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Dicht bei seinem Heim angelangt, blieb er mit einem Male stehen und fuhr erschrocken zusammen. Er vermißte seine Brieftasche, die er, wie er genau wußte, beim Verlassen des Bureaus noch in seine Rocktasche gesteckt hatte. Mit nervöser Hast suchte er überall in seinen Kleidern, aber vergebens; der ihm sehr werthvollc Gegenstand, welcher zwar kein Geld, dagegen unter anderen seine stimmlichen Zeug nisse enthielt, war verschwunden. „Ich werde sie verloren haben," sprach er endlich resignirt zu sich selbst, „und da dieselben für keinen anderen Menschen irgendwelchen Werth besitzt, so hoffe ich sic durch eine Belohnung, die ich aus dem Wege der Annonce dem redlichen Wicderbringer versprechen werde, bald zurückzuerhalten." 4. Capitel. Herr Johann Bandervelden saß am anderen Morgen, eine Zeitung lesend und ans einer lange» Pfeise mächtige Rauchwolken vor sich hinblasend, in einem luxuriös eingerichteten Zimmer seiner Pri vatwohnung, als die Thür sich leise öffnete und seine Tochter Eugenie cintrat. Behutsam schlich sie auf den Fußspitzen dicht bis an ihren Vater heran, woraus sic ihm ganz plötzlich von hinten um den Hals fiel und einen herzlichen Kuß auf seine Wangen drückte. Als er bei diesem unerwarteten Uebcrfall unwillkür lich zusammenzuckte, brach sic in ein fröhliches Ge lächter aus und sagte: „Beinahe sollte ich glauben. Du fürchtest Dich vor mir, lieber Papa, eine so entsetzte Miene hast Dn soeben ausgesetzt! Aber beruhige Dich nur, ich werde Dir sicher nichts zu Leide thun, trotzdem ich Dich in dieser hinterlistigen Weise angefallen habe. Ich wollte Dir nur einen guten Morgen wünschen, und als ich Dich so eifrig mit lesen und rauchen beschäftigt sah, da konnte ich mich nicht enthalten, Dir auf eine besonders überraschende Art meinen Gruß zu überbringen." „Ja, nichts als Unsinn und Muthwillcn hast Du im Kopfe," brummte Herr Bandervelden anscheinend recht ärgerlich, während aus den jetzt auf seine bild schöne Tochter gerichteten Augen unverkennbar der väterliche Stolz hervorlcuchtcte. „Die Geschichte ist glücklicherweise noch gut abgclaufen, aber wenn nun bei Deinem unvernünftigen Betragen meine Pfeife entzwei gegangen wäre!" „Dann hätte ich Dir von meinem Spargelde eine yeue gekauft," lachte sie, ohne durch seine ärger liche Miene auch nur im mindesten eingeschllchtert zu sein. „Eine neue hättest Du mir gekauft!" wiederholte er spöttisch. „Ja, da sieht man wieder, einmal so recht, was Ihr Weiber für einen Verstand habt! Als ob eine Pfeife, aus der ich jetzt schon wer weiß wie lange rauche und welche durch und durch an ge raucht ist, sich so ohne Weiteres durch eine neue ersetzen ließe! Noch nicht für zehn, noch nicht für zwanzig Francs wollte ich diese Pfeife, die neu nicht mehr als fünf Centimes gekostet hat, weggeben. Das mußt Du Dir merke», mein Kind, und in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Im übrigen aber ist es mir recht lieb, daß Du gekommen bist, denn ich habe mit Dir etwas zu besprechen, wovon ich gestern Abend nicht reden wollte, weil dergleichen Dinge einem auf regen und alsdann die Nachtruhe stören können. Setze Dich also neben mich, und dann wollen wir uns recht ausführlich von der Sache unterhalten." „Deine Einladung klingt ja ganz feierlich," bc merkte Eugenie heiter, während sie sich einen Stuhl herbei zog. Ohne jedoch auf diese Aeußcrung etwas zu erwidern, fuhr ihr Vater in ernstem Tone fort: „Was ich Dir zu sagen habe, ist folgendes. Du bist kürzlich 20 Jahre alt geworden, Eugenie, und da wird es für den Vater eines solchen Mädchens all- mühlig Zeit, daß er sich nach einem geeigneten Gatten für dasselbe umsieht, zumal wenn der Vater bereits in meinen Jahren ist und ihm jeden Tag etwas Menschliches zustoßen kann." „Ich bitte Dich, lieber Papa," unterbrach Eugenie flehend, „sprich doch nicht von so entsetzlichen Dingen! Du bist gesund und rüstig wie ein junger Mann von 30 Jahren, und ich darf gar nicht daran denke», daß jemals etwas eintrcten könnte, was mich von Dir trennen müßte." „Nun ja, Du bist ein braves Kind und ich weiß, daß Du Deinen alten brummigen Vater trotz seiner vielen schlechten Eigenschaften doch gern hast," erwiderte Bandervelden bewegt. „Indessen darf mich dies nicht davon abhalten, niit Dir von einem Ereignisse zu reden, was eintrcten muß und daher auch zu jeder Stunde eintrcten kann. Es wäre aber pflicht widrig und gewissenlos von mir, wollte ich nicht jetzt schon mit denjenigen Vorkehrungen mich beschäf tigen, welche für diesen Fall mit Rücksicht auf Deine fernere Zukunft und Dein Wohlergehen zu treffen sind. Allein wirst Du dann nicht im Stande sein, Dein Vermögen zu verwalten, Du mußt einen Gat ten haben, welcher dies für Dich besorgt, und da muß ich Dich zunächst frage», ob Dn jemals schon an einen solchen gedacht oder vielleicht gar — ans eine bestimmte Persönlichkeit Dein Augenmerk gerich tet hast?" „Wenn Deine vorigen Worte mich nicht etwas ernst gestimmt hätten, so würde ich mich trotz Deiner feierlichen Miene eines Ausbruches der Heiterkeit nicht erwehren können. Ich sollte auf eine bestimmte Persönlichkeit, einen Herrn, mein Augenmerk gerichtet haben! Aber lieber Papa, hast Du es denn wirk lich bereits vergessen, wie ich über alle die Herren, welche ich bis dahin kennen lernte, zu urthcilen pflegte, und glaubst Du vielleicht gar, ich würde, wcu» etwas derartiges in mir vorginge, Dich nicht sofort in mein Geheimniß einweihen, damit Dn mir, dem Mädchen mit dem geringen Weiberverstande, wie Du manchmal zu nur sagtest, mit Deinem Rathc und Deiner Erfahrung zur Seite stehen könntest?" Herr Bandervelden, der seiner Tochter bei dieser Erklärung fortwährend scharf in die Augen schaute, wurde durch dieselbe offenbar sehr beruhigt. „Das ist brav von Dir gesprochen, mein Kind," erwiderte er, „und ich kann unter diesen Umständen daher ohne weitere Umschweife auf den eigentliche» Kernpunkt meiner Eröffnungen losgehen. Um es gerade herauSzusagen, will ich Dir nämlich »uttheilcn, daß gestern ein Herr bei mir gewesen ist, der sich nm Deine Hand beworben hat, Eugenie." (Fortsetzung folgt.) Rückblick auf den Distanzritt. Der Distanzritt ist zu Ende, die Reiter sind ain Ziele, die Preise vertheilt, Spannung und sportliche Erregung sind geschwunden. Aber dem Werke des Künstlers folgt der Kritik, und auch was die schnei digen Reiter geleistet, das verfällt jetzt, wo das Fieber der Erwartung vorüberzog, der Sonde besonnener Betrachtung. Und wenn in dem Lichte nüchterner Erwägung die Dinge ein etwas anderes Antlitz ge winnen, als zuvor, so theilt der Distanzritt nur das Schicksal ähnlicher Veranstaltungen: Auch auf die fröhliche Stimmung des Bankcts folgt oftmals leichte Enttäuschung, und im Freudenbecher harrt oft ein bitterer Bodensatz. Erwachsen aus der engen Freundschaft der zwei Nationen, sollte der Wcttritt der deutschen und öster reichischen Offiziere praktische Aufgaben lösen. Ab gesehen von der sportlichen Seite der Veranstaltung sollten auf militärischem Gebiete Erfahrungen gesam melt werden. Ob das gelungen ist, ist wohl die nächste und wichtigste Frage; sie voll zu bejahe», ist kaum Jemand im Stande. Es galt zunächst, die Kraft und Ausdauer der Reiter zu erproben, es galt zugleich festzustellcn, welche Gattung von Pferden die größte Schnelligkeit und Dauerhaftigkeit besitze. Mau wollte hieraus Schlüsse ziehen, die für die Landes pferdezucht von Bedeutung sein mußten. Sind solche Schlüsse aber möglich geworden? Wohl schwerlich. Vollblut und Halbblut, das Pferd, das durch Jahre am Wagen ging und das kleine Roß aus der un garischen Steppe, sie alle waren an dem Wettkampf bcthciligt, und sie alle haben gleichartige Erfolge er zielt. Aber abgesehen hiervon wird man auch sonst schwerlich praktische Erfolge entdecken. Die nächste Ursache hierfür liegt in der Eigenart der Präposi tionen. Wenn man einen praktischen Zweck im Auge hatte, so meint zutreffend die „Voss. Ztg.", so mußte man sich fragen, „welche Aufgabe dem Offizier, viel leicht auch dem gemeinen Manne in einem Kriege der Gegenwart gestellt werden könne." Ehe es Eisen bahnen und Telegraphen gab, konnte ein russischer Offizier den Auftrag erhalten, von Smolensk aus nach Riga de» Befehl zur Verbrennung der Borstädte zu Pferde zu übermitteln. Es ist dem Offizier da mals nicht eingefallen, sich zu diesem Zwecke eines einzigen Pferdes zu bedienen. Er wechselte unterwegs, wie es die 'Natur der Sache erfordert, das Thier. In derselben Weise würde in ähnlichem Falle heute jeder Offizier handeln müssen. In früheren Jahr hunderten konnte auch Karl XII. von Dcmotika bei Adrianopcl bis Stralsund Tag und Nacht durch reiten, und vielleicht hätte unter gleichen Verhältnissen keiner der jetzigen Distanzreiter den Record des Schweden königs geschlagen. Allein heute ist cs ausgeschlossen, daß im Kriege Offiziere auch nur eiilvn Dauerritt auf eine Entfernung wie diejenige zwischen Wien und Berlin zurückzulegen haben. Wenn cs hoch kommt, wird heute ein Adjutant 5 oder 10 Meilen zu reiten haben, um zur sicheren Eisenbahnstation oder zum Telcgraphcnamt zu gelangen. 075 Kilometer wird in keinem der nächsten Kriege ein Offizier zu reiten brauchen, um wichtige Nachrichten oder Befehle an ihr Ziel gelangen zu lassen. Es kommt noch hinzu, daß im Kriegsfall ohnehin mit anderen Bedingungen gerechnet werden muß als bei diesen Distanzrittcn. Hier konnte man sich die schönsten Heerstraßen aus suchen, die großenthcils chanssirt sind. Jin Kriege tritt viel häufiger die Nothwendigkcit ein, schweren, aufgeweichten Lehmboden zu überwinden. Und welche Schlüsse lassen sich ans der Schnelligkeit eines Voll blutpferdes auf guter Bahn auf seine Ausdauer auf elendem Landwege ziehen? Das eine Ergebniß hat der Distanzritt unzweifelhaft gehabt, nämlich die be deutende Ueberlegcnheit des Fahrrades über das Pferd zu erweisen. Die Radfahrer, die auS Liebhaberei die Distanzreiter begleiteten, konnten, wenn sie wollten, die Strecke in weit kürzerer Zeit zurücklegcn als die Reiter und kamen außerdem am Ziele frisch und munter an, nicht wie die meisten Reiter völlig erschöpft, und ihr Fahrrad war in besserer „Kondition" als das beste Pferd irgend eines Reiters. Freilich kann man nicht auf jedem Wege das Fahrrad benutzen. Aber auch die Leistungsfähigkeit der Pferde auf jedem Wege ist bei' diesem Distanzritt nicht erprobt worden." Es genügt wohl, mit einem kurzen Hinweis die vielerörterte Thatsache zu berühren, daß die Ungleich artigkeit der Bedingungen, unter denen die deutschen und österreichischen Offiziere ritten, gleichfalls geeig net ist, ein klares Bild der beiderseitigen Leistungs fähigkeit zu verhindern. Das, was gleichmäßig auf beiden Seiten anerkannt werden muß, das ist die bc- wundcrnswcrthe Ausdauer und Energie der Reiter, die sich und ihre Kräfte nicht schonten, um den Sieg an ihre Landeöfarben zu fesseln. Aber diese Bewunder ung würde noch ein anderes Maß annehmcn, wenn mit der Schneidigfeit zugleich jener andere Charakter zug zur Geltung gelangt wäre, der gerade bei dem Soldaten sonst aus seinem Verhältniß zum Pferde hcrvorleuchtet: die menschliche Schonung der Kraft des Thicres. Gerade hier liegt die wirklich dunkle Seite des Distanzrittes, hier ist auch der schwere Fehler «»gedeutet, den man von vornherein beging, als man den Wettritt zu einer tagclangcn Hetzjagd ausgestaltete. Wenn man cs las, wie die Menge jubelte und Hnrrah schrie, während das Pferd „nichts als Haut und Knochen regungslos mit gesenktem Kopfe und halbgeschlossencn Augen, große Anschwellungen und blutige Löcher in den Flanken" zur Seite stand, um schließlich regungslos umzufallen, dann fühlt man sich fast auf den Sandboden der spanischen Arena und in die wilde Scencric der Stierkämpfe versetzt. Und das ist für unsere nordischen Begriffe, oder besser für unser deutsches Denken und Fühlen nichts we niger als erfreulich, auch wenn man nicht gerade den Thierschutz als einen Sport betreibt. Es mag sicher lich ein bitteres Gefühl selbst für den schneidigsten Reiter sein, wenn er den Ehrenpreis zur gleichen Stunde in Empfang nimmt, wo der Abdecker seinem treuen Gefährten und Helfer das Fell abzieht. Zahl reiche Zuschriften aus den besten Kreisen des Publikums deuten darauf hin, daß ein großer Theil unseres Volkes die Bedenken theilt, die sich aus der gegen die Pferde vielfach bewiesenen und schließlich preisgekrönten 'Rücksichtslosigkeit ergeben. Auch dem Laien ist es bekannt, daß die Kraft des Thiereö ge übt werden muß, daß besonders für die Zucht des Pferdes harte Arbeit im Training und im Rennen unentbehrlich ist. Ohne scharfe Prüfung der Leistung, ohne Rennen würde es kein englisches Vollblutpferd, kein ostpreußisches Militärpferd und keinen Fortschritt in der Pferdezucht geben. Aber über den Zweck des Reitens bis zum Rui», bis zum Tode des Pferdes denken jetzt Tausende von Laien vergeblich nach. ES folgt eben auf manches Banket das leise Gefühl der katzeiijämmcrlichen Oede, und im Hinblick auf die ge quälten und ruinirteu Pferde hat der Distanzritt in weiten Kreisen des Volkes großes Bedauern hervor gerufen und einen tiefe» Schatten hinterlassen. Verfälschte schcharze Seide. Man ver brenne ein Müsterchen des Stoffes, von dein man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Rechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, ver löscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hcllbräun- licher Farbe. — Verfälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen die „Schußfäden" weiter (wenn sehr niit Farbstoff erschwert), und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegen satz zur ächten Seide nicht kräuselt sondern krümmt. Zer drückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Die Seiden - Aabrill O. U«»iii«I»e>7p- (k. u. k. Hoflirf.) ANrle ki versendet gern Muster von ihren echten Seidenstoffen an Jedermann und liefert einzelne Roben und ganze Stücke Porto- und zoll frei in's Haus. Leder Merfuch wird befriedigen. G rüna i. Sachsen, Kreishauptmannschaft Zwickau. Seit mehreren Jahren habe ich die Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillcn <ä Schach tel Mk. l.— in den Apotheken) für meine Hartleibigkeit und heftigen Kopfschmerz stets mit guten, Erfolg angewendet und kann selbige für diese Leiden nur bestens empfehlen. Frau Lina Geißler. (Unterschrift von, Gemeindevorstand beglaubigt). - Man achte beim Einkauf stets auf das weiße Kreuz in rothem Grunde. Es ist — gelinde gesagt — als eine Unsitte zu bezeichnen, wenn Cichorien - Fabriken als Zugmittel ihren Fabrikaten Bilder, Löffel, Taschentücher u dgl. Dinge mehr bcigeben. Daß der Conjumcnt immer derjenige ist, der die Kosten trägt und obendrein sehr ost noch ei» schlechtes Fabrikat bekommt, ist ganz selbstverständlich. Um so mehr ist es mit Freuden zu begrüßen, wen» aus der Industrie selbst heraus gegen eine solche Unsitte Front gemacht wird. Die weit und breit bekannte renommirte Firma ök i» Aordhaufen ist es, die bei Einführung ihres nach eigener Methode hergestellten Nordhäuser Arafl-Eichorien» ausdrücklich erklärt, nicht durch oben erwähnte Kunststücke die Einführung ihres Fabrikates erzwingen zu wollen, sondern es sich zum Grundsatz gemacht hat, sür wenig Geld etwas Gutes zu liesern. Wünschen wir ihr zu ihrem Unternehmen Glück! Druck und Verlaß von E. Hannebohn in Eibenstock.