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Pferden durch Rennen im Interesse der Pferdezucht haben, so ernstlich müssen wir doch vor dem Ueber- handnehmcn und der Ueberspannung de« Sport« zu mal in den Kreisen der Offiziere warnen, denn der Sport wirkt nur in ernster Beschränkung gut; sobald er diese Grenzen überschreitet und an die Gladiatoren kämpfe im untergehenden Rom erinnert, sich mit Wette und Spiel verbindet, wirkt er verderblich. Wir fürch ten, daß dieser Berlin-Wiener Ritt zur Nachahmung und Wiederholung nach anderen Richtungen reizt und deshalb halten wir cS für die Pflicht der ernsten, vaterländischen Presse, dem entgegenzutreten. Ein solcher Sport, bei dem 29 Pferde zu Tode geritten werden, darf keine Nachahmung finden." — In große Aufregung ist, wie die .Post" berichtet, Montag die Berliner Börse versetzt worden. Auf einem Tisch im Börsensaal wurde ein großes Packet frankirter Briese, die an sämmtliche dortige Firmen gerichtet waren, gefunden. Als die Briefe geöffnet wurden, entdeckte man in ihnen den von dem Reichstagsabgeordneten Pickenbach verfaßten Prospekt mit der Abonnements-Einladung aus den neuen antisemitischen Roman: »Der letzte Jude." Der Urheber dieses .Attentats" auf die Börse ist nicht ermittelt worden. — Rußland. Trotz aller Dementis theilen Privatmeldungen aus Warschau mit, daß bei der An kunft des Zaren in Skierniewice auf dem Bahn geleise eine Dynamitbombe ausslog, wobei 5 Per sonen getödtet und l4 schwer verletzt wurden. Die Explosion ist durch eine elektrische Leitung herbeigeführt worden. Der Zar entging nur dadurch dem Ver derben, daß sein Sonderzug irrthümlicher Weise aus einem anderen Geleise, als ursprünglich bestimmt wurde, in die Station einsuhr. 40 verdächtige Personen sind verhaftet worden. Das Attentat wird dem nihi listischen Geheimbunde Narodnaja zugeschrieben. Loeale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Am 13. d. MtS. feierte Herr Schuldirektor Denn Hardt Hierselbst sein 25jähr- igeS Lehrerjubiläum. Aus Anlaß dieses Tages wurde demselben von Seiten des Stadtrath« und des Schul- auSschusseS ein Glückwunschschreiben übermittelt. — Eibenstock, 14. Oktober. Am Mittwoch Abend in der Zeit zwischen 7 und 9 Uhr erhängte sich in einer Bodenkammer der 13 Jahre alte Sohn Hermann William des im sogenannten Messingwerk Hierselbst wohnhaften Handarbeiter Meichßner. Aergernjß über eine ihm geschehene Zurechtweisung oder andere ihn bedrückende Verhältnisse mögen die Ursache de« Selbstmordes gewesen sein. — Eibenstock. Die neueste Nummer des .Confectionär" enthält über den gegenwärtigen Stand der hiesigen Industrie folgenden Bericht: Eibenstock hat für die kommen« Saison in hervorragender Weise gemustert, erhofft man sich doch von der Mode, die nach Berichten der maßgebenden Modenplätze Allek was changeant und bunt heißt, bevorzugt, eine besondere Begünstigung des hiesigen BesatzgeschästeS, so zwar, daß die künftige Saison die verflossene — die in ihrem letzten Theile noch recht viel zu wünschen übrig ließ — noch übertreffen werde. Infolge dessen sind bedeutende Musterspesen gemacht worden, man musterirte: Perlbesätze, Bortenformen in allen Breiten, Blumen- u. Hieroglyphenmuster, in JriS- farben auf Stofs, Atlas und Sammeten, bringt in glänzenden irisirten Seidencandillen effect volle Spachtelmuster auf ähnlichen Grundstoffen, applicirte Goldgazen auf dieselben und zeigt in seidenen Stickereien auf bunten Stoffen und Flanellen, Borten- und Spachtelmuster (durchbrochen) in besonderer Schönheit, Alles mit farbigen Metallfäden. Man macht sodann noch in stahlimitirten Besätzen ziemliche Musteranstrcngungen, da man annimmt, daß darin der amerikanische Markt hervorragend kaufen wird, und zeigt schwarze feine Tüllborten. In sayonnirten Sachen bringt man Gürtel, bekurbelt mit JriSmetallen auf buntem Grund, schmal und in heraldischer Form. Bestellt sind zur Zeit noch: bunte Borten in ziem lichen Beträgen für Export und befinden sich noch kleinere OrdreS in Perl- und Canville-Besätzen in Arbeiten. Gardinen und Tücher sind momentan ziemlich ruhig, im Lohngeschäft der weißen Maschinen stickereien herrscht einiges Angebot. Kleiderstickereien für Ball (Pleino) sind noch flott bestellt. — Der Besitzer der Engelapotheke in Leipzig, l)r. Ernst MyliuS, stand am Donnerstag wegen fahrlässiger Tödtung vor der 2. Strafkammer in Düsseldorf, nachdem diese Angelegenheit bereits da» Landgericht Elberfeld und das Reichsgericht be schäftigt hatte. Der Anklage, welche namentlich in Elberfeld großes Aussehen erregt hat, liegt folgender Thalbestand zu Grunde. Der Gastwirth Joseph Nehl zu Elberfeld bezog vor etwa drei Jahren, mit dem Bemerken, daß er das Mittel bereit« früher mit Er folg angewcndet habe, direkt von dem Angeklagten dessen I^quor Oolduvi compositus. Diese« wegen seiner Erfolge unter den Gichtleidcnden vielgebrauchte Medikament ist dem Piqueur äv Naville nachgebildet und enthält 0,o» Colchicin, ein starkes Gift. Jeder Flasche ist eine Gebrauchsanweisung beigegeben, worin e« u. A. folgendermaßen heißt: .Die Gabe ist »ach den Kräften de« Menschen und der Stärke de- An falle« zu bemessen und jedenfalls einzuschränken, wenn übermäßiger Durchfall entsteht. Immerhin ist zu rathen, höchsten» 2 Theelöffel voll an einem Tage zu verbrauchen und mit dem weiteren Einnehmen dann auf jeden Fall 24 Stunden auSzusetzen, ehe auf'« Neue von dem Liquor genommen wird." Nachdem Nehl längere Zeit das Mittel hindurch mit Vorwissen seine» Hausarztes angewandt hatte, erkrankte er plötz lich unter LergiflungSerscheinungen und starb trotz aller Gegenmittel am nächstfolgenden Tage an Herz lähmung. Er hatte, wie festgestellt wurde, ungefähr die Hälfte eine« Fläschchen» Liquor auf einen Zug geleert, au« welchem Grunde, blieb unaufgeklärt. Gegen den Angeklagten wurde daraufhin, weil er den Liquor ohne ärztliche Verordnung an Nehl abgegeben hatte, im Januar 1890 die Untersuchung wegen fahr lässiger Tödtung unter Uebertretung einer Gewerbs pflicht eingeleitet und derselbe im Januar diese« Jahres vom Landgericht Elberfeld zu 1 Monat Gcfängniß verurlheilt. Die Entscheidung stützte sich namentlich auf die für ihn ungünstigen Gutachten der Sachver ständigen, welche die Gebrauchsanweisung für dehnbar und in der Hand eines Kranken für gefährlich er klärten. Gegen diese Verurtheilung hatte die Ver- theivigung (Rechtsanwalt Or. Werthauer in Leipzig) die Revision eingelegt, auf welche hin da» Reichs gericht das erstinstanzliche Erkenntniß kassirte und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Düsseldorf verwiesen hatte. Ob wohl auch hier die medizinischen Sachverständigen sich zu Ungunsten des Angeklagten äußerlen, vermochte das Gericht nicht zu dec Ueberzeugung zu gelangen, daß der Tod Nehl'S gerade auf den Mangel der ärztlichen Verordnung zurück zu führen und der An geklagte für eine solche Ueberschreitung der Gebrauchs anweisung verantwortlich zu machen sei. Es sprach daher den Angeklagten von der wider ihn erhobenen Anschuldigung der Fahrlässigkeit frei und legte die Kosten des langwierigen Verfahrens der Staatskasse zur Last. — Zwickau, 12. October. In der heutigen Sitzung der zweiten Strafkammer wurde der Hand arbeiter Carl Robert Plath aus Schönheide, ein rückfälliger Dieb, wegen in Schönheide verübten Dieb stahl« zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr 6 Mo naten verurtheilt. — In dem großen Etablissement von Bärensprung und Starke (Thonwaaren- und Steingut-Fabrik) in Frankenau bei Mittweida brennen die au« dem eigenen Braunkohlenwerk gewonnenen, im Freien lagern den, frisch ausgeschachteten Kohlen. Anscheinend hat sich das Feuer in Folge der im August herrschenden großen Hitze selbst entzündet, da die Koblcn von innen heran« brennen. Alle Versuche, den Brand zu ersticken, sind vergeblich gewesen. Der Schaden beläuft sich schon jetzt auf 4- bis 5000 Mk. Die umliegenden großen Fabrikgebäude sind nicht gefährdet. — Der Postdefraudant Grahmann, der be kanntlich nach Verübung beträchlicher Unterschlagungen vor Kurzem aus Grimma entflohen war, ist in Hamburg festgenommen worden. Auf seine Ergreif ung war, wie bekannt, von der kaiserlichen Oberpost direktion eine Belohnung von 1000 Mk. ausgesetzt worden. Bei der am 11. d. erfolgten Verhaftung Grahmann« wurden noch 6500 Mk. vorgefunden. Ein Bordellwirth in der Schützenstraße Nr. 8 in Hamburg dürfte es wohl sein, welchem der Löwenan- theil der Belohnung von 1000 Mk. zu Gute kommt. Umgeben von einer Anzahl Damen der Halb welt, ist Grahmann betroffen und festgenommen worden. Er hat von den unterschlagenen Summen immerhin einen Betrag von ca. 5000 Mk. verbraucht. Wo diese« Geld hingekommen sein mag, dürste wohl nicht schwer zu errathen sein. Das schönere Ge schlecht wird hierbei nicht zu kurz gekommen sein. — In der Vorstand«- und Ausschuß-Sitzung de« Conservativen Vereins in Großenhain am 8. d. M. wurde beschlossen, an den Reichstagsabgeordneten Herrn Freiherrn von Friesen nachstehende Eingabe zu richten: „Der Conservative Verein für Stadt und Amtsbezirk Großenhain spricht sich entschieden gegen erneute Vermehrung des deutschen Heere« au« und bittet Ew. Hochwohlgeboren, im Reichstage gegen fragliche Vermehrung eintreten und stimmen zu wollen. Sollte jedoch im Reichstage die Mehrheit für eine Vermehrung des deutschen Heere« stimmen, so bitten wir Ew. Hochwohlgeboren, mit aller Energie dafür eintreten zu wollen, daß für Aufbringung eine« Mehrbedarfs an Steuern in erster Linie die Börse herangczogcn werde." — Au« dem Erzgebirge. So schön, so groß und in solcber Menge, wie Heuer, haben die Gebirgs bewohner die Kartoffeln, deren Ernte gegenwärtig im vollen Gange ist, seit vielen Jahren nicht gesehen. Alle während der trockenen Zeit gehegten Befürcht ungen haben sich glücklicherweise nicht bestätigt. Wäh rend in anderen Jahren immer ein nicht unbedeuten der Theil der Kartoffeln ungenießbar war, wird Heuer nicht eine einzige kranke oder faule angetroffen. Da auch die übrige Ernte hier gut ausgefallen, sieht unsere GebirgSbevölkernng bei allem geschäftlichen und wirth- schaftlichen Drucke der Zeit mit Zuversicht dem Winter entgegen. Aus »ergangener Zeit — für «ufere Zeit. 18. Oktober. fliachvrukl o-rdi««n). Vor 40 Jahren, am 18. Oktober 1882, starb zu Freiburg a. Unstrut der Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. Er gründete 1811 in der Hasenhaide bei Berlin eine Turnanstalt und wirkte 1813 durch Wort und That zur Erhebung de« Volke«. Er machte auch die Befreiungskriege mit und da er wohl wußte, welchen Antheil das Volk an der Wiederherstellung der Throne und der europäischen Ruhe hatte, gehörte er zu den Männern, die nun auch die Einlösung der gemachten Versprechungen forderten, oder doch daran erinnerten. Das nannte man da mals Demagogie und so wurde auch Jahn, gemäß den famosen Karlsbader Beschlüssen I8IÜ verhaftet, 1824 zu zweijähriger Festungsstrafe verurtheilt und 1828 sreigesprochen. Er gehörte 1848 auch der Frankfurter Nationalversammlung an. In Berlin ist ihm ein Denkmal gesetzt worden. 16. Oktober. Wie kommen die Eingeborenen Anierikas zu dem Namen Indianer? Ganz gewiß müßten sie eher Amerikaner oder Kolumbianer heißen. Die Sache ist sehr einfach. Ain 16. Oktober I4»2 nannte Columbus die Eingeborenen so und dieser, obschon gänzlich falsche Name ist ihnen ein für alle Male geblieben. Columbus befand sich eben in einem großen Jrr- thum, den er auch bis an sein Lebensende sesthielt und aus dein so mancherlei andere Jrrthümer und Fehler folgten, die auch für Columbus selbst bisweilen verhängnißvoll wurden. Er glaubte eben steif und fest in Indien zu sein und mit den wilden, noch wenig cultivirten Eingeborenen des Vorlandes zu thun zu habe»; so nannte er denn folgerichtig diese Menschen nach ihrem Lande Indien — Indianer. 17. Oktober. Am 17. Oktober 1681 zog König Ludwig XIV. von Frank reich in Straßburg ein und ließ sich huldigen. Das ist eine einsache historische Thatsache, wie so viele und klingt als gar nichts Besonderes. Die ganze Schmach jener Zeit aber tritt uns vor Augen, wenn man die näheren Umstände betrachtet. Mitten im Frieden ohne Schwertstreich eine deutsche Stadt weggenommen, durch Verrath und brutale Gewalt zu einer französischen Stadt gemacht, dabei das Ganze mit schönen Redensarten und noch schöneren Versprechungen übertüncht und endlich als das Schmählichste die Huldigung. Aber was blieb denn den armen Straßburgern übrig? Waren sie doch von Kaiser und Reich verlassen und rührte sich doch kein Finger für sie in Deutschland. Vermischte Nachrichten. — Chemnitz. Eine Dampfmaschine, die wegen ihrer geringen Größe wohl einzig in der Welt dastehen dürfte, ist vor Kurzem aus der mechanischen Werkstatt von Max Kohl in Chemnitz hervorgegangen. Sie ist so klein, daß sie in der Schale einer gewöhn lichen welschen Nuß montirt werden konnte. Der Zylinder, mit vollständiger Schiebersteuerung ver sehen, ist 5,.» min lang und hat eine Bohrung von 2,o mm. Der Kessel besitzt eine Länge von 20,« mm bei einem Durchmesser von 8,5 mm. Die Zuführ ungskanäle für den Dampf haben eine Oeffnung von 0,-uuu; der Schieber hat die winzige Ausdehnung von 1,7 mm Breite und 1,s mm Länge. Das 1,s mm starke Schwungrädchen deckt eine Kreisfläche von 10 mm Durchmesser. Ungeachtet ihrer kleinen Di mensionen zeigt die Maschine Dampfdom, Wasser-Ein- und Ausfluß sowie Sicherheitsventil. DaS Maschin- chen ist für Spiritusheizung eingerichtet; eS kann jedoch auch in Bewegung gesetzt werden, wenn man mittels eines feinen Schlauches, der am Wasserein guß angeschraubt wird, in den Kessel Luft hinein bläst. Selbstverständlich hat solch' ein kleines Ding einen praktischen Werth nicht; es kann aber als Be weis gelten, wie genau die Technik zu arbeiten ver mag, um völlig gangbare Werke in kleinsten Dimen sionen herzustcllen. — Ein schlauer Trödler. Ein im Norden Berlins wohnender Händler mit alten Sachen bringt eS fertig, gebrauchte Kleidungsstücke zu einem dreimal so hohen Preise zu verkaufen, als dieselben in den Läden seiner Geschäftsfreunde kosten und demnach meist bessere Geschäfte zu machen als die letzteren. Herr F. verdankt seine glänzenden Einnahmen fol gendem Geschäftskniff: Vor einigen Wochen kaufte er gelegentlich eines Ausverkaufs gegen 100 Dutzend „feiner" Portemonnaies, von denen er je eine- in den Taschen eines jeden Kleidungsstückes, das er zum Verkauf stellt, untergebracht hat. Tritt nun ein Kunde in den Laden, um beispielsweise ein Paar Hosen zu kaufen, so legt ihm Herr F. sofort ein „großartiges" Paar zur Prüfung vor. Der Kunde dreht und wendet die alten Beinkleider hin und her, steckt gewöhnlich auch die Hände in die Taschen und findet das Portemonnaie. In dem Glauben, daß der werthvolle Gegenstand von dem ehemaligen Be sitzer der Hosen vergessen worden sei und daß er vielleicht einen ansehnlichen Geldbetrag enthalten könne, kauft der Kunde, der über seinen Fund natürlich kein Wort verliert, die alten Hosen zu jedem von dem schlauen Trödler geforderten Preise. Wenn dann der Käufer strahlend vor Freude mit seinen kostbaren Hosen den Laden verläßt, lacht sich Herr F. in» Käustchen und streicht schmunzelnd seinen schwarzen, lockigen Bart. — Der Vierzehnte. AuS Düsseldorf wird berichtet: Eine den sogenannten „besseren" Ständen angehörige ältere Dame hatte dieser Tage anläßlich ihre« Geburtstages ihre Bekannten zu einem Diner eingeladen. Beim Beginn desselben stellte sich heran«, daß zufällig nur dreizehn Personen anwesend waren. Die Gastgeberin erklärte, unter solchen Umständen sich keinesfalls zur Tafel setzen zu wollen, weshalb einer der eingeladenen Herren ohne Weitere« einen Dienstmann von der Straße holte. Die solcher Ge stalt vervollständigte Tafelrunde setzte sich dann zu dem Festmahl nieder und ergötzte sich außer an den