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«Fortsetzung folgt.) furlcr Wochenschrift ..Die Umschau" genauer geschildert, d'cnt so wohl der Personen- als auch der Prodnktcnsärdcrnng: sie wurde in 22 Monaten einschlietzlich aller Bahnhosoanlagen. der Zn- gangsstrcchen und eines Lokinnotivschuppcns gesciwlsen. Die 2980 Meter lange Strecke hat ein Einsallen von etwa 8 Grao. Zwei Gleise mit einer Spurweite von 900 Millimeter wurden verlegt, in deren Mitte eine Zahnstange aus Gutzstahl eingebaut wurde. Da die Temperaturen unter Tage ständig gleich blei ben, konnten Schienen und Zahnstangen ohne Dehnungsfugen glatt aneinander gesetzt werden, so datz der Uebcrgang in den Schicncnbändern vollkommen stotzfrei ist. Die Lokomotiven las« scn sich in den steigenden Strecken als Zahnrad, in den ebenen Bahnhossstrecken als Reibungslokomotinen verwenden Die höchste Geschwindigkeit ist bei Bergfahrt 11 Kilometer in der Stunde, bei Talfahrt die gleiche. Zur Slromnersorgung dient eine HHO-Bolt-Gleichstromanlage. Obwohl die Anlage der Zahn radbahn 1,1 Millionen RM. kostete, wird sie sich dort, renliercn, da durch diese Bahn künftig 780 000 Hcucrschichten und über 1 Million Fürder- und Nedentchicktcn erslwrt iverden. dieser Einsparung stellt einen Wert von über 14 Millionen RM dar. Der alte Rummel und die junge Aartoffel Alter und Herkunft unserer Feld- und Gartensrvchte. Bei einem Gang übers Stopl«elfeld, beim beschaulichen Sinnieren über Saat und Ernte, Werden und Vergehen könnte leicht die Frage austauchcn, wie alt die Früchte unserer Felder nun eigentlich sind. Als älteste, schon unfern frühesten Vorfahren bekannte Getreidearten sind an Hand vorgeschichtlici>er Funde Gerste und Hirse anzusprechen, aber auch mancherlei Salatpflanzcn, wie Bren nessel. B ru n n e n k r c k se. Wild Kümmel wurden von den Pfahlbaubewohncrn als Nahrungsmittel ge schäht und regelmähig gepflanzt. Ebenso bildeten damals Brombeeren. Hagebutten und Vogelbeeren einen nicht geringen Bestandteil der menschlichen Nahrung, und Wildobst, besonders Aepfel und Birnen, fand man. sorgfältig getrocknet, mancher orts tn Besähen vorgeschichtlicher Zelt. Hafer und Roggen, Himbeere und Schnittlauch sind In der späteren Bronzezeit nachweisbar. Um die gleiche Zeit wurden auch schon Raps und Rübsen als Oelpslanzen geschäht. Durch die Römer wurden die Roten Rüben und Kohl rüben eingefiihrt. ebenso Dill, Zwiebel, Majoran und Thymian. Zur gleichen Zeit wurde der Wein an Donau und Rhein an- gebaut. Später erst kamen Gurke, (tzelbriibe. Walnuh, Aprikose und Pfirsich nach Deutschland. Diesen folgte, gleichfalls aus Italien, der vielartigs Kohl — Im 11. Jahrhundert — und etwa 100 Jahre später Stachel-, Johannis- und Heidelbeere. Die Kirsche kam etwa zur selben Zeit aus Asien zu uns, wäh rend der Spinat erst im 14. und Tomate und Spargel gar erst im 18. Jahrhundert den Kochkünsten unserer Mütter zur Ver fügung standen. Mit der Entdeckung Amerikas kamen Bohne, Kartoffel und Mais nach Europa, die sich aber bekanntlich nur zögernd in Deutschland einftihrtcn und als ausgesprochenes Bolksnahrungsmittel noch nicht älter als 200 Jahr« sind. Eine Zahnradbahn in die Tiefe eines Bergwerkes Die erste Zahnradbahn im Bergbaubetrieb untertage ist in den Gruben des Mansfewer Kupferschieferbergbaues erbaut worden. Die Färber- und Setlfahrtschächte sind hier von den Bbbaubetriebcn so weit entfernt, datz bei einer Schichtzeit von 814 Stunden die rein produktive Arbeitszeit durchschnittlich nur SU Stunden, stellenweise sogar nur 814 Stunden beträgt. Um eine Abhilfe zu schaffen, indem die Bergleute maschinell zu ihren Arbeitsorten befördert wurden, hatte man bereits in den Jahren 1930/34 zwischen der 7. und 0. Sohle des Wolfsschachtes zwei auf Schienen laufende Seilbahnen für Personenbeförde rung mit Erfolg angelegt. Im Jahre 1038 wurde der Bau einer elektrisch betriebenen Zahnradbahn zwischen der v. und 12. Sohle des Dikthumsckachtes beschlossen. Diese erste Zahnrad bahn im Bergbaubetriebe, die Erwin Siegmund in der Frank- Gottfried Keller, der junge Dichter, hotte, nach dem Erfolg seines ersten Gcdichtbandes, vcn seiner Vaterstadt Zürich ein Stipendium erhalten und bcnutzre nun dieses zu einem länge ren Aufenthalt in Berlin, um dort Theater und Geschichte zu studieren. Es war kein leichtes Leben in der fremde» arotzen Stadt, die Meister Keller allerdings viel fürs Leben bedeutete. Manche schöne Geselligkeit, manch' immer offenes Anschaucn von Welt, Menschen und Kunst wurde abgelöst von Unlust und Krankheit. Erfolglosigkeit und Hunger, denn zum „Fettwcrden" für einen, der zudem das Einteilen nicht immer verstand, langt« das Stipendium der sparsamen Heimatstadt ganz und gar nicht. Da hauste, schlecht und reckt, der 30jährige Gottfried nun in seinem ZImmerchen In der Mohrenstratze und man schrieb Frühjahr 1850. Der Monat Mai war am Ende, und unser junger Dichter war eben deshalb in ärgster Bcdärgnis, denn sein Monatswech- sel mis Zürich, mit dem er als sicher gerechnet, war noch nicht eingctroffen. Und der Dichter hatte gerade »och einen einzigen armseli gen Groschen im Beutel und weder Brot noch Wurst oder ähn liche wesentliche Dinge im Röhr des iveitzgrkachelten Ofens, dem ziveckmätzlgen sommerlichen Behältnis. "Anborgen wollte er keinen seiner wenigen Freunde. So mutzte ihm der letzte Grossen unentbehrlichste Brotatziing für diesen und womöglich noch den nächsten Tag besck-affen. Gottfried Kester, der „grüne Heinrich", lief diesmal ein paar Strotzen weiter, die Mauerstratze um die Dreifaltigkeits kirche herum, weiter zur südlichen Friedrichstratzc hin und «rat endlich in einen kleinen, betriebsamen Bäckerladen, wo nie mand ihn kannte. „Wat dem jungen Herrn jefästig sei?" .Ich möchte «für einen Groschen Schrippen von gestern!", bringt der „grüne Heinrich", zögernd ein wenig, heraus. Die Bäckersfrau packt ein, eine beträchtlich grobe Tüte voll, und es Ist gerade kein Kunde mehr im Laden. Kester legt seinen Groschen auf den Ladentisch, dankt und Wie lange hatte sie nun schon alle Mutterrechte ent behrt? Beinahe zwanzig Jahre! Eie waren sich zum Verwechseln äynnch, ihre beiden großen Jungens, und unterschieden sich eigentlich nur dem Charakter nach. Wolfaang war ganz der Vater und doch wieder nicht. Der brutale, geldgierige Charakter fehlte ihm gänzlich. Gottlob! dachte sie. Alles andere ließ sich überbrücken und berücksichtigen. Sie kann weinen, dachte Hylmar, als er den schlanken Körper der Mntter tn stummer Erschütterung über den Hügel von Blumen und Kränzen geneigt sah, unter dem der Vater schlief. Warum war sie dann fort gegangen? Warum war sie dann nicht bei ihnen ge blieben? Weshalb mußten sie die vielen, vielen Jahre lang alle Liebe entbehren, die andere Kinder durch ihre Mutter teilhaftig wurden? „Hat er noch sehr gelitten?" fragte sie leise. „Kanin! Es war ein Lungenscklag? »Und eö war niemand bet ihm?" „Niemand, nein. Wolfgang und ich waren auf der Fahrt von Innsbruck hierher. — Wird es dir nicht zu kühl, Mutter?" Sie war plötzlich zusammengeschauert. „Komm, wir gehen. Wir kommen morgen dann noch einmal her. Du bist sicher auch sehr müde heute," be dauerte er, fühlend, wie schwer ihr Arm in dem seinen lag. Heimwärts fuhr der Chauffeur. Mutter und Sohn sprachen nicht. Nur ihre Hände lagen mit sanftem Druck ineinander, sich gegenseitig Trost spendend. Wolfgang stand in der großen Halle und begrüßte sie mit einem Neigen des Kopfes. „Wenn du erlaubst, möchte ich sttr diese Nacht hierbleibcn," sagte Hertha Kunstmann. hörte ihn etwas Belangloses erwidern und ließ sich von Hylmar den Mantel abnehmen. Oskar hielt im Teezimmer einen leichten Imbiß be reit, aber nnr Hylmar leistete der Mutter Gesellschaft. AIS sie aber etwas später in den kleinen Salon trat, der an ihr Schlafzimmer grenzte, sah sie Wolfgang aus einem der Stühle anfspringen nnd auf sie zukommen. „Entschuldige die Störung! Ich möchte dich nnr um Aufklärung bitten, was deine Worte von heute abend bedeuten sollen." „Ach," meinte sie nnd spürte, wie die bleierne Müdig keit, die sie schon aus dem Friedhof überfallen hatte, immer mehr zunahm. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie vergessen, und ich bin heute wirklich am Ende, Wolfgang. Morgen dann " Er hielt die Hände ineinandcrgeklemmt und rang nach Fassung. „Du willst mich vertröstenl" „Wäre dir das so unangenehm?" Sie stand jetzt dicht vor ihm und ließ die Finger langsam über seinen Arm herabstreicheln. Ein Hoyer Wandspiegel zeigte ihre beiden Gestalten: schlank, mit schmalen Schultern und einem leicht geneigten Oberkörper, der feine Kopf vom Halse leicht m den Nacken gebeugt. Sie wirkten so gar nicht wie Mntter und Sohn — eher wie Bruder und Schwester. Dann gewahrte Hertha Kunstmann einen Ausdruck tm Gesicht ihres SoyneS, der sie zusammenschauern liest. Co hatte ihr Mann sie manchmal angesehen. „Wir wol len schlafen gehen, Wolfgang. Morgen stehe ich dir dann zur Verfügung. Obwohl es besser wäre, du würdest dich nicht mehr an meine Worte erinnern. Aber wie du willstI Für heute gute Nacht, mein Junge." „Gute Nachti" Er verneigte sich steif. „Ich hoffe nicht, daß du ohne Abschied gehst." „Geivist nicht, Wolfgang, und schlafe, so gut eö geht. Du wirst morgen eine schwere Entscheidung vor dir haben." Er war schon an der Tür und kam noch einmal zu ihr zurück. „Eine Entscheidung?" „Ja!" Sie wollte noch etwas sagen, taumelte und griff eilig nach der Klinke. „Geh bitte! Ich kann nicht mehr!" Fast unhörbar schloß sich die Tür ihres Zimmers. Der falsche Groschen / ist halb schon an der Tür, Sa hört er die Bäckersfrau ihn« nach rufen: „Nu Heren Se, junger Mann, dct cs ja 'n failä-er Iroschen!" Gottfried Kester erschreckt, kehrt zurück und steht ratlos, -en noch daliegenden Groschen kopfschüttelnd betrachtend. Er wird rot. irber und über, und stammelt Entschuldigungen. Die menscl>enkundlge Bäckersfrau, eine im Herzen grund gütige Berlinerin, mag schnell in die Seele unseres jungen Mannes geblickt haben: „Ha'm Se denn kecn anderes Feld?" Der junge Mann verneint kopfschüttelnd. Darauf die Bäckersfrau: „Dct macht nu janz und jar nischt, junger Mann! Nu nehmen Sc man die Schrippen so mit" — und sie steckt ihm alsbald noch ein paar gute Stücke Buttcrkuchen von Nestern da zu — „un kommen Se morj'n ivieda — dann kriejcn Se wie der weläre ivissen Se. ick hab nemlich ooch een Sohn, der ts' uff Wanderfcha't. und det mutz ja sin fcr'n jungen Mann — och ja snnd nun steht ihr gar eine blanke Träne nn Auge!) — vielleicht hilft dem ooch mal eener —" Gottfried Kester geht, mit vielem Dank, immer noch rot in« Gesicht, glücklich und — beschämt zugleich. Er ist am nächsten Tage nickt wiedergekommen, denn da traf sein Monatsiveclstcl ans der Heimat ein. Aber beinah auf den Tag zivei Jahre später erhielt die biedere Bäckersfrau in der südlichen Friedrichstratzc in Berlin ans Zürich In der Schweiz ein Paket, und darin lag der eben erschienene „Grüne Heinrich", und rin netter Brief lag dabei, in dem der Dichter erinnerte und dankte, und unsere Bäckers frau war tief gerührt und glaubte weiter und vertieft an das Gute in dieser Welt und tat ferner nnd noch lange, In Ihrem beschränkten Bezirk, ein Kitzchen Gutes den Menschen, die cs nötig hatten. Hauptfchrlstlelter: Georg Winkel, z. Zt. abwesend: Stellvertreter: Dr. Gerhard Desezgk: Verlags, und Anzeinenleiter: Theodor Winkel, alle Dresden. Druck und Verlag: Germania Bnchdruckerel u. Verlag. Dresden, Polierslrab« 17. — Preisliste Nr. b Ist giilltg. In Klein-Ellbach gurgelte das Mlihlwosser über die mondbeschienenen Kieselsteine und sog an den moos bewachsenen Manern, die mürbe und nach innen aus gehöhlt waren. Der Wind ging über die Stoppelfelder nnd ließ daS Blattwerk von Frau Stefseus Feilster rascheln. Drinnen aber in dem kleinen Hanse schlich die Erinnerung über knarrende Treppen und drängte sich dnrch die niedere weißgestrichene Tür, die in Frau Elisabeths Schlafzimmer mündete. DaS Licht war längst gelöscht, aber sie war noch wach und horchte nach oben, von wo der ruhelose Schritt ihres Sohnes kam. War nicht gestern noch alles voll Frieden und un- gestörter Harmonie gewesen? — Nein, gestern schon nicht mehr! Da hatte Maria Terry bereits unter ihrem Dache geschlafen. Wie ein Funke, der sich eingenistet, hatte daS Mädchen langsam, aber stetig etwas zum Glühen gebracht, was noch hätte schlafen und träumen sollen, viele, viele Jahre lang. Er war erst fünfund zwanzig, ihr Sohn, und bis gestern immer nur ihr Kiud gewesen. Sonst nichts. Und heute? Sie lehnte den Rücken gegen die Wand des Bette- und horchte nach oben. Für den Augenblick war es still, dann ging wieder dieser tastende Schritt hin und her und her und hin. Rolf mochte wohl denken, sie höre ihn nicht, wie er auch wohl gemeint hatte, daß sie nicht merke, wie verändert er nach Hause gekommen war, mit einem Lachen, das nicht sein Lachen war und einem Zug um den Mund, der halb Seligkeit, halb Verzweiflung auSdrttckte. Sie hatte gesagt: „Fräulein Terry läßt dich noch grüßen. Sie ist unerwartet geholt worden." Und hatte dann gewartet, was er erwidern würde. Aber er hatte nur genickt und war dann nach seinem Zimmer hinaufgegangen. Weiter hatten sie kein Wort mehr über daS Mädchen gesprochen. Früher als ge wöhnlich hatte er ihr gute Nacht gewünscht. Er sei sehr müde. Und nun konnte er nicht schlascn und sollte morgen wieder frisch sein für seine schwere Arbeit. Eine sengende Nöte schoß ihr in die Wangen. War eö recht, daß sie duldete, wie er sich die Hände schwielig riß? Ein paar kurze Zeilen nur, und Rolf hatte alles, was vielen anderen seines Alters zur Verfügung stand: Geld, einen gefüllten Schrank mit Garderobe, Möglich keit zn Sport und Ausflügen und was es sonst noch für einen jungen Mann Begehrenswertes gab. „Ach!" Sie horchte wieder nach oben, wo jetzt ein Stuhl gerückt wurde, leise, bedachtsam, um keinen Lärm zu verursachen, und es wirkte doch überlaut in der Stille oer Nacht. Genau so überlaut, wie sich ihr Gewissen meldete, daS die Vergangenheit wachrics. Unten aus der Straße ging ein Schritt vorüber, ver hielt und ging weiter. Einmal, vor vielen Jahren — eS war nicht hier gewesen — war auch des Nachts ein Schritt gekommen, hatte haltgemacht nnd war dann über den weihen Kieö deS Gartens geschritten. Aber damals war nicht heute gewesen. Da hatte Rolf noch kleine, pralle Fäustchen gegen die Schlafen gedrückt gehalten nnd im Traum sein seligstes Kindcrlücheln gezeigt. Dicht vor ihrer Tür war der Schritt verstummt. Sie hatte nicht geöffnet. Da war er wieder nach der Straße zu geschlichen und hatte sich dort verloren. Und seither hatte sie ihn nie wieder gehört, die vielen langen Jahre nicht mehr... Oben war eö jetzt ganz still. Vielleicht schlief er. Viel leicht auch lag er auf seinem Bett und weinte. Aber Rolf Steffen tat keines von beiden, sondern stand am Giebel fenster und sah in die Mondnacht. „Am Sonnabend nm fünf Udr — einen Kilometer außerhalb der Stadt." Die Augen halb geschlossen, lehnte er gegen den Fenster rahmen. — „Trau den Weibern nicht, Stessen! Ist jede von ihnen eine Kanaille. — Nein/ stöhnte er. „Sie nicht! - Sie nicht!" 9. Fortsetzung. Sie hatte den Schleier zurückgezogen und zeigte nun daS gleiche schneetgweiße Gesicht wie ihre Söhne, das gleiche schmale, seine Profil, denselben weichen, fesseln den Zug um den Mund, der den Sonny Boys sofort alle Herzen gewann. „Hat es nicht Zeit bis morgen?" fragte Wolfgang, in dessen Augen ein gefährliches Funkeln glomm. „Zn ändern ist ja doch nichts mehr. Ich nehme nicht an, daß du solche Sehnsucht nach Vaters Ruhestätte hast." „Vielleicht doch, Wolfgang! Aber wie du meinst. Kommst du mit, Hylmar? Ich möchte nicht meinen Chauffeur oder OSkar um seiue Begleitung bitten müssen." Damit ließ sie den Schleier wieder über ihr Gesicht fallen. „Sofort, Mutter!" In den wenigen Minuten, dte der Jüngere brauchte, seine Garderobe zu holen, stand Frau Kunstmann mit Wolfgang allein. Ihre Hand suchte nach der seinen, fühlte, wie sie zurückgezogen wurde und stützte sich zitternd auf die Kante des Tisches. „So unversöhnlich, mein Junge? Und gerade du hättest den meisten Grund, mir zu danken, daß ich dich tm Frieden dieses Hauses aufwachsen ließ. Daß ich nicht darauf bestand, daß du mein Wanderleben mit mir teiltest! Daß ich dich mit Hylmar deiner Jugend freuen ließ, datz ich Du bist schon fertig?" wandte sie sich an den jüngeren Sohn, der eben wieder etntrat. „Dann wollen wir gehen. Gute Nacht, Wolfgang!" Sie neigte sich leicht gegen besten Gesicht und Mitt der Tür zu. Mit den Worten: „Du haft nicht fertig gesprochen," holte Wolfgang sie ein. Sie sah über dte Schulter nach ihm zurück. „Ich habe schon zuviel gesagt! Vergiß es, wie auch ch vergessen will, wie sehr du mich gekränkt hast. Vielleicht sehen wir unS morgen früh noch einmal. Ich reise nicht vor Mittag." Als sie mit Hylmar durch daS Parktor ging, sah Hertha Kunstmann auf der Straße ihren Wagen stehen. Oskar batte richtig überlegt und Weisung gegeben, der Chauf feur möchte hier warten. Ihr Lächeln blieb nnter dem Schleier verborgen. Aber Hylmar ahnte ihre Gedanken, trat an den Schlag und sagte: „Bringen Sie die Koffer der gnädigen Frau ins HauS. OSkar wird Ihnen zeigen, wohin." Zch möchte Wolfgang nicht " Sie kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Hylmar drückte ihren Arm an sich uns hielt den Schlag für sie geöffnet: „Du mußt Nachsicht mit ihm haben, Mutter," bat er, als der Gäuffeur sich entfernt hatte. „Ich habe heute morgen, alS du nicht kamst, gedacht, er wird wahnsinnig, so hat er sich erregt. Nun kann er für den Augenblick noch nicht begreifen, daß du da bist. Ich hatte solche Angst, -aß er dich beleidigt." „Hat er das nickt getan, mein Junge?" . „Nein! Ich weiß nicht, was er sagte, aber du mußt verstehen, Mutter „Daß ihr verhetzt worden seid," lächelte sie bitter. „Wundert dich das?" Der Chauffeur kam zurück und fragte, welche Rich tung er zu nehmen habe. Hylmar setzte sich selbst ans Lenkrad und fuhr nach dem Waldfriedhof. Hertha Kunst mann hielt den Kovf gegen die Polsterung gedrückt und sah abwesend nach den grell beleuchteten Straßen, deren Lichtreklamen im Fluge vorttbertanzten. Hin und wie- der warf sie einen Blick auf den schmalen Rücken des Sohnes, der leicht nach vorne geneigt war.