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Amts- und Anzeigeblatt für den MM- Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock sertionSprei»: die kleinsp. °« und dessm Hlmgebung. Abonnement viertelj. 1 M. 20 Pf. (incl. Jllustr. Unterhaltbl.) in der Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei allen ReichS- Postanstalten. 111 verantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. ,s. Dienstag, den 20. September 18S2. Beror-nung, die Jahr- und Viehmärkte betreffend. DaS Ministerium des Innern findet sich bewogen, das unter dem 31. vor igen Monat» erlassene Verbot der Abhaltung von Jahrmärkten und Viehmärkten hiermit wieder zurückzuziehen. Ob an einzelnen Orten gewisse Einschränkungen, z. B. in Bezug auf Tanz belustigungen, auf den Verkauf gewisser Genußmittel und dergl. sich empfehlen möchten, bleibt dem Ermessen der Polizeibehörde überlassen. Bei dem für einige Bezirke wegen der Maul- und Klauenseuche erlassenen Verbote der Abhaltung von Viehmärkten hat e» zu bewenden. Dresden, am 17. September 1892. Ministerium des Innern. Für den Minister: v. Charpentier. Körner. Der Gemeindevorstand Herr llvULLLL OrsikenkageL in Neidhardtsthal ist heute als Ortsrichter für Muldcnhammer verpflichtet worden. Eibenstock, am 16. September 1892. Königliches Amtsgericht. Kautzsch. Staab. AuSschreibeir. Aoi-noi-, Eisendrchcr und Weber, geb. 8. Mai 1873 zu Obersachsenfeld, ist der ArbeiiSbuchfälschung dringend verdächtig. Ich ersuche um Mittheilung vom Aufenthalte Werner s. Eibenstock, am 16. September 1892. Der Königliche Amtsanwalt. Warneck. Bekanntmachung. Auf Grund der Verordnung des Königlichen Ministerium« des Innern vom 12. dss Mt«.. Maßregeln gegen Einschleppung der Cholera hetr., wird hiermit für hiesige Stadt Folgendes bestimmt: 1) Alle aus dem hamburgischen Staatsgebiet oder von einem anderen al» verseucht bekannt gewordenen Orte kommenden Personen haben sich während der nächsten sechs Tage nach dem Verlosten der be treffenden Orte an jedem Ort, an welchem sie anlangen, spätestens 12 Stunden nach der Ankunft bei der OrtSpolizeibehörde unter An gabe ihrer Unterkunft zu melden und über den Tag, an welchem sie die vorgenannten Gebiete verlassen haben, sich auszuweisen. Die Quartiergeber (Gastwirthe wie Private) sind in jedem Falle (auch wenn es sich lediglich um Familienangehörige handelt) für die richtige und rechtzeitige Meldung persönlich mit verantwortlich. 2) Die Ein- und Durchfuhr von gebrauchter Leib- und Bettwäsche, ge brauchten Kleidern, Hadern und Lumpen aller Art, Obst, frischem Gemüse, Butter und Weichkäse au« dem hamburgischen Staatsgebiete oder einem anderen als verseucht bekannt gewordenen Orte ist verboten. 3) Jede aus dem hamburgischen Staatsgebiete oder von einem anderen als verseucht bekannt gewordenen Ort eintreffende Post- oder andere Packetsendung ist von dem Empfänger vor der Oeffnung der OrtS- polizeibehörde zu melden. Letztere wird bei der Oeffnung feststellen, ob die Sendung Gegenstände, deren Einfuhr verboten ist, enthält. Ist letzteres der Fall, so werden die betreffenden Gegenstände deSin- ficirt, bevor sie zum weiteren Verkehr zugelassen werden können. 4) Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Vorschriften werden, soweit nicht auf Grund des Reichsstrafgesetzbuches eine höhere Strafe ein tritt, mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Saft bestraft. Eibenstock, den 19. September 1892. Der Stadtrath. »r. Körner. Han». Bekanntmachung. Ergangener Anordnung zufolge wird hierdurch bekannt gemacht, daß die Königliche Kreishauptmannschaft zu Zwickau in Gemäßheit der Bestimmungen in K 8 des Krankenversicherungsgesetzes in der Fassung vom 10. April 1892 das ortsübliche Tagelohn gewöhnlicher Tagcarbeiter auf I Mark 60 Pf. für erwachsene männliche Arbeiter, 1 » — . » » weibliche „ — , 80 , , jugendliche männliche — , 60 . . , weibliche , für den Bezirk der Stadt Eibenstock neu festgesetzt hat. Diese Sätze treten mit dem 1. Januar 1893 in Kraft. Eibenstock, den 19. September 1892. Der Stadtrath. »i-. Körner. Hans. Ein Wort für Hamburg. Die furchtbare Katastrophe, welche die stolze Hansa- stadt betroffen, ist die dritte in diesem Jahrhundert. Keine Stadt Deutschland» hat unter dem Druck der Franzosenherrschaft so gelitten; der Riesenbrand vor 50 Jahren schien die ganze Herrlichkeit de» Elbem- porium« für immer zu begraben; und nun geht der Würgengel durch die stolzen Straßen an der Alster, durch die engen Höfe an den Fleet» entlang und über die großartigen Hafenanlagcn von Hammerbrook, mit der Sense Alt und Jung, Arm und Reich nieder mähend ohne Aufhören. Man sollte meinen, ein tiefe» Mitgefühl mit einem so unerhörten Unglück müßte ganz Deutschland ergreifen. Wenn sonst ein auch kleinere» Mißgeschick einen Theil de» Vaterlandes trifft, Ueberschwemmung, Feuersbrunst, Epidemie — ja wenn selbst ein Einzelner nur in seinem Gewerbe leidet, wie Buschoff, dann werden sofort allerorten Komitee» zusammengerufen, e» wird gesammelt und geholfen — hier ist eine Gleichgültigkeit, die geradezu unerhört ist. Deutschland geht an Hamburg vorüber, zuckt die Achseln und meint: da« sei die gerechte Strafe für die unterlassenen Vorsichtsmaßregeln, für die unverantwortliche Wirthschaft u. s. w. E» ist war, in Hamburg ist viel gesündigt worden. Ob nun die Seuche, wie wahrscheinlich, durch russisch jüdische Auswanderer oder durch asiatische Feuerleute (— die dann allerdings 8 Wochen den Ansteckung», stoss in sich getragen haben müßten —) auf dem See oder dem Landweg eingeschleppl worden ist, — jeden falls hätte mit Energie die Krankheit lokalinrt und erstickt werden können. Wa» Berlin vermag, kann Hamburg auch. Eine tiefe Mißstimmung gegen da selbstsüchtige Stadtregiment der Hansastadt ist erklärlich. Weniger Recht haben diejenigen, welche den Flüchtigen zürnen, die den KrankheilSstoff über ganz Deutschland verbreiten. Oder würden die Bewohner de» Thier gartenviertel« zu Hause bleiben, wenn die Cholera nach Berlin ernstlich käme; würde sich nicht in jeder Stadt da« Schauspiel wiederholen, daß die Leute, die e» vermöchten, da« theure Leben schleunigst in Sicher heit zu bringen suchen? Aber selbst wenn alle diese Vorwürfe gerecht wären, darf man deshalb die Stadt im Elend lassen? ES wäre auch vom rein praktischen Standpunkt unklug. Hamburg ist unsere erste Handelsstadt; eine Kata strophe, die sie trifft, wird bis an» Ende von Deutsch land empfunden. Noch halten die großen Firmen, die in selbstlosester Weise den kleinen Kaufmann stützen, da» Verderben auf; der Gedanke eine» Moratoriums wird von der Hand gewiesen — dauert aber da» Elend auch nur noch einen Monat in gleicher Stärke fort, so sind zahllose Bankerotte unvermeidlich. Schon versuchen außerdeutsche Plätze, wie Triest und Antwerpen, von dem Unglück zu profitiren; Präsident Harrison, der die Einwanderung überhaupt beschränken will, droht mit Ausschluß der Dampferlinien au« den amerikanischen Häfen; wollen wir wirklich un» freuen, daß die alte Hansastadt ruinirt wird, al» wäre sie nicht ein Glied an unserm Leibe, ein Juwel in der Krone de« deutschen Reiche»? Aber auch vom Standpunkt der Humanität ist ein längere» Zögern unverantwortlich. Wohl ist Hamburg eine reiche Stadt, d. h. eine Stadt der Reichen; wer aber in den Höfen und Hinterhäusern der stolzen Straßen sich umgesehen, wer die bittere Roth kennt, welche in den sechsstöckigen, licht- und lustlosen Häusern herrscht, der wird von tiefem Weh ergriffen, wenn er an da» Elend denkt, da» jetzt dort sein muß und da» zu lindern auch die Millionen der oberen Tausend nicht au-reichen. Und e» kommen ja genug Schilder ungen de« Jammer« in die Presse; der Zeitungsleser liest sie beim Kaffee, ihm schauert da« Herz, er rüst: Gott sei Dank, daß die Cholera noch nicht hier ist — und damit ist e» genug. Wo bleiben die großen Korporationen bei diesem Elend? Der Johanniterorden hat die Hilf«- pflicht in allen Nokhständen auf seine Fahne geschrieben. Bei der Typhusepidemie in Ostpreußen 1867/68 waren seine Lazarethe Musteranstalten. Seither hat er durch das Institut der ausgebildeten Ordensschwestern sich ein genügendes HilfSkorps geschaffen. Warum ist er nicht längst aus dem Plane? Daß in der Republik Hamburg keine Johanniterritter vorhanden, kann ihn doch nicht abhalten, seinem alten Ruhme getreu, seine Pflicht zu thun. Wo sind die Vereine zum rothen Kreuz? Freilich sind sie in erster Linie für den Krieg, aber die Cholera ist ein Feind, schlimmer al« Russen und Franzosen. Gerade dieser Verein gebietet über ge schulte Krankenpfleger, Krankenträger und ärztliche« Personal. Konnte er SanitätSzüge nach Bulgarien auSrüsten, warum sind nicht längst dergleichen unter wegs nach Hamburg? Der Vaterländische Frauen-Verein ist mit seiner schleswig-holsteinischen Sektion auf Beran- laffung der Prinzessin Heinrich, welche überhaupt die erste gewesen ist, die Mitleid mit der vielgeprüften Stadt empfand, in die Liebesarbeit eingetreten. Ader warum nicht der Gesammtverein? Wenn für die Noth- leidenden auf der Röhn, für die Ueberschwemmten in Westpreußen alle Vereine mobil gemacht wurden, warum nicht für Hamburg? Vergessen wir nicht, wo e» Opfer für patriotische Zwecke, für Liebe«- und NothstandSzwecke galt, war immer Hamburg voran. Nun ist e» Zett zu zeigen, daß wir die schwergeprüfte Hammonia nicht vergessen wollen. Möchten sich allerorten Komitee» bilden; der nahende Winter wird die Nolh in» Unermessene steigern und doppelt giebt, wer schnell giebt. E» gilt, den häßlichen Fleck der egoistischen Gleichgiltigkeit so bald al» möglich vom deutschen Gewände abzuwischen, darum frisch zur That, für da» schöne meerbefahrende — aber jetzt so tief gebeugte deutsche Hamburg!