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Dienstag. 10. Dezember 1S4V Sächsische Volkszeitung Nummer 880. Seite S V0k^ »^^5 kr siets mit Wirklich' Von sei- mit 6em UirnkSkk-ekcnrtrrAvrr vo«c« vk«c>o vr>^« ^ki57La,>Vkiio^v/L 7. Fortsetzung. lügen, tim sein Gewissen zu Sängerin: „Sie haben eine Schmerzhafte Zahnbehandlung „ Mama", stellte Willi auf dem Heimweg fest, ,/der Zak-n« orzt war aber gar nicht schinerzlos, wle er angekün-igt hat." „Wieso, mein Liebling, hat es dir wehgetan?" „Nein, das nicht. Aber er schrie wie jeder andere Zahnarzt, als ich ihn in den Finger bist." Hof emporschritt. Er schloß wollüstig die Augen, die Haltung seines mageren Leibes bekam etwas Erhöbe« neS. gestreckt. Aber der Hirsch nxir zu Tcdc getroffen, und er muhte ihm den Gnadonschuh geben. Erst als Al Candid später seinen Film entwickelte, entdeckte er, was für ein prachtvolles Bild er, ohne es zu wissen, bekommen hatte; augenscheinlich hatte sich der Nerschluh des Objektives beim Fall auf die Erde gelöst und zufällig den Angreifer und sein Opfer im vollen Umfang im Blickwinkel gehabt. Höfliche Aritik Rossini war bei seiner herrschenden Stellung in der Mu- fikwett von Musikern, besonders von Sängern, überlaufen, die ihm ihre Kunst vorfiihren und «in gutes Urteil von ihn, erl-a- schen wollten. Viele darunter waren mich Dilettanten, mit denen er keineswegs glimpflich verfuhr, waren seine Ansprüche doch sehr hoch. Einmal stellte sich ihm jedoch ein Fräulein der hohen Aristokratie vor, die kaum eine Note richtig sang. Aus Achtung vor ihrer Familie wollte Rossini nicht grob sein, ande rerseits wollte er aber auch nicht beruhigen, erklärte er daher der Rein Schaden Ein berühmter Maler lud einen Mann in sein Atelier, um «in Ginälde zu besichtigen, an das er gerade letzte Hand anlcgtc. Der Mann kam und sah sich das Bild längere Zeit schweigend an, dann sagte er: „Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich di« Wolke da wegnehmen", und damit streckte er seine Hand »ach der einen Ecke des Bildes aus. als wollte er die Wolke gleich selber fortwischen. „Sehen Eie sich vor, mein Herr", rief der Maler nervös aus und wollte die Hand zurückreihen. „Mer ken Eie nicht, dah die Malerei noch ganz nah ist?" „Ach, das KU nichts", sircste der Mann, „ich habe ja meine Handschuhe an." Lin Meisterscknappschuß durch Zufall Bet einem Wettbewerb von Ltebhaberphotographen, der in der Stadt Butte in den Bereinigten Staaten abgei-alten wurde, wurde der erste Preis von dem Jäger William Al Can did gewonnen. Die von ihm cingereichte Photographie war tat sächlich sensationell; sie zeigte einen Wolf in dem Augenblick, wie er sich aus etnon Hirsch aus der Weide wars. Der gliicklicl-e Photograph hatte diese» Vivmentbild indessen ohne sein Zndun erhalten. Er hatte den Hirsch aus einer Lichtung erspäht «nd bemühte sich nun, ein schönes Bild von ihm aus die Platte zu bekommen, als «r plötzlich zu seinem Sä,recken sah, wie em mächtiger Woks mit einem gewaltigen Sprunge über das ah nungslose Tier hersikl. Der Jäger hatte schnell den Apparat beiseite geworfen und nach dein Gewehr -«nisten, und mit «in«m Mlckllchen Schuh hatte «r da» gefährliche Lier nieder Brief aus Straßburg / wLI" denn jeden Augeilblick erwartete ich den Bescheid, -atz Dieter gefallen sei. Unsäglich litt ich unter dieser Spannung. Mit ihitz aber, mit Dieter trieb ich einen besonderen Kult. Alle Erinne rungen kramte ich aus, Photos, Bastelarbeiten, die wir als Jungen zusammen gemacht l-aUen. Mit der Laubsäge verstan den mir sehr gut umzugchcn, und Ich erinnerte mich genau, dass Dieter gar die Fassade des Strahburger Munsters arbeiten wollte. Ihr gehörte seine ganze Begeisterung. — So verspann ich 'mich immer weiter und fand mich nickt mehr zurück ins Licht bis — bis ein Bries kam Mit zitternden Händen öjsncte Ich ihn. Die Schrift meines Briders — er lebte. „Lieber NockierU Nur ein paar Zeilen. Denk Dir das grosse Löst Ich bin bei senen Trupmn dabei, die in Stratzburg ein marschierten. Vorhin stand ich mit Kameraden an dem herr lichen Münster Es war Abend. Ich mutzte an Dich denken und daran, dass mein Traum in Erfüllung ging, einmal den wunder- lmren in Wirklichkeit sehen zu dürfen. Weitzl Du noch, wie ich Goethes Schilderung las, wie ich sie verschlang, immer und immer wieder? Es mutz ein Schicksal geben, das einen gewissen Dingen und Wünsä-en verbindet, bis sie in kett zusommenklingcn. Bruder. Stratzburg ist deutsch. nenn Münster grützt Dich Dein Dieter." Erleichtert verglich Ich das Datum des Briefes von mir notierten. Sie stimmten überein. Dieters Gedanken waren an jenem Tage meinen begegnet. Und gewislermatzen der Draht, der sie leitete, umr unsere Begeisterung für das herr lichste deutsche Münster. Norbert Viertun sclnvlrg. Die Freunde gingen an Ihre In strumente. und bald erklang jener Satz des Kaiserquartetts, der zum Lied aller Dentsän'» wurde. „Es ist etivas Merkwürdiges um unser Gcdankenlcbcn", begann Norbert Viertun. „Wir glauben, es bis in die kleinsten Dinge sortiert zu haben, und doch spielt cs uns Streiche, die feine verborgenen Quellen ahnen lassen." Die anderen -re: schwiegen erwartungsvoll, als ihr Freund hier abbrach. An den Notenpulten brannten Kerzen un gossen mtldcs Licht über die schönen Leiber der Instrumente. Noch schwang Haydns K:mst im Ramn. Da fuhr der Hausherr fort: „Es ivar in jenen Tagen, als unsere Truppen zum Sturm gegen die Magtnotltnte antvate». Lebten wir in dieser gewalti gen Zeit nicht olle in grotzer Slxmnnng. In einer Erwartung, die auch das Unwahrscheinlichste möglich sein lieh? Nm, aber A» meinem Erlebnis. — Es dämmerte bereits, als ich nach Hause kam. Wie üblich, öffnete ich die Tür meines Arbeitsziin- mers, doch jäh fuhr ich zurück. Nein, das war nicht möglichl Aber wahrhaftig — an meinem Schreibtisch satz jemand. Jetzt wandte er langsam den Kopf und drehte mir das Gesicht zu. „Dieter!" ries ich, „DieterI" — Plötzlich war nur leerer Raum, wo ich eben noch meinen Bruder gesehen hatte, der doch irgend wo im Wösten kämpfte. Auf meinem Schreibtisch aber lag nur ein 2iuch, ausgvschlagen eine Abbildung der herrlicl-cn Fassade des Straßburger Miinsters. Sicher hatte ich den Band heute früh tn der Hand geheckt. Ihr könnt euch denken, Freunde, wie mir von da ab zu mute war. Sagt, war es gar -u leichtgläubig von mir, anzu nehmen, daß meinem Bruder an der Front etwas zugestotzen sein müsse? Tausend andere hätten die Erscheinung auch nicht anders gebeutet. Ich notierte also Tag und Stunde, da ich mei nem Bruder im Geiste begegnet war. Nervosität befiel mich, Ein galanter Arzt Dr. Balthasar Ludwig Trolles in Breslau war ein welt berühmter Arzt, aber er hielt sich auch für einen Dichter «nd aick ost Rezepte tn poetischer Form, damit sie so bereitwilliger befolgt wurden. Als einmal eine schöne junge Dame seinen Rat wegen eines kleinen Ueberbeins aus der rechten Hand eiuholte, gab er ihr folgenden Bescheid: „Du klagst, datz von der Hand durch Pflaster und durch Bley, Lin trotzig Ueberbein nicht zu verjagen sey. Getrost! Bei deren Zahl, die sie mit Andacht küssen, Wirb, Freundin, es gewitz in kurzem weichen müssen; Höhlt durch gelinden Fall ein Tropfen Erz und Stein, So wird ein Knorpelchen doch wegzuküssen seyn!" wirklich mitzergcmöhnliche Methode zu singen. Ick habe noch nie so singen gehört." „Ntoestro, Cie beschämen mich. Und mein« Stimme?" „Keine Sorg« — sie ist aus gleicher Höhe wie Ihr« Methode!" Ein anderes Mal war cs eine schottische Dame, die vor Rossini hintrat, ein Notenblatt entfaltete und die Arie der Ro sina aus dem „Barbier" zu singen begann. Sie hatte in Florenz Musik studiert und wollte durä-ans Rossini Vorsingen. Aber ihre Stimm« klang wie ein altes verrostetes Scklotz. Als sie zu Ende war, fragte sic: ..Was sagen Sie dazu? Mein Lehrer in Florenz meinte, ick sänge wie die berühmte Malibran." Mit liebenswürdigem Lächeln erklärte ihr Rossini daraus: „Meine Dame, ihr Lehrer ist zu bescheiden. Ich. der ich sie gehöN i-obe, kann Ihnen garantieren, datz die Malibran nie la wie Sie ge sungen l-at!" Und die Schottin ging höchst befriedigt davon. In anderen Fällen konnte sich Rossini freilich weniger be herrschen. Als eines Abends eine Dame in seiner Gegenwart ein Lied in Grund und Boden gesungen hatte, kam sie fast zit ternd zu ihm und fragte ihn nach seinem Urteil. „Entschuldigen Sie, Maestro, ich wcitz nicht, wie ich habe singen bann-n Ich habe solä-e Angst gehabt!" „Ich etwa nicht?" sagte der Maestro. v. „ES tut mir leid, Fräulein, der Herr Bibliothekar wünscht zu so später Stunde nicht mehr gestört z» werden. Handelt es sich denn nm etwas Wichtiges?" Eva Volkmer fingerte verlegen an ihrer Handtasche. „Ach nein- ich wußte picht — ich wollte nur — der Herr kennt miw nämlich, ich wohne bet Krau Dltrrbößl? „Ach sol" lächelte die alte Dame, die^dem Mädchen die Tür geöftnet hatte. Nun erst begann sie Eva einer genaueren Musterung zu unterziehen. Das Ergebnis schien nicht ungünstig zu sein, denn als Eva sich eben mit einem höflichen Gruß verabschieden wollte, wurde sie mit einer Handbewegung zurlickgehalten. „Warten Eie einen Augenblick, ich werde mich erkundigen." Sie ließ Eva stehen und verschwand mit lautlosen Schritten. AIS sie nach einer Weile wieder zuritckkam, war ihr Matronengesicht von einem ausmunternden Lächeln erhellt. „Kommen Sie, liebes Fräulein, Herr Diirrböstl bittet Sie in sein Arbeitszimmer." Eva, die längst vor ihrem eigenen Mut Angst bc- kommen nnd den unbegriindeieu Ueberfall bereut hatte, folgte der Alten mit heftigem Herzklopfen und sah sich nach kurzer Wanderung in einem hohen, von Tabak rauch erfüllten Raum. Vorn an einem der beiden Fen ster, tn einem hohen Sessel, saß Herr DUrrbößl, an einer unheimlich langen Pfeise schmauchend und in die Lektüre eines Buches vertieft. „Da ist das Fräulein!" sagte die Matrone und ließ Eva mit dem alten Herrn allein. Der Bibliothekar legte ein Lesezeichen zwischen die Blätter und schloß das Buch. „Treten Sie doch näher, Fräulein Bolkmerl Hier ist ein Stuhl, nehmen Sie Platz und erzählen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben!" Eva ward von der sanften, gütigen Stimme sogleich beruhigt und folgte der Aufforderung. „Bitte, seien Sie mir nicht böse, Herr Dltrrbößl, es ist nur, weil ich — weil Sie mir sagten, daß Sie meinen Bater kannten, und da habe ich mir -en Mut genommen, Sie aufzu- suchen." „Ja, ja, Ihr Vater, das war ein feiner nnd kluger Mensch; es ist sehr schade, daß Sie ihn so bald verlieren mußten. Aber — mir scheint, als ob dies nicht der aus schließliche Grund Ihres Besuches wäre. Ist etwas ge schehen? Haben Sie Schwierigkeiten?" Eva hob ihren Blick und nahm allen Mut zusammen „Ich habe heute ein Harmonium bekommen, oh, das war eine wunderbare Ueberraschung. In meiner Freude habe ich gleich ein wenig daraus gespielt und —" „Sie spielen Harmonium?" unterbrach der Bibliothe kar Evas Rede. „Das ist schön. Unsere Jugend scheint ja leider den Geschmack für dieses edle Instrument ver loren zu haben." Solche Worte waren ein wahrer Balsam für EvaS gekränktes Herz. „Ja, nnd dann — dann kam auf ein mal Fran Dltrrbößl und — und war sehr böse, und sie werde den Spektakel nicht dulden, nnd ich müßte ent- weder das Harmonium wegtun oder mich nach einem anderen Zimmer umsehen." „Dn meine Güte!" ries der alte Herr und schlug die Hände mit einer wcitausholenden Bewegung zu- sammen. „Das ist allerdings eine böse Geschichte. Ich weiß, sie hat es nicht mit der Musik, unsere gute Emma! — Und nun soll ich wohl die Sache in Ordnung bringen, nicht wahr?" Eva nickte, während ihre Augen sich bittend zu -em Hausherrn erhoben. „O ja, wenn Sie doch ein gutes Wort eiulegen möchten!" Dann nach einem Zögern: „Frau Dltrrbößl hat sich besonders darüber aufgeregt, -aß ich — ich habe nämlich, weil ich halt so fröhlich war, einen — einen Walzer gespielt!" So, nun war es gesagt. „Was?" Der Bibliothekar zog die Brauen hoch und rollte mächtig die Augen. „Einen Walzer haben Sie gespielt — auf dem Harmonium?" „Ja!" ^jevste Eva- „rrrrarenl" lachte der andere, ein ziemlich gutmütig anSsehender Bursche. „Wollen Sie mitkommen? Ein kleiner Bummel, in ein paar Stunden sind wir wieder -a." „Ich habe einen anderen Vorschlag! Eie könnten mich und den Herrn dort zum Bahnhos bringen. DaS ist Professor Becherkamp, der seinen berühmten Bruder vom Zug abholen will. Im Vertrauen: Sie würden Mir einen großen Gefallen tun." „Warum nicht?" rief Wiesner bereitwillig. „Groß artig! Da ergibt sich vielleicht die Gelegenheit, Liesen Augen Becherramp kennenzulernen." „Na eben! Vielleicht wird Ihnen sogar die Ehre zu keil, -en erlauchten Herrn »n fahren. Soll ich mit dem Professor darüber sprechen?" „Fabelhaft! — Warten Sie einen Augenblick, ich fahre nur rasch bis zur Brücke vor, wo ich besser wenden Dann." Remps kehrte zu seinem Begleiter zurück, der eben Ungeduldig die Taschenuhr zog. ^Keine Sorge, Herr Professor! Ich habe diesen jungen Mann eben davon überzeugt, daß es seine Pflicht ist, «nS zum Bahnhof zu bringen. Sie sind doch damit ein verstanden?" Becherkamp runzelte die Stirn. Sr liebte es nicht, die Dienste anderer tn Anspruch zu nehmen. „Ich kenne Len Herrn doch gar nichts wollte er widersprechen, aber Kempf ließ keine Einwendungen gelten. „ES ist der jullge WieSner, der Sohn von Albert WieSner, dem Besitzer der Passauer Porzellan-Manu faktur. SS macht ihm wirklich nichts aus, wenn er unS Len kleinen Gefallen erweist." Becherkamp fand keine Gelegenheit mehr, sich der Verführung zu entziehen, denn schon kam WieSner an gebraust, brachte den Wagen an der Bordschwelle zum Stehen und sprang heraus. Remvf machte bekannt. .Recht schön, aber — ich weiß wirklich nicht, ob — —" „Sie würden mich ernstlich kränken, Herr Professor! ES ist mir ein Vergnügen." Da nahm Professor Becherramp mit einem verlege nen Lächeln Platz, wobei er sich tnSaeheim nicht ver halte, daß die Sache ihre Annehmlichkeit hatte. Die Zeit war tatsächlich knapp geworden und — ah, eS saß sich nicht schlecht in den bequemen Polstern. Rempf ließ sich an seiner Seite nieder und schlug die Tür zu. „Entschieden angenehmer, als wenn wir zu Kuß hätten gehen müßen!" Der Wagen setzte sich aufheulend in Bewegung, durch- fuhr mit einem eleganten Schwung die scharfe Kurve -es Durchbruchs und jagte dann die lange Gerade de» Holzgartenstraße hinauf. Ueber die MaxrmilianSbrück« ging eS in das Gewirr der engen Gassen hinein. Vor dem Bahnhof hatte sich eine beträchtliche Anzahl von Menschen eingefunden, vermutlich angelockt durch -en Artikel Fridolins. , „ Unwillkürlich bildeten sie eine Gasse, als Professor Vecherkamp aus dem Wagen stieg. Alles reckte die Hälse, ein geheimnisvolles Flüstern schlug an NemvfS Ohren, der hinter Becherkamp die Stufen zum Bahn hof emporschritt. Er schloß wollüstig Lte A „Da yorr sich freilich alles auf! Was machen wir bloß mit einem so schlimmen Waldkmd?" Als er aber bemerkte, dah das arme Kind seine scherz hafte Empörung ernst zu nehmen schien, da lenkte er lächelnd ein. „Aber mein liebes Fräulein, glauben Sie wirklich, daß ich darin etwas Ungehöriges sehe? Ich müßte mich ja vor Ihnen schämen. Jugend soll fröhlich ein, und lvarnm soll das Harmonium dazu verurteilt ein, nur Oratorien und Trauermarsche von sich zu »eben? Was war eS denn für ein Walzer, der meine iebe Emma so aus dem Häuschen brachte?" „Der Donauwalzer!" „Schön! Sehr schön! Auch ich liebe ihn mehr als, alle anderen." Und er begann, dem Mädchen zuweilen zunickend, die ersten Takte vor sich htnznsnmmen. „Nicht wahr? — Er verstand sein Handwerk, der Meister Strauß!" Eva hatte mit wachsender Verblüffung die Entwick lung des Gespräches verfolgt. Und als dann die ge liebte Melodie so unversehens an ihr Ohr klang, war ein Helles Leuchten über ihre Züge geglitten. Ohnls sich darüber Rechenschaft zu geben, ob eine Studier stube der rechte Ort für ein Walzerlied sei, liest sie, allerdings ganz leise, ihre Stimme erklingen, dort fort fahrend, wo des Bibliothekars Summen ausgehört hatte: „Alte Burgen seh'n — nieder von den Höh'n, Grützen gerne — dich von ferne, Und der Berge Kranz — bell vom Morgenala, Spiegelt sich in Leiner Wellen Tanz." Der alte Herr hatte mit einem behaglichen Schmun-, zeln zugehört. Nun klatschte er bedächtig in die Händen „Sie singen ja ganz entzückend!" Der kleinen Eva mochte nachträglich doch ein wenig das Gewissen schlagen. „Verzeihen Siel" stammelte sitz errötend. „Gar keine Ursache, liebes Kind! ES tut einem alten, Manne ordentlich wohl, einmal wieder ein bißchen Jugend zu hören. — Es will mir übrigens gar nicht aus dem Kopfe gehen, wie das klingen mag, ans dein Harmonium!" Er zögerte eiuen Augenblick. „Ich habe orüben tm Musikzimmer ein passables Jnstrumentlein stehen. Würden Sie mir wohl die Freude machen? —- Ich muß mir doch schließlich zuerst ein Urteil bilden, wenn ich meiner gestrengen Schwägerin den Kopf zn- rechtsetzen soll." EvaS Gesicht war ein einziges Aufleuchten. Jyr^ -unklen braunen Außen schienen größer zu werden, ihr; Antlitz leuchtete in einer von innen kommenden Schöne Seit. „Sehr gerne, Herr Dttrrböstl! Aber ich glaube, daß ich nicht besonders gut spielen kann. Sie dürfen nicht gatz zu scharf urteilen." Der Bibliothekar, ihre Antwort kaum beachtend, mav über die Verwandlung ihres Gesichtes in eine tieftz Nachdenklichkeit versunken. Die Hellsichtigkeit seines reifen Lebens zeigte ihm, wie dieses Mädchen Eva ei»r schweres und bitteres Schicksal haben würde, in ihrer Gläubigkeit, tn ihrer Unbewchrthcit gegen den Ausl bruch der Gefühle, in Ihrer Bereitschaft, sich ganz und schrankenloS einer Stimmung hinzngeben. Und sie way schön, von einer bezwingenden, edlen Schönheit, die von einem Manne das Letzte verlangen darf, die ibn auö seiner Bahn werfen kann, zum Guten sowohl wie zum Bösen . . . Und auch dieser Mann erwog den Gedanken, sich deS Kindes ein wenig anzunebmen, tn einem anderen Sinn freilich wie jener Heine Sutter; er bedachte, daß es gut sein werde, ihren Weg zu verfolgen und wenn etwa- BöseS drohte, eS mit sorgsamen Händen abznwendcn, Aber freilich, was vermag man gegen die Leidenschaft eines jungen Herzens? AlS er seinen Gast gerade Ins Musikzimmcr hin überführen wollte, wurde seine Aufmerksamkeit durch «inen Vorfall auf der Straße draußen abaeleE. «Foriletziing folgt.)