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24. Juli 1945 TAGESZEITUNG Seite 3 Männer der Landesverwaltung Das Nachrichtenamt der Landesverwaltung übermittelt uns den nachfolgenden Lebens abtiß des Ersten Vizepräsidenten, mit dem wir die Charakteristiken der neuen Männer der sächsischen Selbstverwaltung fortsetzen. Kurl Fischer 1. Vizepräsident Dezember 1918. Die Reichshauptstadt beht noch in den Erschütterungen des verlorenen Krieges. Bringt der Zusammenbruch der kaiser lichen Armee, bringt die Niederlage noch die Revolution? Klein ist das Häuflein der echten Revolutionäre. Wenige sind es, die sich zur Gründungstagung der Kommunistischen Partei Deutschlands zusammenfinden. Karl Lieb knecht und Rosa Luxemburg kämpfen mit dem Einsatz ihres Lebens für die revolutionäre Erhebung der Arbeiterschaft, die die Welt vor dem zweiten Weltkrieg bewahrt hätte. Das war die Atmosphäre, in der der junge achtzehn jährige Seminarist aus Halle in das politische Leben eintrat. Kurt Fischer war am 1. Juli 1900 in Halle geboren. Schon der Vater ein alter, klassen bewußter Sozialdemokrat. Darum war der Sohn bereits auf der Lehrerbildungsanstalt in der sozialistischen Jugendbewegung tätig, in der Giuppe, die sich um die von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg herausgebrachte Zeit schrift scharte. In enger Fühlung mit Georg Schumann — dem sächsischen Spartakus-Führer, der jetzt von Nazibestien im Konzentrationslager umgebracht I Aufruf zum Wiederaufbau Dresdens Der Oberbürgermeister der Stadt Dresden und seine Mitarbeiter erlassen folgenden Aufruf an die Dresdner Bevölkerung, der jeden auiiordert, am Wiederaufbau der zer störten Stadt mitzuwirken. Der Hitler-Krieg ist beendet. Wir stehen auf den Trümmern unserer schönen Stadt. Die jeder Verantwortung bare Politik der Nationalsozia listen hat uns in diesen Krieg gerissen, hat unsere Städte in Trümmerhaufen verwandelt, das Volk in noch nicht übersehbares Elend gestürzt. Noch 1944, ja noch Anfang dieses Jahres hätte wenigstens Dresden gerettet werden können, wenn die deutsche Oberste Heeresleitung es zur freien Stadt erklärt hätte. Hitler hat dies aus drücklich abgelehnt. Er und alle seine Mit arbeiter und Anhänger tragen deshalb in er höhtem Maße die Schuld an der Zerstörung der Stadt Unter der Führung der Roten Armee hat vom ersten Tage nach dem Einmarsch an der Aufbau der Stadt begonnen. Viel ist, schon geschaffen worden. Zwei der von den Frevlern am Volks gut gesprengten Brücken sind wieder -für den Verkehr passierbar. Gas, Wasser und Elektrizität funktionieren zum größten Teil. Die Straßenbahn verkehrt wieder mitten durch die Stadt. Viele Straßen sind frei vom Schutt Ihre Ausbesserung beginnt. Die ersten Aufbauerfolge danken wir der Energie des Stadtkommandanten und des Rates der Stadt Dresden sowie der bereitwilligen Hilfe eines großen Teiles der Bevölkerung. Wir ver kennen aber auch nicht, daß noch viele Zehn tausende abseits stehen, als ginge der Aufbau sie und ihr Schicksal nichts an. Deshalb muß noch einmal in aller Klarheit gesagt werden: Wer etwa glaubt, am sicheren Arbeitsplatz zu sitzen und die anderen am Aufbau wirken zu lassen, irrt. Sein Arbeitsplatz, auch der sicherste, wird in Kürze nicht mehr sein, wenn der Wiederaufbau nicht schnell vorwärtsschreitet Darum rufen wir heute die gesamte Bevölke rung Dresdens zur Mitarbeit auf. Jeder, der nicht in fester Arbeit steht, muß alle seine Kraft dem Wiederaufbau zur Verfügung stellen. Aber auch jeder, der arbeitet, ip uß neben seiner beruflichen Tätigkeit noch Tage oder Stunden für die Wieder aufbauarbeit finden und sich freiwillig dem Arbeitsamt für diese Zwecke zur Verfügung stellen. Die Kosten des Wiederaufbaues werden ge waltig sein. Darum rufen wir alle Kreise der Be völkerung zum Wiederaufbau-Opfer auf. In jedem Hause werden öffentliche Listen zur Einzeichnung aufgelegt werden. — Diesmal gilt es nicht, sich vom nationalsozia listischen Sammeldruck mit ein paar Groschen freizukaufen. Wir rufen nicht zum WHW auf, dessen Summen in den Taschen der Bonzen ver schwanden. Wir fordern von jedem ein wirklich echtes Opfer. Entschlossen und unverzagt wollen wir auf bauen. Im festen Glauben daran, daß das deut sche Volk nicht untergehen kann, packen wir Spaten und Hacke, geben wir freudigen Herzens mit dem Ruf: Wir bauen au!! Oberbürgermeister Dr. Müller 1. Bürgermeister Weidauer, 2. Bürgermeister Dr. Albrecht, 3. Bürgermeister Welz, Stadtrat Kunath, Stadtrat und Stailtkämmerer Dr. Goslar, Stadträtin Frau Fenske, Stadtrat Dr. Grube, Stadtrat Dr. Pollack, Stadtrat Dr. Grohmann, Stadtschulrat Dölitzsch, Direktor Eckardt. Letzte Frist Anordnung über die Ablieferung und Sicherstellung von Waffen und Munition Verschiedene Vorkommnisse geben Veranlas sung, nochmals darauf aufmerksam zu machen, daß sämtliche in Privatbesitz befindliche Muni tion und Waffen jeder Art abzuliefern sind. Es wird letzmalig allen, die noch Munition und Waffen besitzen, eine Frist von 24 Stun den, gerechnet von der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung an zur Lieferung aller noch in ihrem Besitze befindlichen Munition und Waffen an die zuständige Polizeidienststelle ge geben. Unter die Ablieferungspflicht fällt auch diejenige Munition, die, um sie dem Zu griff der Polizei zu entziehen, vergraben oder sonst verborgen wurde. Wer nach Ablauf der obengenannten Frist noch im Besitze einer Waffe oder von Munition ist, hat mit einer schweren Bestrafung zu rechnen. Wer Kenntnis von einem Ort hat, an dem Waffen und Munition vergraben oder verborgen liegen und diesen Ort der Polizeibehörde nicht mitteilt, wird ebenso bestraft, wie derjenige, der Waffen oder Munition besitzt. Die Polizeibehör den haben unter Zuziehung von Hilfskräften aller Art nochmals Suchaktionen, insbeson dere in Wäldern, Gärten und Ruinen, durchzu führen. Sie sind verantwortlich dafür, daß die Waffen und Munition, die in den Wäldern oder an anderen Plätzen noch herumliegen oder lagern, gesammelt an bestimmten Plätzen aufbewahrt und bis zur Uebernahme durch die Besatzungs behörden bewacht werden. Von der Sicherstellung der Waffen und Mu nition ist in jedem Falle den zuständigen Be satzungsdienststellen sofort Kenntnis zu geben. Landesverwaltung Sachsen. Fischer, 1. Vizepräsident. Sprechtage der Landesverwaltung Die Landesverwaltung Sachsen gibt als Sprechtage bekannt: Dienstag, Donnerstag, Frei lag von 9 bis 16 Uhr. Am Montag, Mittwoch und Sonnabend bleibt die Landesverwaltung Sachsen, Dresden A 20, Aügust-Bebel-Straße 19, für den Publikumsverkehr geschlossen. Reicher Erntesegen im Dresdner Gemüsegarten Gärtner der Cossebauder Pflege — Mangel an willigen Arbeitskräften Aufnahme Chanow wurde ■—nahm der junge Seminarist 1919 an den revolutionären Kämpfen teil, in denen die Arbeiterschaft verzweifelt versuchte, den Zu sammenbrach zur Revolution zu treiben. Der reaktionäre Kapp-Putsch drückte ihm von neuem die Waffen in die Hand, ebenso die Märzäktion 1921 im Leunawerk. Die seltsame Weimarische Republik mit ihrer Pseudodemokratie hatte für Lehrer mit revolutionärer Gesinnung keinen Platz. Der Seminarist, der für das Recht der Besitz losen kämpfte, wurde hinausgeworfen. Er qing ins Ausland. Er sah viel Neues und Interessantes, kehrte als Redakteur des „Ruhr-Echo” in Essen und später als Mitarbeiter im Zentral-Pressedienst der KPD nach Deutschland zurück. Als Bezirks sekretär der Kommunistischen Partei in Meck lenburg, als Korrespondent der kommunistischen Presse, als Schriftsteller und Redakteur, über all kämpfte Fischer für die Idee des Sozia lismus unter vollem Einsatz seiner Person und Kraft. So. vergingen die Jahre des Hitlerdeutsch lands, die Jahre des furchtbaren zweiten Welt krieges. Es galt, die deutschen Menschen, die durch die nationalsozialistische Agitation völlig verwirrt und vergiftet worden waren, wieder zur Klarheit zu führen. Mit dem Ende des verlorenen Krieges begann er seine politische Aufbauarbeit als 1. Bürger meister in Dresden. Neben Oberbürger meister Friedrichs war er die tragende Kraft der Stadtverwaltung, von unermüdlichem Arbeits eifer, eiserner Energie und unfehlbarer poli tischer Klarheit. Auch bei ihm war von vorn herein klar, daß sein Aufgabengebiet bald ein größeres werden würde, und so zog er neben dem Oberbürgermeister und jetzigen Präsidenten der Landesverwaltung als 1. Vizepräsident in den Verwaltungsapparat der neuen sächsischen Lan- .desverwaltung ein. x. # Kundgebung in Schönfeld Die erste öffentliche Antifa-Kundgebung in Schönfeld bei Dresden, zu der Gemeinde vorsteher Lange eingeladen hatte, war gut be sucht. Lange schilderte die Ungesetzmäßigkeiten, durch die Hitler sich die Macht er schleichen konnte, wobei ihn die Reak tionäre und Schwerindustriellen tatkräftig unter stützten, um das Volk ausbeuten zu können. Außer den bekannten Problemen stand die Er ziehung der Jugend zu Ehrfurcht und Achtung im Vordergrund der Ausführungen Langes. An schließend schilderte Rudi Hempel, der zwölf Jahre im Konzentrationslager saß, die Greueltaten der SS im Lager Buchenwald. Die Ausführungen lösten bei allen Anwesenden Ent setzen und Abscheu vor den SS-Henkern aus E. W. Schon ln den Ruinen des Altmarktes ist es zu spüren, daß im Nordwesten der Stadt die Gartenfrüchte reifen. Spankorb- und Rucksack bepackte drängen sich in die Straßenbahnen zur Lößnitz amd nach Cossebaude. Fahren sie in die Gemüseemte? Nein, sie gehen nur holen, was fleißige Hände für uns aUe ernten. Gewiß sind unter diesen Händen auch solche aus der Stadt, aber — lassen wir uns dieses „Aber" vom Gärt ner selbst sagen. Herr Franz Kühne beschäftigt in seiner großen Gärtnerei in Gohlis zeitweise Arbeits kräfte aus der städtischen Umgebung. Er beklagt sich, daß die Städter wenig Lust und' Liebe zur Arbeit mitbringen. Sie sind wohl bereit, ein paar Stunden am Tage mitzutun, aber keinesfalls darf die Arbeit den ganzen Tag oder etwa gar mehr als acht Stunden beanspruchen. Sie wollen sich dem Tagewerk inmitten der sonst so geschätzten Früchte nicht ganz verdingen. Dabei fehlt es dem 62jährigen Gärtner gänzlich an Fachkräften, durch die ihm natürlich am besten geholfen wäre. Er selbst arbeitet täglich 12, 14, ja oft 16 Stunden. Tochter und Schwiegertochter tun es ebenso. Zwei Lehrlinge sind noch im Betrieb: ihre Jugendlichkeit erfordert Rücksichtnahme. Eine 56jährige Frau aus Briesnitz hilft zeitweise. Willige Hände fehlen Die wenigen Hände reichen nicht aus für das 1 11 > Hektar große Gartenland. Es konnten nur halb so viele Gurken angebaut werden wie in anderen Jahren, auch weniger Tomaten wurden gepflanzt. Früher erstreckten sich die Gurken beete über 500 Quadratmeter, heuer sind es nur 200. 160 Zentner Gurken erntete Kühne damals — diesmal werden es keine 80 Zentner sein. Wie viele Salatschüsseln werden leer bleiben, weil es an einsatzbereiten Helfern fehlte? Gute Erträgnisse Natürlich liegen die bisherigen Tomaten- und. Gurkenbeete nicht brach. Es wurden andere, weniger anspruchsvolle Früchte angebaut. Der Ertrag aller bisher geernteten Fruchtarten war gut. Er verspricht es auch für die heranreifenden Pflanzen, wie Bohnen, Kohlrabi, Möhren, Blumen kohl, Schwarzwurzel u. a., zu werden. Das ist doppelt erfreulich, da man weiß, daß es an Dünger fehlt. Die Nazis düngten Flughäfen Schuld daran sind die „Herren" der ehe maligen deutschen Wehrmacht, die den für die Felderdüngung notwendigen Pferdedung aus den Kasernenställen auf die Flugplätze fahren ließen, deren Grasnarbe für den Start von Bomben geschwadern nicht schön genug werden konnte. Dies geschah in Dresden wie überall — und die Gärtnereien blieben sechs Jahre lang ohne diese unersetzliche Düngerzufuhr (Mißwirtschaft selbst in der Mistwirtschaft...). Bessere Preise spornen an Wir besuchen noch eine andere, etwas kleinere Gärtnerei. Ihr Inhaber, Erwin Mager, verspricht sich auch eine gute Ernte. Das Wetter war günstig. Nur gegen das Ungeziefer fehlen jetzt noch Spritzmittel, insbesondere Nikotin — des Rauchers Leid ist des Erdflohs Freud'. Gärt ner Mager freut sich über die besseren Preise, die für Gartenbau-Erzeugnisse jetzt gezahlt wer den; gute Vorkriegspreise seien es. Er liefert deshalb auch gern und willig alle seine Erzeug nisse bei der Bezirksabgabestelle des Gartenbau wirtschaftsverbandes ab. Auf der Sammelstelle im Gasthof Stetzsch klagt man trotzdem über den noch immer regen wilden Verkauf über den Drahtzaun. 300 bis 500 Kisten Obst und Gemüse gehen durch diesen verbotenen Handel wöchentlich der geregelten Verteilung durch den Dresdner Großhandel ver loren. Ueber 3000 Kisten Gemüse wurden den vier bestimmten Gemüsegroßhändlern in einer Woche durch die eine Sammelstelle zugeführt. Sie verteilten sie auf ihre Lieferbezirke, den Weißen Hirsch, Gruna, die Neustädter Markt halle und die Krankenhäuser. Marmelade für den Winter Das Beerenobst und wahrscheinlich auch das zu erwartende Spätobst bleibt zum größeren Teil den Marmeladefabriken Vorbehalten, die es uns als unentbehrlichen Brotaufstrich im gemüse armen Winter darbieten werden. Vorsorge für den Winter also auch hier. Der Gärtner vor den Toren der Stadt braucht dazu willige Hände. Müßiggänger — fahrt hinaus zu ihm, nicht um nach einer Stunde mit vollem Korb heimzufahren, sondern um draußen zu bleiben, bis die letzte Fracht gepflückt ist! Nichts darf an Pflanze, Baum und Strauch verkommen, sonst werden wir das Brot, das uns der Bauer unter Aufopferung aller Kräfte sichert, trocken essen müssen. rudorei Vorschlag zur Kleintierhaltung Küchenabfälle sichern den Braten in der Pfanne Wer den Artikel über die Arbeitstagung der sächsischen Oberbürgermeister und Landräte in der „Tageszeitung" gelesen hat, wird mit Befriedigung das aufgenommen haben, was Vizepräsident Dr. Lenhard über die Hebung der Viehzucht sagte und wobei er an kündigte, daß noch in diesem Winter in Sachsen 150 000 Zuchtschweine aufgestellt und gemästet werden sollen. Vielleicht drängt sich manchem die Frage auf, warum man bis zum Winter damit Der Anfang ist gemacht Berge von Schutt müs sen in Dresden besei tigtwerden. Hier packt die stählerne Hand eines Greifbaggers die Trümmer der Carola brücke und lädt sie in die Loren. Aufnahme Chanow wartet. Aber es müssen wohl gewisse Gründe dafür mitsprechen. Wesentlich ist, daß etwas getan wird, und die Schweinemast ist eine dankbare und vielversprechende Auf gabe. Vielleicht greift aber auch diese oder jene Gemeinde oder die Stadtbezirksämter den Ge danken der Schweinemast auf und entwickelt in diesem Sektor eine eigene Initiative. Wer einen Blick in die Müllkästen in den Gehöften wirft, wird die Beobachtung gemacht haben, daß tagtäglich viel K ü c h e n a b f ä 11 e un genutzt in den allgemeinen Müll wandern, die bei einer Schweinemast oder Kleintierhaltung Verwendung finden könnten. Die Kleintierhaltung liegt besonders arg danieder. Die unsinnigen Naziverordnungen haben hier, wie in der Schweinemast, direkt ver heerende Wirkungen ausgelöst. Notwendig ist, daß im Rahmen der Aufbauarbeit auch die Klein tierhaltung wieder forciert wird, damit der Werktätige etwas Zusätzliches auf den Tisch bekommt. Die hindernden Nazi verordnungen betr. der Kleintierhaltung sind aufgehoben und die danebenlaufenden Verbote mancher „Hauspaschas" längst gegenstandslos geworden. Das gilt vor allem für die Kanin chenzucht, die sehr stark zurückgegangen ist und einen energischen Antrieb bekommen muß. Eigene Küchenabfälle und die der Nach barn werden die Futtersorgen überbrücken helfen — an Grünfutter aber ist gewiß kein Mangel. Nur muß die Kleintierhaltung richtig angefaßt werden. Kleintierzüchter an die Arbeit! P. Im