei der in Folge freiwilligen Austritt« eines Kammermitglie- deS nothwendig werdenden Nachwahl ein hiesiger Gewerbetreibender zur Wahl gelangt. — Eibenstock. Nach einer auch an den Vor stand des hiesigen LweigvereinS gelangten Bekannt machung des Landesvereins des cv. Bundes wird der selbe seine diesjährige Hauptversammlung am 31. Oktbr. und I. Novbr. in Chemnitz abbalten. Programm: Montag, den 31. Oktbr., Abends 5 Uhr Festgottesdienst in der Kirche zu St. Pauli. Predigt: Hr. Sup. Meyer-Zwickau. Abends 8 Uhr freie Vereinigung; Vortrag: Die Idee des Papstthums und ihre geschichtliche Verwirklichung. Hr. Sup. vr. Schmidt-Annaberg. Dienstag, den 1. Novbr., Vor mittags 10 Uhr Hauptversammlung im kleineren Easinosaale, Theaterstr.; Vortrag: DaS Gesetz von 1876, die Oberaufsicht des Staats über die römische Kirche im Könige. Sachsen betr. Hr. Gymnasialrektor Prof. Or. Bernhardt-Dresden. — In obiger Bekannt machung wird zugleich die herzliche Bitte auch an die Mitglieder de« hiesigen ZweigvereinS um rege Betheiligung ausgesprochen. — Schönheide, 25. Oktober. Vor Kurzem ist hier ein stenographischer Verein ins Leben ge rufen worden. Derselbe steht unter der Leitung des Herrn Schuldirektors Tittel, der in weiten Kreisen den Ruf eines ausgezeichneten Stenographen besitzt. Der Verein beabsichtigt, neben einem schon einge- sührten Fortbildungskursus in Stenographie mit An fang nächsten Monats auch einen Kursus für Anfänger zu beginnen. — In dem benachbarten Brunn brannten am 22. d. M. ein Wohnhaus und zwei Scheunen nieder. DaS abgebrannte Wohnhaus wurde u. A. von einem blinden Korbmacher be wohnt, der von dem Unglücke ganz besonders hart betroffen wird, da seine gesammte Habe, Vorräthe und Maaren mit inbegriffen, verbrannt ist. In den Scheunen waren ziemlich bedeutende Erntevorräthe aufbcwahrt, von denen nicht das Mindeste gerettet werden konnte. Keiner der von dem Brande Be troffenen hatte versichert. — Bei dem am Sonntag Abend in Brunn bei Auerbach stattgehabten Schadenfeuer sind Wohn haus und Scheune deS Gutsbesitzers Heckel, sowie die angebaute Scheune de« Gemeindevorstande« Brück ner vollständig niedergebrannt. — Leipzig, 23. Oktober. Eine außerordent liche Agitation entfaltet die Sozialdemokratie — nicht genug damit, daß sie die Arbeiter aller Industrien und Gewerbe auswiegelt, jetzt versucht sie auch, die Turner in ihre Netze zu bekommen. Heute Morgen sand eine von sozialdemokratischer Seite einberufene Turnerversammlung Hierselbst statt, in der die Bildung eine« Agitationskomitee« in unserer Stadt für die sogenannte .freie Turnerschaft" beschlossen wurde. Die beste Antwort auf die sozialdemokratischen Wiegeleicn haben übrigen« die Turner heute selbst ertheilt; denn von den vielen Tausenden von Turn genossen in unserer Stadt hatten sich zu der heutigen sozialdemokratischen Versammlung nur etwa 120 ein gefunden, von denen Manche auch noch recht .zweifel hafte" Turner waren. — Leipzig. Einem seltenen Jubiläum geht der 45jährige Arbeiter K. au« Liebertwolkwitz entgegen. Er ist 91 Mal vorbestraft, hat jetzt, weil er einem ihm bekannten HauSmann im Brühl einen Handwagen unter allerlei Vorspiegelungen abgeschwin delt und diesen zu Gelde zu machen versucht hat, seine 92. Bestrafung zu erwarten und bedarf nur noch acht weiterer Strafen, um das Hundert voll zu machen. Bei seiner guten Veranlagung nach dieser Seite hin dürfte ihm dies nicht sehr schwer fallen. — AuS Leipzig wird folgendes geschrieben: Nachdem vor Kurzem bereit« ein Krankenkaffenarzt, der l>r. ine«!. Satorius, wegen Betrugs zu längerer Zuchthausstrafe verurtheilt worden ist, wird sich am 26. dS. MtS. wiederum ein Ortskrankenkassenarzt, der l)r. mell, von Tischendorf, wegen einer fortgesetz ten Reihe von Betrugsfällen vor dem hiesige» Land gerichte zu verantworten haben. Auch über die Ge schäftsgepflogenheiten eine« anderen hiesigen Arzte« soll eine gerichtliche Untersuchung bereit« eingeleitct sein. — Meißen. Was eine Kartosfelnachlese eintragcn kann. Eine hiesige Familie, Vater, Mutter und Tochter, haben bei der Kartoffellese in 2tägiger SonntagSarbeit noch das hübsche Quantum von vier Centnern großer, ausgesuchter Kartoffeln und einem Centner sogenannter Futterkartoffeln zusammengebracdt. ES ist lobenswerth, daß den armen Leuten gestattet wird, diese Stoppelkartoffeln zu ernten, anstatt solche durch den Frost verderben. — Seidau b. Bautzen. Die hiesige Bewohner schaft ist in nicht geringe Aufregung dadurch versetzt worden, daß am Freitag vor acht Tagen der hiesige Gemeindevorstand einen Drohbrief erhalten, in welchem geschrieben steht, daß, wenn Seidauer Be wohner bei dem Bau der Spreethal - Königswarthaer Eisenbahn keine Arbeit erhalten würden, der Ort an allen vier Ecken angezündet werde» solle, und daß, wenn die bei dem gedachten Bau beschäftigten pol nischen Arbeiter nicht entlassen würden, dem Gemeinde vorstand der Hals durchgeschnitten werden solle. In folgedessen werden jetzt allnächtlich Wachen ausgestellt, um die Absicht der Mordbrenner zu verhüten. — Ein Raufbold ersten Ranges ist der vr. meä. HanS von Oswiccinsky aus Markranstädt, welcher sich am Dienstag vor dem Landgerichte zu Leipzig wegen gefährlicher Körperverletzung und Nöthig- ung zu verantworten hatte. Am 12. Juni war Sänger fest in Markranstädt, und der Angeklagte hatte viel leicht deS Guten zu viel gethan. Um Mitternacht wurde er nach Göhren; gerufen, um dem von seinen Arbeitern übel zugerichteten Grubendirektor H. ärzt liche Hilfe zu bringen. Auf dem Wege dorthin traf er zwei heimkehrende, harmlose Musiker, auf welche er wie ein Wüthender losstürzte und einhieb. Einer der Ueberfallenen ergriff das Hasenpanier, und so kühlte er sein Müthchen an dem I5jährigen Musiker Jäger in Markranstädt in vollem Maße. Oswiccinsky bearbeitete den völlig Wehrlosen in rohester Weise mit einem Spazierstocke, so daß der Verletzte an der erhaltenen Kopfwunde drei Wochen krank war. Trotz dem nun OSwiecinSky dem Mißhandelten volle Ent schädigung für die erlittenen Schmerzen hat angedeihen lassen, um einer Bestrafung zu entgehen, ist doch die Geschichte nicht ohne gerichtliches Nachspiel geblieben, da die königliche Staatsanwaltschaft selbst Anklage erhob. Oswiccinsky wurde zu 4 Monaten 3 Wochen Gefängniß und 20 Mark Geldstrafe verurtheilt. Amtliche Mittheilungen aus der kathssitzung vom 10. Oktober 1892. Vorsitzender: Bürgermeister l)r. Körner. An wesend: 4 RathSmitglieder. 1. Man nimmt Kenntniß a. von der Gewährung einer Unterstützung an die Abgebrannten in Höhe von 300 Mark aus der Kreishilfskasse, 1000 Mark durch den Rath der Stadt Dresden und 300 M. durch den Centralausschuß deS vogtländischen und obererzgebirgischen Frauenvereins zu Dresden, d. von der Ablehnung deS Gesuchs um Ge währung einer Unterstützung an die Abge brannten au« Bezirksmitteln, c. von dem Dankschreiben deS Turnvereins für die ihm gewährte Beihilfe zu dem Fehlbetrag des GauiurnsesteS, ck. von den Kassenübersichten der Stadt- und Sparkasse auf den Monat September. 2. In Gemäßheit de« Vorschlag« de« FeuerlöschauS- schusscS werde» Kaufmann Paul Meyer zum Zug führer der Spritze HI, Maschinensticker Emil Hendel zum Zugführer der Bedienungsmannschaft des Ge- räthewagen», Kaufmann William Ziegler zum Vice- Zugführer der Spritze III, Kaufmann Max Unger zum Vice-Zugführer der Spritze V der städtischen Pflichtfeuerwehr ernannt. 3. Mehrere Gesuche um Befreiung vom Feuerwehr dienst werden theilS genehmigt, theil» abgewiesen. 4. Auf Antrag de« FeuerlöschauSschusseS wird be- chlossen, s. an den Wohnungen der Signalisten ein rothes Schild mit der Aufschrift »Feuer meldestelle" anbringen zu lassen, i>. für den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden de« FeuerlöschauSschusseS ein Abzeichen in Form einer weißen Schärpe mit Franzen zu beschaffen, c. bei Bränden am Tage einen rothen Korb und de« Nacht« eine rothe Laterne dem Vorsitzenden de« FeuerlöschauSschusseS nach tragen zu lassen, um seinen Standort weit hin sichtbar zu machen, <i. die Zugführer und stellvertretenden Zugführer mit kleinen Laternen auSzustatten, e. für die verschiedenen Spritzen zur besseren Orientirung der Mannschaften verschieden farbige Gläser in die Laternen einziehen zu lassen. 5. Zu Mitgliedern der Einkommensleuer-Einschätz- ungScommission werden seitens de» Rath« Stadtrath Brandt, Kaufmann Bernhard Löscher und Kaufmann C. I. Dörffel, als deren Stellvertreter Kaufmann Hermann Keßler, Kaufmann Nötzli und Kaufmann Hermann Wagner gewählt. Außerdem kommen 6 innere Verwaltungsangelegen heiten, 1 Schulinspektions- u. 3 Bausachen, I Steuer- und 1 Straferlabgesuch, sowie 1 Gewerbepolizcisache zum Vortrag und zur Beschlußfassung. Ämttichc Mittheilungen ans -er 13. öffentlichen Sitz ung des Ataotverordnetrn-Lollcziunis am 19. Oktober 1892. Vorsitzender: Vorsteher Hertel. Anwesend: 18 Stadtverordnete, entschuldigt 1. Der Rath ist vertreten durch den stellv. Bürger meister Stadtrath Rechtsanwalt Landrock. 1) Auf Grund der Beschlüsse des Stadlverordneten- Collegiums vom 18. August d. IS. hat der Stadt rath neue Zeichnungen und Kostenanschläge für den SchulhauSbau rc. anfertigen lassen. Die Kosten dieses neuen Projekts sind einschließlich der Ausstattung auf inSgesammt 68,308 M. 64 Pf. veranschlagt. Der Kgl. Brandversicherungsinspektor, dem die Pläne und Anschläge zur Begutachtung vorgelegt worden sind, hat hierzu mehrfach Er innerungen gezogen und den städtischen Collegien die Ausführung in etwas billigerer Weise nach einer von ihm beigcgebenen Skizze empfohlen. Danach sollen 2 Klassenzimmer ihrer Länge nach nebeneinander gelegt und von einem großen und geräumigen Treppenvorplatz aus zugängig gemacht werden. Nach längerer Aussprache einigt man sich dahin, an dem von der Commission festge stellten und vom Collegium angenommenen Projekte festzuhalten. Im klebrigen wird beantragt, die Beschlußfassung über den SchulhauSbau so lange zu verschieben, bis bekannt ist, welche Opfer die Stadtgemeinde für den abgebrannten Crottensee zu bringen habe. Dem gegenüber wird von an derer Seite unter ausführlicher Darlegung der inneren Mißstände der Schule darum gebeten, den Bau unabhängig vom Crottenseeer Brande zu behandeln und nicht nochmals zu verschieben, weil er ebenso nothwendig sei, als alles Andere. DaS Collegium beschließt die Vertagung der Vor lage bis nach definitiver Feststellung der durch den Brand verursachten Kosten und beantragt ferner, inzwischen einen praktischen Baumeister mit der Anfertigung eines neuen und zuverlässigen Kosten anschlags zu beauftragen. 2) Zugleich mit dem Schulausbau wird die Beschluß fassung über die Herstellung deS neuen Winvisch- wegs ausgesetzt. 3) Zu Mitgliedern derEinkommensteuer-EinschätzungS- commission werden die Stadtv. MeichSner, Helbig und Rau, als deren Stellvertreter die Stadtv. Friedrich, Möckel und Hannebohn wiedergewählt. 4) Die Schulgelderrechnung 1889/1890 wird nach erfolgter Vorprüfung richtig gesprochen. 5) Die Geschäftsordnung für die Stadtverordneten ist von der hierfür niedergesetzten Commission unter thunlichster Anlehnung an die seitherigen Bestimmungen und unter Berücksichtigung deS bereits bisher geübten Gebrauchs einer Umar beitung unterworfen worden. Der vorgelegte Ent wurf dieser neuen Geschäftsordnung wird genehmigt. 6) Endlich wird beim Stadtrath beantragt, regel mäßige Schlenßenspülungen anzuordnen, um den üblen Geruch der Bachwässer durch die Schleußt» zu beseitigen. Aus vergangener Zeit — für «nfere Zeit. Am 27. Oktober 180« hielt Napoleon I.'alS Sieger leinen Einzug in Berlin. ES war bekanntlich eine traurige Zeit für Preußen und Deutschland, aber die ganze Misere jener Regier ungen, die Napoleon für unbesiegbar hielten und vor ihm einfach davon liefen, lernt man doch erst au« den Einzelheiten kennen. Auch der Gouverneur von Berlin, von Schulendurg, war mit Sack und Pack davongelaufen, nachdem er in einem berühmt gewordenen Plakate „Ruhe als die erste Bürgerpflicht"