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erfüllt werden sollte. Sollten bessere Tage kommen, so wird die Erinnerung an heute nur dazu beitragen. Ihren Bund noch inniger und fester zu gestalten. Sie ist in dem Alter, wo man aus eigener Ueberleg- ung seinen Entschluß zu fassen berechtigt ist und ob gleich die Verhältnisse ja etwa« außergewöhnlich liegen, so sehe ich doch kein ernsteres Bedenken, das mich abhalten sollte, ihrem Wunsche zu willfahren." „Und Sie, Spaird, was sagen Sie zu Grace'S Verlangen?" „Ich sehe kein Hinderniß," antwortete der Advo kat, „wenn eS Miß Monteaths ernstlicher Wunsch ist." „O Richard," rief sie bittend aus, „Du kannst, Du wirst mich nicht zuruckweisen. Es ist vielleicht die letzte Bitte, die Du mir erfüllen kannst." Er nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und blickte tief in ihre Augen. So tief er aber auch bin- einblickte, er sah nichts darin, als Liebe, tiefe Liebe. Einige L-ekunden blickte er sie unverwandt so an. „So möge denn Dein Wille geschehen", sagte er endlich. „Ich vermag Dir nichts abzuschlagen. Bitte Gott, daß Du eS nie bereuen mögest." „Nie, nie!" rief sie mit triumphirender Stimme. Die Trauung, welche nun stattfand, verlief so schnell und einfach, wie eS den Umständen angemessen war. Der Prediger war Weltmann genug, um ein zusehen, daß eine besondere rednerische Leistung hier nicht angebracht sei. Er empfahl sich kurz nach dem Trau-Akt mit einigen wenigen herzlichen Worten. Als er gegangen war, wandte sich Grace an ihren Gatten. „Richard!" sagte sie. „Mein Lieb!" „Nimm mich in Deine Arme nur einen Augen blick." Er drückte sie mit inniger Zärtlichkeit an seine Brust. „Küsse mich und nenne mich Dein Weib." „Mein Weib — mein theurcS Weib!" rief er aus und küßte sie wiederholt. „Nun sinv wir Beide eins für immer," sagte sie, während sie sich von ihm losmachte. „Bis der Tod uns trennt," ergänzte er in feier lichem Tone. Sie blickte ihm noch einen Moment zärtlich in die Augen und wandte sich dann zu dem Advokaten; „Nun, Spaird, was können wir im Interesse un serer Sache thun?" VII. Ein treues Weib. „Die Wahrheit ist, Spaird," sagte Grace, „ich wußte nicht, wie schlecht es mit Richards Sache stand. Ich hatte mich immer der Hoffnung hingegeben, die Aussagen und das ganze Auftreten Richards würden die Geschworenen von seiner Unschuld überzeugen. Ich wußte nicht, daß ein solches Netz von belastenden Momenten um ihn gewoben war." „Vanmark kannte seine Lage," bemerkte der Ad vokat. „O, ich will damit keinen Vorwurf gegen Sie aussprcchen," sagte Grace schnell, indem sie dem Ad vokaten die Hand reichte. „Ich spreche Ihnen viel mehr meine Bewunderung aus über die Geschicklich keit, mit der Sie Richard gegen die belastenden Aus sagen der Zeugen vertheidigten. Aber ich bin der Gerichtsverhandlung aufmerksam gefolgt und es sind mir da manche Dinge dunkel erschienen, die wohl einer sorgfältigeren Beleuchtung Werth wären. Die DetektiveS haben für uns so gut wie nichts gethan." „Sie alle waren der Ueberzeugung, daß Vanmark schuldig sei," bemerkte Spaird. „Und veshalb waren sie lässig bei ihrer Tätig keit," vollendete Grace den Gedankengang des Advo katen. „Ich aber liebe meinen Gatten zu sehr, als daß ich zugcben werde, daß er das Verbrechen eines Anderen büße, und ich will nicht eher ruhen, als bis ich den richtigen Mörder entdeckt habe." „Grace!" rief Richard halb im Tone der Bewun derung, halb in dem der Besorgniß. „Du mußt nicht versuchen, mich davon abzuhalten, Richard." „Eine Hcfsnung bietet sich uns wohl," begann der Advokat. „Und die wäre?" „Wir müssen einen neuen Prozeß beantragen." „Würden wir dadurch Zeit gewinnen?" fragte Grace. „Gewiß, und ich denke, es wird in unserem Falle nicht schwer halten, mit einem diesbezüglichen Anträge durchzuvringen." „So stellen Sie den Antrag, während ich meinen Plan auszuführen beginne," sagte Grace. „Ich fürchte, Grace," warf Richard ein, „Du nimmst zu viel auf Dich." „Fürchte nicht« für mich und nichts für Dich," rief sie au» und das Blut schoß ihr in die Wangen. „Ich sühle es in meinem Herzen, daß ich Dich retten Werre. Zweifle nicht an meiner Liebe, Richard, wenn ich in der nächsten Zeit ausbleibe, denn ich werde thätig, sehr Ihätig sein müssen." „Zweifeln an Dir, Geliebte!" entgegnete er, während er sie zärtlich umschlang. „Nach dem heut igen Tage kann ich nie an Deiner Liebe zweifeln." Grace und Spaird verabschiedeten sich von dem Gefangenen, um sich sofort an die Arbeit zu machen. Grace Monteath besaß einen nicht gewöhnlichen Scharfsinn und eS waren ihr während der Gerichts verhandlung einige schwache Punkte in der Verhand lung ausgefallen, denen sie weiter nachzuforschen be schloß. Ihr erster Gang war zu dem Detective Macroy, den sie in seinem Bureau antraf. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Zu den wunderbarsten Geschäfts zweigen, die überhaupt existiren, gehört sicherlich die Skelettfabrik in St. Denis bei Paris. Im Labora torium sitzen an langen Tischen die „Fabrikarbeiter", die sorgfältig die vorher in großen Kesseln ausge kochten Menschenknochen abschaben und glattstreichen. Ist das geschehen, dann werden die Knochen weiß ge macht und zwar entweder mittels Kalkchlorür, da» ihnen eine weißlichgelbe Färbung verleiht oder indem sie der Sonnenwärme ausgesetzt werden; das letztere Verfahren, das zwar einfacher ist, aber länger dauert, giebt den Knochen eine Elfenbeinweiße. Die mit Chlorür gebleichten Knochen werden zur Anfertigung billiger Skelette verwandt, während aus den Knochen der zweiten Kategorie nur LuxuSskelette gefertigt wer den. Das geschieht, indem die Knochen geschickt zu- sammengepaßt, auf Messingdraht gezogen und von den Spezialisten ordnungsmäßig aneinander gereiht werden. Die letztgenannte Operation erfordert außer einer großen Kennlniß der Osteologie auch einen ge wissen künstlerischen Geschmack; denn es handelt sich darum, aus einer Sammlung beliebiger verschieden gestalteter Knochen diejenigen auSzuwählen, die wenig stens annähernd zusammenpassen, daß sie aussehen, als stammten sie von einem Individuum. Als Ku riosum verdient erwähnt zu werden, daß auf den Werth der Knochen das Geschlecht einen großen Ein fluß hat, denn ein Männcrskelett kostet 20—25 Pro zent weniger als ein Frauenskelett. Die Damen werden also nach dem Tode besonders geehrt. — Im Dorfe Turbigo bei Magenta, nahe der Grenze des Canton Tessin reizend gelegen, wo man den blauen Himmel Italiens mit der frischen Luft der Schweizer Berge vereint findet, wurden jüngst am frühen Morgen die dort weilenden Sommergäste, zum Theil Deutsche, durch ein entsetzliches Kreischen, Schreien, Zetern vieler Frauenstimmen, welches das ganze Dorf aus dem Schlafe weckte, unangenehm überrascht. ES war eine wahre Hexenprozession, welche, mit Ruthen und Besen bewaffnet, nach der Pfarre zog. Die Schönen, gleichviel ob alt oder jung, blond oder braun, roth- oder weißhaarig. Alle von der gleichen Wuth beseelt, drangen durch die allezeit offene Thür des Pfarrhauses direkt in das Stubirzimmer des Pfarrers, der sich erst seit dem vergangenen Tage im Orte befand. Er hatte soeben die Frühmesse ge lesen und ruhte in seinem Lehnstuhle von dem Schrecken aus, den er empfuntcn, als er bei der Messe ent decken mußte, daß die Kirche vollständig leer war. Jetzt ward ihm die Erklärung, warum seine fromme Heerde in der Messe durch ihre Abwesenheit geglänzt hatte. Die Weiber sagten ihm nämlich rund heraus, daß sie von ihm nichts wissen wollten und forderten ihn mit drohenden Geberven auf, einem gewissen Don Bittorio, der als Vikar die Pfarrstelle seit dem vor zwei Jahren erfolgten Tode des früheren alten Pfarrers vertreten hatte, den Platz zu räumen. Jener Don Vittorio hatte die Herzen der Turbigcnser und be sonders der Turbigenserinnen so sehr gewonnen, daß dieselben ein Gesuch um Belassung des liebenswür digen Vikars im Amte eingereicht hatten, aber die Curie fand dies vermuthlich so befremdend, daß sie wohl gerade deswegen den hübschen jungen Don Vit torio durch einen älteren Geistlichen ersetzte. Da schworen die frommen Seelen des Dorfes der Curie Rache und begannen vamit, den Auserwählten der selben fortzuweisen. Der Pfarrer aber erklärte: „Ich rühre mich nicht von der Stelle, Ihr müßtet mich denn mit Gewalt forttragen!" Das ließen sich die Weiber nicht 2 Mal sagen. Sie faßten den Lehn stuhl mit starken Armen, hoben ihn in die Höhe und setzten denselben sammt dem geistlichen Herrn an die Luft. Nicht genug damit, zwangen sie den Pfarrer, sich sofort auf den Weg zu machen, um das Dorf zu verlassen, gaben ihm ein Stück Brod als Zehrung und begleiteten ihn sogar eine Strecke, um zu Ver bindern, daß er zurückkehre. Erst als sie mit ihm die nächste Eisenbahnstation erreicht und ihn nach Mailand abdampfen gesehen hatten, kehrten sie tobend, lachend, schreienv, plaudernd heim. Gleich nach dem erzwungenen Rückzüge de» Pfarrers richteten die l500 Einwohner des Dorfes Turbigo wieder ein Schreiben an die Curie, worin sie die Einsetzung des bei ihnen so beliebten Vikars Don Vittorio in die Pfarrstelle verlangen; wo nicht, erklärten sie, sich fortan ohne Seelenhirten behelfen zu wollen. Da die Curie bis her nicht geantwortet und weder Don Vittorio noch auch einen anderen Geistlichen nach Turbigo geschickt hat, so begraben die Dorfbewohner ihre Tobten und taufen ihre Kinder selbst, nicht ohne Beobachtung einer gewissen Feierlichkeit. Die Kirche wird jeden Morgen geöffnet und jeden Abend von einem Bauer geschlossen. Bi« zum Messelesen hat sich aber bisher noch Niemand verstiegen. — In den Beinen liegt der Sieg. Bu der militärischen Wirksamkeit des vor einigen Tagen in Wien verstorbenen FeldzeugmeisterS Frhrn. Rosen zweig von Drunwehr theilt der „Pester Lloyd" fol gende Episode mit: Eine» Tages tritt der General unvermuthet in eine Unteroffiziers-Pflanzschule, wie sie in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre noch bestanden. Er läßt durch den Vortragenden Offizier einen Gefreiten aufrufen und prüfen. Der Gefreite bemüht sich, einige taktische Weisheiten, die man ihm eingebläut, etwas confu« von sich zu geben. „Sie, Gefreiter," unterbricht Baron Rosenzweig den Sprecher, „lassen Sie das Alle» und zeigen Sie mir einmal, wie der Soldat seinen Fußlappen Zusammenlegen soll?" Der Gefragte blickte dem General ins Ge sicht, ohne ein Wort zu finden. „Diese Frage ist in der Schule offenbar noch nicht behandelt worden," bemerkte der General. „Herr Oberlieutenant, ist ein Bogen Fließpapier da? Ja? So — schön, geben Sie ihn her." Zum Gefreiten gewendet, fuhr der General fort: Stellen Sie sich vor, dieser Bogen Fließpapier sei ein Fußlappen. Legen Sie ihn auf den Tisch! So! Und nun Ihre flache Hand wie einen Fuß in die Mitte des Bogens, und nun machen Sie, als ob Sie einen Rekruten zeigen müßten, wie der Lap pen zu legen sei!" Der Gefreite thut, wie ihm ge heißen: eS war Alles gut, nur den vorderen Zipfel bog er über die Zehen hinab, so daß derselbe auf die Fußsohle zu liegen kam. „Sehen Sie, Herr Oberlieutenant," begann der General, „da« ist falsch! Was nützt mir die ganze taktische Plapperei, die einen sehr zweifelhaften Werth hat, wenn der Ge freite oder Corpora! nicht einmal die beste Legart der Fußlappen dem Rekruten beibringen kann. In den Beinen liegt der Sieg und die wichtigste Kunst des Infanteristen ist Marschiren und Schießen! Wenn der Gefreite aber die Mannschaft lehrt, den Zipfel des Fußlappens herunter- statt hinaufzulegen, so treten sich bei anstrengenden Märschen die Leute Blasen in die Sohlen, so daß sie nicht weiter marschiren können, sondern im Straßengraben liegen bleiben. Wird der Zipfel heruntergebogen, so tritt ein Theil der Sohle hohl, so daß von 250 Mann, mit denen die Compagnie ins Feld marschirt, nach den ersten drei Feldzugswochen 50 Fußmarode in den Spitälern Zurückbleiben. Wird dagegen der Zipfel nach oben gelegt, aber so flach, daß kein Druck entsteht, so tritt die Sohle auf eine glatte Fläche auf und — Sie bringen die Kompagnie in voller Kriegsstärke ins Gefecht. Also wirken Sie dahin, daß auch die Unter offiziere der Mannschaft die Bedeutung des Satzes beibringen: In den Beinen liegt der Sieg!" — Die Ursache des Champagnerbrausens. Friedrich Wilhelm I., der große Soldatenkönig, war bekanntlich kein besonderer Freund der Wissenschaften, ja, er nahm sogar Gelegenheit, sich de« öfteren an seinen Gelehrten und wissenschaftlichen Instituten zu reiben. So gab er einst, wie der „Bär" erzählt, der Berliner Akademie auf, die Ursache deS Champagner brausen« wissenschaftlich zu begründen. Dieser offen bar zu Tage tretende Spott de« König« verstimmte die Mitglieder der Akademie derartig, daß man ge meinsam beschloß, gleiche« mit gleichem zu vergelten. Auf da« haushälterische Wesen Friedrich Wilhelm« bauend, schrieb die Akademie Seiner Majestät unter- thänigst zurück, sie werde dem allerhöchsten Befehl unverzüglich nachkommen, sofern ihr 50 Flaschen Champagner au« rem Königlichen Keller zu den nölhigen Versuchen geliefert würden. Daraufhin zog e« der große König vor, seinen Wein im Keller zu behalten und lieber mit der Ursache de« Champagner brausen« unbekannt zu bleiben. — In den Laden eine« Radhändlers in Brüssel kam ein eleganter Herr und wählte sich eines der schönsten Räder zum Preise von 800 Franks aus. Der Käufer hatte auch bereits seine Brieftasche gezogen, um sofort den Kaufpreis zu erlegen, als er sich plötzlich eines anderen besann und zu dem Händler sagte: „Aber ich kann ja noch nicht fahren. Wozu kaufe ich ein solches Ding, so lange ich eS nicht be nutzen kann? Vorerst möchte ich einigen Unterricht nehmen." Dem Händler leuchtete das sehr ein, und beauftragte seinen Sohn und seinen Ladendiener, den Herrn nach der sog. Allee Verte zu führen, woselbst gewöhnlich die angehenden Radfahrer ihre Uebungen abhalten, um ihm gute Rathschläge zu geben. In der Allee Verte wellten der Sohn deS Händlers und der Ladendiener sich kugeln vor Lachen, als sie sahen, wie der „Kunde" ein über das anveremal vom Rade fiel; sie lachten sogar so sehr, daß der junge Herr sich davon beleidigt fühlte. Endlich, nachdem er wieder einmal und noch gründlicher als die vorhergehenden Male zu Boden gestürzt, und die beiden Anderen sich im Lachkrampf wanden, sprang der angehende Rad fahrer plötzlich mit größter Eleganz in den Sattel und raste davon, als gelte es, im Weltfahren den ersten Preis zu erringen. Man sah ihn nimmer wieder, und auch der Lachkrampf trat nicht wieder ein.